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BUNDESTAG/3463: Heute im Bundestag Nr. 468 - 24.10.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 468
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 24. Oktober 2012 Redaktionsschluss: 13:30 Uhr

1. Innenausschuss debattierte über Asylbewerberzahlen aus Serbien und Mazedonien
2. Zuwendungen der Pharmaindustrie an Ärzte: Folgerungen aus dem BGH-Urteil
3. SPD scheitert mit Initiative zur sozialen Grundsicherung in Entwicklungsländern
4. Rechtsausschuss beschließt Expertenanhörung zu Chancengleichheit



1. Innenausschuss debattierte über Asylbewerberzahlen aus Serbien und Mazedonien

Innenausschuss

Berlin: (hib/STO) Der Anstieg der Zahl von Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien hat am Mittwoch den Innenausschuss beschäftigt. Dabei verwies der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, darauf, dass die Zahlen seit Juli "exorbitant nach oben" gegangen seien. Im September sind nach seinen Worten beim BAMF 6.691 Asylerstanträge gestellt worden, 1.395 von serbischen Staatsangehörigen und 1.040 von mazedonischen Staatsangehörigen. Dieser Trend setze sich im laufenden Monat fort.

Ein Vertreter des Bundesinnenministeriums hob hervor, dass die Anerkennungsquote bei Asylbewerbern aus Serbien und Mazedonien unter einem Prozent liege. Die Bundesrepublik brauche aber ihre Asylkapazitäten für wirklich politisch verfolgte Flüchtlinge. Er machte deutlich, dass sein Haus alles tun wolle, damit Asylmissbrauch eingedämmt werden kann, ohne als "ultima ratio" die Visapflicht für die beiden Staaten wieder einzuführen. Man habe ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, um die Verfahrensdauer beim BAMF zu verkürzen. Notwendig sei auch, Serbien und Mazedonien auf die Liste der "sicheren Herkunftsstaaten" zu setzen. Auch werde man die EU-Kommission auffordern, sich des Themas anzunehmen.

Die CDU/CSU-Fraktion sprach angesichts der Zahlen von einem "massiven Missbrauch" des Asylrechts. Man solle den Missbrauch auch als solchen bezeichnen und müsse ihn bewältigen. Neben wirtschaftlichen Gründen spiele bei dem Anstieg auch ein "Minderheiteneffekt" in den beiden Ländern eine Rolle. Nun müsse in Brüssel eine Lösung erarbeitet werden. Auch die FDP-Fraktion betonte, dass man es bei einer Anerkennungsquote von 0,1 Prozent mit Asylmissbrauch zu tun habe, der eingedämmt werden müsse.

Die SPD-Fraktion mahnte, in der Debatte "genau auf den Ton" zu achten. Man habe es mit einer Migrationsbewegung zu tun, die von Armut und Diskriminierung angetrieben werde. Die betroffenen Sinti und Roma verließen ihre Heimat nicht ohne Grund. Eine Lösung des Problems sollte nicht in Einschränkungen von Sozialleistungen gesucht werden. Die Fraktion Die Linke kritisierte, mit dem Begriff "Asylmissbrauch" werde "Hetze" betrieben. Bei den betreffenden Flüchtlingen handele es sich insbesondere um Sinti und Roma. Es sei keine Lösung, über eine Wiedereinführung der Visapflicht für Serbien und Mazedonien nachzudenken. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schloss sich den Appellen an die Regierungskoalition zur "verbalen Abrüstung" an. Man verkenne nicht, dass die Asylbewerberzahlen gestiegen seien, doch hätten sie Anfang der 1990er Jahre sehr viel höher gelegen. Den jetzigen Anstieg müsse man bewältigen.

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2. Zuwendungen der Pharmaindustrie an Ärzte: Folgerungen aus dem BGH-Urteil

Ausschuss für Gesundheit

Berlin: (hib/TVW) Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Juni dieses Jahres zur möglichen Bestechlichkeit von Ärzten wegen Zuwendungen der Pharmaindustrie hat nach Auffassung von Doris Pfeiffer, der Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes, "eine Signalwirkung" gehabt. Der BGH hatte im Juni 2012 entschieden, dass Kassenärzte sich nach geltendem Recht nicht strafbar machen, wenn sie von Pharmaunternehmen Zuwendungen wie Geldleistungen, Einladungen zu Tagungen oder Aufwandentschädigungen für Anwendungsbeobachtungen als Gegenleistungen für die bevorzugte Verordnung von deren Produkten (Medikamenten) annehmen. "Es gilt nun, mit der Schaffung einer neuen Strafvorschrift ein entgegengesetztes Signal auszusenden", sagte Pfeiffer.

Der Gesundheitsausschuss hat sich am Mittwoch mit den politischen Folgerungen aus dem BGH-Urteil auseinandergesetzt. Die Abgeordneten diskutierten diese Frage mit Vertretern des Bundesgerichtshofs (BGH), der Staatsanwaltschaft, der Polizei, des GKV-Spitzenverbandes sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband.

Professor Bertram Schmitt, Richter am Bundesgerichtshof, wies zunächst darauf hin, dass der BGH seinerzeit "lediglich zu entscheiden hatte, ob korruptives Verhalten von Kassenärzten nach geltendem Recht strafbar ist". Das Gericht sei zu dem Schluss gekommen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nicht vorgelegen hätten. "Das geltende Recht gibt die Strafbarkeit nicht her", betonte Schmitt. Diese Entscheidung sei auch als ein Akt richterlicher Selbstbeschränkung zu werten. Nun müsse der Gesetzgeber entscheiden, wie es weitergehen solle, sagte Schmitt. Er müsse sich insbesondere der Frage stellen, ob die ungleiche Behandlung von angestellten und niedergelassenen Ärzten im Hinblick auf die Strafbarkeit der Vorteilsnahme gerechtfertigt sei. Angestellte Ärzte machen sich bei der Annahme von Zuwendungen anders als niedergelassene Ärzte nicht strafbar. Als Jurist plädiere er grundsätzlich dafür, gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln.

Jörg Stefan Engelhard vom Landeskriminalamt Berlin hält es für denkbar, auch mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen gegen korrupte Vertragsärzte vorzugehen. Es reiche jedoch nicht aus, entsprechende rechtliche Bestimmungen zu schaffen. Die für deren Durchsetzung zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen und Ärztekammern müssten dann auch entsprechend personell ausgestattet werden, betonte Engelhard. Andernfalls stießen diese Einrichtungen bei der Strafverfolgung schnell an ihre Grenzen.

Für Alexander Badle, Staatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, handelt es sich bei der Korruption von Vertragsärzten "um das Problem in einem Markt, in dem jedes Jahr viele Milliarden Euro umgesetzt werden". Ärzte seien eben auch Unternehmer, die teilweise unter einem erheblichen wirtschaftlichen Druck stünden. Das Strafrecht sei nur bedingt geeignet, in diesen Markt regulierend einzugreifen, führte Badle aus. Daher müsse jede gesetzliche Neuregelung auch daraufhin überprüft werden, ob sie in der Praxis umsetzbar sei. Badle wies ferner darauf hin, dass die aktuelle Diskussion über Korruption im Gesundheitswesen in der Pharmaindustrie eine Alarmstimmung ausgelöst habe. Hier versuche man den Fehlentwicklungen bei Vermarktungsstrategien durch rechtliche Schulungen für Pharmareferenten und Verhaltenskodizes gegenzusteuern. Damit leiste die Pharmaindustrie "einen wichtigen Beitrag zur Lösung der benannten Probleme", sagte Badle.

Dr. Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, beklagte, dass sich der § 128 des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V), der die unzulässige Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten sanktioniere, als "ein stumpfes Schwert" erwiesen habe. Die Krankenkassen seien nicht in der Lage, "Beweise für korruptives Verhalten unmittelbar aus den Abrechnungen zu entnehmen", sagte Pfeiffer. Es komme daher oft gar nicht erst zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Zudem habe eine entsprechende Umfrage gezeigt, dass viele Ärzte nicht zwischen zulässigem und unzulässigem Verhalten unterscheiden könnten, führte Pfeiffer weiter aus. Der GKV-Spitzenverband schlage daher vor, einen neuen § 308 mit entsprechenden Strafvorschriften in das SGB V einfügen. "Die bestehenden Regelungen des SGB V sind unzureichend, weil sich die Strafvorschriften lediglich auf die nichtärztlichen Leistungserbringer beziehen", erklärte Pfeiffer. Die Neuregelung müsse alle Arten von Leistungserbringern erfassen.

Dieter Lang vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält das Ausmaß der Korruption im Gesundheitswesen generell für besorgniserregend, weil sie "weitreichende Auswirkungen auf Versicherte und Patienten hat". Der vzbv befürworte daher alle Maßnahme, die geeignet seien, die Korruption einzudämmen. Ein besonderes Anliegen des vzbv bestehe darin, den Patientenschutz stärker in den Selektivverträgen, wie Hausarztverträgen und Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke (Disease Management Programme/DMP), zu verankern. "In diesem Bereich muss im Interesse eines effektiven Verbraucherschutzes mehr Transparenz geschaffen werden", mahnte Lang an.

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3. SPD scheitert mit Initiative zur sozialen Grundsicherung in Entwicklungsländern

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion der SPD ist mit einer Initiative zum Ausbau der sozialen Grundsicherung in Entwicklungsländern gescheitert. Einen entsprechenden Antrag (17/7358) lehnte der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Mittwoch mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von Union und FDP bei Enthaltung der Linksfraktion ab. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützten den Antrag.

Die Sozialdemokraten hatten sich darin dafür stark gemacht, den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme zum "Motor solidarischer und nachhaltiger Entwicklungspolitik" zu machen. Soziale Sicherung sei nicht nur ein Gebot der Menschenrechte oder gar ein "Almosen", sie setze vielmehr ökonomische Potenziale frei, schreibt die Fraktion zur Begründung. "Nur wer das Nötigste zum Leben hat und weiß, dass Krankheit oder ein anderes Lebensrisiko nicht alles Erreichte wieder zunichte macht, wird produktiv tätig und trägt zu wirtschaftlichem Wachstum bei", heißt es weiter.

Konkret soll sich die Bundesregierung für das von den Vereinten Nationen getragene Konzept des sogenannten "Social Protection Floors" (SPF) einsetzen. Dieses von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entworfene Konzept sieht laut Antrag vier "essentielle Bereiche" sozialer Garantien vor: Dazu gehörten eine "Mindestgesundheitsversorgung für alle", "Mindesteinkommensgarantien für Kinder, um Kinderarbeit zu verhindern", die "Unterstützung für Arme und Arbeitslose" und schließlich "Mindesteinkommensgarantien im Alter und für Menschen mit Behinderung".

Eine Vertreterin der SPD-Fraktion bezeichnete das Konzept als überzeugende "Strategie gegen Armut", weil es nicht nur Projekte für Entwicklung finanziere, sondern ein System zur Verhinderung von Armut installieren könne. Sie begrüßte zudem, dass der Europäische Rat Mitte Oktober beschlossen habe, das Konzept der "Social Protection Floors" zum Bestandteil der europäischen Entwicklungspolitik zu machen.

Die Fraktion Die Linke unterstützte die Ziele das Antrags, kritisierte jedoch, dass er soziale Sicherungssysteme nicht entschieden als staatliche Aufgabe definiere: "Es gibt genügend private Versicherer, die mit den Hufen scharren", sagte ein Vertreter der Fraktion. Es könne nicht das Ziel sein, das Modell der Riester-Rente in Entwicklungsländer zu exportieren.

Auch ein Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bemängelte, dass in der Mitteilung des Rates zu SPF bei der Beteiligung des Privatsektors die "Leitplanken" fehlen würden. Zudem trete die EU unglaubwürdig auf, wenn sie einerseits mit ihrer Handelspolitik Kleinunternehmern und Familienbetrieben in Entwicklungsländern die Existenzgrundlage entziehe und nun auf der anderen Seite den Ausbau der sozialen Grundsicherung in solchen Ländern vorantreiben wolle.

Vertreter von Union und FDP betonten, die Ziele des Antrags der Sozialdemokraten weitgehend zu teilen und zu unterstützen. Vieles von dem, was die SPD fordere, sei auf europäischer Ebene und in Deutschland "bereits im Gange", sagte ein Vertreter der FDP-Fraktion. Eine Vertreterin der Unionsfraktion kritisierte insbesondere den von den Sozialdemokraten geforderten Ausbau der Budgethilfen. Bei solchen direkten Zuwendungen an Staatshaushalte von Entwicklungsländern drohe immer die Gefahr, dass die Gelder versickern und eben nicht bei den Bedürftigen ankommen.

Als Gast hatte der Ausschuss Eveline Herfkens von der ILO/WHO Social Protection Floor Advisory Group geladen. Das SPF-Konzept sei "keine Wunderwaffe", aber es sei ein effektives Mittel, um sicherzustellen, "dass niemand auf diesem Planeten unter dem Existenzminimum" leben müsse, betonte Herfkens. Soziale Sicherung helfe dabei, die Weitergabe von Armut von einer Generation auf die nächste zu verhindern, sie versetze Arme in die Lage, produktiv zu sein, Rücklagen zu bilden, Risiken einzugehen und nicht etwa im Krisenfall Land zu verkaufen oder die Kinder aus der Schule zu nehmen.

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4. Rechtsausschuss beschließt Expertenanhörung zu Chancengleichheit

Rechtsausschuss

Berlin: (hib/VER) Am 10. Dezember 2012 wird der Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung zur Chancengleichheit in Unternehmen durchführen. Das hat der Ausschuss in seiner Sitzung am Mittwochvormittag einvernehmlich beschlossen. Anlass ist ein Gesetzentwurf der SPD-Fraktion "zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen" (17/8878). Die Verfasser fordern eine Mindestquote von 40 Prozent für Frauen und Männer in Aufsichtsräten und Vorständen ab 2015. Diese Quote soll stufenweise umgesetzt werden. Die erste Stufe soll bereits ab 1. Januar 2013 "für Neubesetzungen in Aufsichtsräten eine Mindestquote von 30 Prozent und in Vorständen von 20 Prozent" bewirken, heißt es in der Vorlage. Die Regelungen sollen für börsennotierte und mitbestimmte Unternehmen gelten.

Die Expertenanhörung beginnt um 11.00 und ist für eine Dauer von zwei Stunden angesetzt. Interessierte Besucher können sich per E-Mail an rechtsausschuss@bundestag.de oder per Fax an 030/ 227 36081unter Angabe ihres vollständigen Namens und Geburtsdatums anmelden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 468 - 24. Oktober 2012 - 13:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2012