Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/3546: Heute im Bundestag Nr. 551 - 28.11.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 551
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 28. November 2012 Redaktionsschluss: 14:00 Uhr

1. Steuerfreiheit von Streubesitz-Dividendenzahlungen an Ausländer beschlossen
2. Keine neuen Sicherheitskonzepte für Offshore-Windparkanlagen
3. Der Agrarausschuss beschließt Novellierung des Tierschutzgesetzes
4. Experten fordern Sozialverträglichkeit bei energetischer Gebäudesanierung



1. Steuerfreiheit von Streubesitz-Dividendenzahlungen an Ausländer beschlossen

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Sogenannte Streubesitzdividenden, die an ausländische Unternehmen gezahlt werden, sollen steuerfrei sein. Der Finanzausschuss beschloss am Mittwoch Morgen den von der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (17/11314). Die Koalition stimmte dafür, während die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und die Linksfraktion den Gesetzentwurf ablehnten. Die SPD-Fraktion enthielt sich.

Mit dem Entwurf wird ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland) umgesetzt. Das Gericht hatte die Erhebung der Abgeltungsteuer auf Dividendenzahlungen an ausländische Unternehmen untersagt, wenn die Beteiligung unter zehn Prozent liegt und damit die sogenannte "Mutter-Tochter-Richtlinie" keine Anwendung findet. In diesen Fällen war bisher Kapitalertragsteuer von 25 Prozent einbehalten worden, bei Vorhandensein eines Doppelbesteuerungsabkommens 15 Prozent. Bei inländischen Unternehmen wurde zwar auch die Kapitalertragsteuer erhoben, sie wurde jedoch mit der Körperschaftsteuer verrechnet. Die unterschiedliche Behandlung in- und ausländischer Unternehmen war vom EuGH als Verstoß gegen europäisches Recht angesehen worden. Die betroffenen Körperschaften sollen eine Erstattung der zu Unrecht einbehaltenen Kapitalertragssteuer verlangen können.

Da der vom EuGH beanstandete unionsrechtswidrige Zustand auch mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigt werden soll, kommt es laut Gesetzentwurf zu erheblichen Steuerausfällen. So wird für 2013 von 1,495 Milliarden Euro Mindereinnahmen ausgegangen, für 2014 werden 1,535 Milliarden erwartet. 2015 sollen die Steuerausfälle durch die Regelung auf 600 Millionen Euro zurückgehen.

Ein Sprecher der CDU/CSU-Fraktion lobte den Gesetzentwurf als "steuersystematisch absolut richtig und zutreffend". Ausländische Unternehmen hätten nur dann einen Erstattungsanspruch, wenn sie in ihrem Land keine Abzugsmöglichkeiten für die Steuern hätten. Den vom Bundesrat ins Gespräch gebrachten alternativen Lösungsansatz, die gleiche Besteuerung dadurch herbeizuführen dass Inländer und Ausländer für Streubesitzdividenden Steuern zahlen müssten, lehnte der CDU/CSU-Sprecher ab, weil diese Lösung zu Problemen führe, die bis zur betrieblichen Altersvorsorge reichten. Dagegen erklärte die SPD-Fraktion, sie halte den Vorschlag des Bundesrates für den richtigen Ansatz, wenn auch nicht in allen Punkten.

Die FDP-Fraktion begrüßte die Steuerfreiheit. Es seien damit Kaskaden- und Doppelbesteuerungen vermieden worden. Mit dem Gesetzentwurf sei "das richtige Maß" bei der Behandlung dieses Themas gefunden worden.

Die Linksfraktion erklärte: "Der Ausweitung der Steuerbefreiung können wir nichts abgewinnen." Das jetzt gewählte Verfahren lade zur Nutzung von Steuergestaltungsmodellen ein. Aber auch der Bundesratsplan sei wegen negativer Auswirkungen auf kleine Unternehmen kritisch zu beurteilen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete den Entwurf als "nicht zustimmungsfähig" - besonders wegen seiner negativen Auswirkungen auf die Einnahmesituation des Bundes. Alternativen seien nicht ausreichend geprüft worden.

*

2. Keine neuen Sicherheitskonzepte für Offshore-Windparkanlagen

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Berlin: (hib/MIK) Die Schutz- und Sicherheitskonzepte für den Bau und Betrieb von Offshore-Windparkanlagen müssen nicht fortentwickelt werden. Einen entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion (17/9928) mit der Forderung nach erweiterten Konzepten lehnte der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am Mittwochvormittag ab. Für den Antrag stimmten die SPD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen. Bei Enthaltung der Linksfraktion lehnten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP mit ihrer Mehrheit den Antrag ab.

Im SPD-Antrag wird die Offshore-Windenergie als eine Branche mit großem Entwicklungspotenzial bezeichnet. Das schnelle und starke Wachstum dieses neuen Wirtschaftszweiges stelle Betreiberfirmen ebenso wie Bund und Länder vor neue Herausforderungen im Hinblick auf Arbeitsschutz, Sicherheitsvorschriften und Notfallkonzepte. In den kommenden Jahren sollen demnach in Hochsee-Windparks in Nord- und Ostsee rund 75 Milliarden Euro investiert werden. Die Branche erwarte in den kommenden zehn Jahre bis zu 18.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland. Davon würden rund 600 bis 1.000 Menschen nach bisherigen Schätzungen direkt auf den Offshore-Windparkanlagen arbeiten.

Deshalb soll die Bundesregierung zusammen mit den Bundesländern umgehend die Zuständigkeit für die staatliche Daseinsvorsorge im Bereich des Rettungswesens auf Offshore-Windenergieanlagen sowie deren Reichweite und Umfang klären und eine koordinierte Strategie für Sicherheit und Notfallmanagement in diesem Bereich vorlegen, heißt es in dem Antrag.

Die Koalition begründete ihre Ablehnung vor allem damit, dass es schon im Bereich des Arbeitsschutzes entsprechende Konzepte gebe. Zudem hätten die Unternehmen die Hauptverantwortung für die Sicherheit ihrer Mitarbeiter. Trotz des Arbeitsschutzrechts sahen auch Bündnis 90/Die Grünen Handlungsbedarf. Demgegenüber ging der Linksfraktion der Antrag in einigen Bereichen "über das Sinnvolle hinaus".

*

3. Der Agrarausschuss beschließt Novellierung des Tierschutzgesetzes

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Berlin: (hib/EIS) Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat am Mittwochvormittag dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes (17/10572) in geänderter Fassung mit dem Stimmen von CDU/CSU und FDP gegen das Votum der Opposition zugestimmt. Die Novellierung soll unter anderem die Verwendung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken verringern und die betriebliche Eigenkontrolle im Hinblick auf den Tierschutz etablieren. Die CDU/CSU-Fraktion betonte, dass Deutschland im Bereich des Tierschutzes im weltweiten Vergleich an der Spitze stehe. Ziel des Gesetzes sei, mehr Tierschutz zusammen mit den Tierhaltern zu erreichen. Das bei der betäubungslosen Ferkelkastration sofortigen Verbotsforderungen mit dem Gesetzentwurf nicht nachgekommen wurde, liege an fehlenden praxistauglichen Lösungen, erläuterte die CDU/CSU-Fraktion. Die SPD bezeichnete hingegen den Entwurf als "dürr" und hielt entgegen, dass es mittlerweile unzählige Alternativen zur Betäubung von Ferkeln gebe. Zudem kritisierten die Sozialdemokraten, dass die Regelungen hinsichtlich der Bestimmung von sogenannten Qualzu chten unzureichend seien. "Das Tierschutzgesetz ist deshalb kein Gesetz, das diesen Namen verdient", hieß es von der SPD-Fraktion. Der Bericht der Bundesregierung über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes 2011 (17/6826) belege, dass Deutschland in vielen Bereichen führend ist, verteidigten die Liberalen den Entwurf vor weitergehenden Forderungen. Dass bis spätestens 2018 die Ferkelkastration nur noch mit Betäubung durchgeführt werden soll, gestand die FDP zu. Doch ein vorschnelles Verbot würde zum jetzigen Zeitpunkt zu Verwerfungen im Markt zum Nachteil kleiner Betriebe führen. Die Fraktion Die Linke bezeichnete den Gesetzentwurf als "extreme Enttäuschung". Die Linksfraktion forderte klare Regeln im Umgang mit Qualzuchten. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen monierte, dass durch die Novelle nun die Beurteilung im Ermessen der Züchter liege, die aber unter Umständen von Eigeninteresse geleitet sei. "Mit diesem Gesetz schöpfen wir den Spielraum, den wir haben, nicht aus", kritisierten die Grünen. Ein vorgelegter Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion zur Neuregelung des Tierschutzgesetzes (17/9783) und der Linksfraktion zur landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (17/10694) wurde mit der Stimmenmehrheit von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

*

4. Experten fordern Sozialverträglichkeit bei energetischer Gebäudesanierung

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Öffentliches Expertengespräch)

Berlin: (hib/MIK) Die energetische Gebäudesanierung muss sozialverträglich umgesetzt werden. Darüber waren sich die Sachverständigen am Mittwochmittag bei einem öffentlichen Expertengespräch des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung einig.

Grundlage des Hearings war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Wohnraum in Deutschland zukunftsfähig machen - Für ein sozial gerechtes und klimafreundliches Mietrecht" (17/7983). Die Fraktion fordert darin neben Änderungen im Mietrecht unter anderem, Vorgaben für Mindestanteile erneuerbarer Energien zu machen sowie Sonderregelungen für denkmalgeschützte Bauten zu erarbeiten. Einzelne Förderprogramme sollen "zielgruppengerecht" ausgerichtet werden.

Gesine Kort-Weiher vom Deutschen Städtetag bezeichnete es als ein Hauptanliegen für alle Akteure, die sozialen Belange der betroffenen Mieter trotz der im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung und dem altengerechten Umbau des Wohnungsbestandes erforderlichen erheblichen Investitionen zu wahren. Die Mieten müssten bezahlbar bleiben. Deshalb hielt sie es für erforderlich, eine ausreichende und verlässliche Förderkulisse aufzubauen und im Hinblick auf die notwendigen Investitions- und Planungssicherheit ausreichend zu verstetigen.

Auch Christian Lieberknecht, Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), sprach sich in seiner schriftlichen Stellungnahme für eine interessengerechte Verteilung der Lasten zwischen Vermietern und Mieter aus. Die Energiewende im Gebäudebereich werde nicht ohne die Vermieter gelingen. Sie seien es, die ihre Gebäude energetisch sanieren und das wirtschaftliche Risiko trage würden. Insofern seien die klimapolitischen Vorgaben eine schmale Gratwanderung zwischen den öffentlich-rechtlichen Vorgaben und dem Vermieter-Mieter-Verhältnis.

Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund betonte, dass die notwendigen Klimaschutzstandards und Konsequenzen aus dem Atomausstieg im Wohnbestand sozialverträglich durchgesetzt werden müssten. Es sei Transparenz für Eigentümer und Mieter zu schaffen.

Für Michael Spielmann von der Deutschen Umwelthilfe ist ein "Sanierungsfahrplan" notwendig, der alle Beteiligten einbezieht, um die enormen Energie- und Klimaschutzpotenziale heben zu können. Die politischen Rahmenbedingungen müssen jedoch sicherstellen, dass die damit verbundenen Belastungen ausgewogen und gerecht verteilt werden.

Kai H. Warnecke vom Zentralverband der Deutschen Haus-Wohnungs- und Grundeigentümer, Haus & Grund Deutschland, müssen die Weichen dafür gestellt werden, die den privaten Immobilieneigentümer weiterhin erlaubt, qualitativ hochwertigen Wohnraum zu angemessenen Mieten anbieten zu können. In erster Linie bedeutet dies, dass Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil privater Vermieter sowie weitere finanzielle Belastungen dieser Anbietergruppe unterbleiben müssten. Er forderte unter anderem im Interesse der Eigentümer und Mieter, von weiteren Verschärfungen bei den energetischen Vorgaben an Wohngebäuden Abstand zu nehmen. Die bestehenden Vorgaben müssten zudem vereinheitlich werden.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 551 - 28. November 2012 - 00:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2012