Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/3248: Heute im Bundestag Nr. 253 - 21.05.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 253
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 21. Mai 2012 Redaktionsschluss: 16:40 Uhr

1. Experten kritisieren Grünen-Vorstöße für verschärftes Waffenrecht
2. Mit Innovationen Nachhaltigkeit fördern
3. Regierung: Verfahren gegen Chodorkowski und Lebedew rechtsstaatlich sehr bedenklich
4. SPD verlangt Auskunft über Spitzencluster-Wettbewerb
5. Im Bundestag notiert: Beschäftigte mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Gesundheitsdienstberufen



1. Experten kritisieren Grünen-Vorstöße für verschärftes Waffenrecht

Innenausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/STO) Zwei Vorstöße der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einer Verschärfung des Waffenrechts stoßen bei einer Reihe von Experten auf Kritik. Dies wurde am Montagnachmittag bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses deutlich. Nach dem Willen der Grünen-Fraktion soll der Umgang mit halbautomatischen kriegswaffenähnlichen Schusswaffen verboten werden. Durch eine gesetzliche Regelung, die "den Umgang mit halbautomatischen Schusswaffen verbietet, die den Anschein einer vollautomatischen Kriegswaffe erwecken" und zum Schießsport beziehungsweise zur Jagd nicht geeignet oder nicht erforderlich sind, könne "die Gefahr eines Missbrauchs maßgeblich eingedämmt werden", schreibt die Fraktion in einem entsprechenden Gesetzentwurf (17/7732).

In einem Antrag (17/2130) fordern die Abgeordneten ferner von der Bundesregierung einen Entwurf zur Reform des Waffengesetzes, der die gleichzeitige Aufbewahrung von funktionsfähigen Schusswaffen und Munition in Privatwohnungen "grundsätzlich untersagt". Waffen und Munition müssten örtlich getrennt oder an einem besonders gesicherten Ort außerhalb der Wohnung aufbewahrt werden. Auch soll der Entwurf nach dem Willen der Grünen-Fraktion unter anderem den Erwerb und Besitz von Sportwaffen an den Nachweis einer sicheren Lagerungsmöglichkeit für Munition und Waffen außerhalb der Wohnung koppeln und Großkaliber-Kurzwaffen für den privaten Besitz und die private Nutzung verbieten.

In der Anhörung wandte sich Sascha Braun vom Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP) gegen die Schlussfolgerung, dass weniger private Waffen zu mehr öffentlicher Sicherheit führen würden. Das große Problem sei der illegale Schusswaffenbesitz. "Außerordentlich kritisch" sehe die GdP auch eine Waffenhaltung in Schützenheimen. Für den Landesjagdverband Baden-Württemberg lehnte Martin Bürner den Gesetzentwurf ab, weil dieser keine zusätzliche Rechtssicherheit bringe. "Aus Jägersicht völlig sinnlos" sei ein Verbot der gemeinsamen Aufbewahrung von Schusswaffen und Munition in Privatwohnungen, da ein Jäger auch nachts auf seine Waffe zugreifen können müsse.

Rainer Hofius von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Mainz argumentierte, einem Staatsanwalt machten nicht die legalen Waffen Sorgen, sondern die illegalen Waffen. Das Problem sei die Zahl der illegalen Waffen in Deutschland. Für den Deutschen Jagdschutzverband ergänzte Joachim Streitberger, die Zahl illegaler Waffen sei "mindestens doppelt so hoch, wahrscheinlich viermal so hoch" wie die Zahl legaler Waffen. Eine Differenzierung zwischen Kleinkaliberwaffen und Großkaliberwaffen bezeichnete Streitberger als "nicht zielführend". Der Vertreter des Deutschen Schützenbundes, Jürgen Kohlheim, kritisierte, mit einem Verbot von Großkaliber-Kurzwaffen würde ein "erheblicher Teil schießsportlicher Disziplinen" verboten. Er lehnte zugleich eine zentrale Aufbewahrung von Schusswaffen in Schützenhäusern als nicht praktikabel ab. Auch würden damit "Anreize für Kriminelle zum Einbruch" geschaffen und drittens bringe eine solche Regelung keinerlei Sicherheitsgewinn.

Der Journalist Lars Winkelsdorf sprach sich für eine "fundierte wissenschaftliche Untersuchung" darüber aus, wie sich die Probleme im Waffenrecht konkret darstellen und welche Lösungsmöglichkeiten sich bieten. Eine solche Untersuchung solle "endlich durchgeführt" werden, "um tatsächlich feststellen zu können, welche Lösungswege beschritten werden müssen".

*

2. Mit Innovationen Nachhaltigkeit fördern

Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität"

Berlin: (hib/KOS) Die Forderung nach einer Stärkung der Innovationskraft von Unternehmen und Gesellschaft prägte am Montagnachmittag die Sitzung der Enquetekommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität". Aus Sicht von Bernhard Rohleder muss vor allem der Fachkräftemangel in der IT-Branche angegangen werden. Der Hauptgeschäftsführer von Bitkom, des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, kritisierte zudem veraltete Infrastrukturen, fehlendes Risikokapital und eine mangelhafte Forschungsförderung als Hemmnisse, die einer innovativen Weiterentwicklung der Wirtschaft entgegenstehen. "Firmen, die innovativ sind, sind auch ökonomisch erfolgreich", betonte Birgit Blättel-Mink. Für die Soziologin von der Uni Frankfurt/Main müssen Erneuerungsprozesse in den Unternehmen darauf ausgerichtet sein, nachhaltige Innovationen auf den Weg zu bringen, die zur Entkoppelung des Ressourcenverbrauchs vom Wachstum und zur Stärkung einer Kreislaufwirtschaft beitragen.

Rohleder sagte, in der deutschen IT-Branche fehlten Fachkräfte wie auch international erfahrene Manager. 38000 Plätze für Hochqualifizierte seien derzeit nicht besetzt, was den Umsatz um 1,5 Milliarden Euro drücke. Der Bitkom-Vertreter warb dafür, im Schulunterricht und in der Lehrerausbildung der IT-Kompetenz mehr Gewicht zu geben. Die Zuwanderungspolitik müsse "modernisiert" werden, Deutschland solle für ausländische Experten etwa aus Indien "attraktiver" werden. Es gelte, Frauen und Ältere verstärkt für diese Branche zu motivieren. Den Anteil weiblicher Arbeitnehmer an den Belegschaften bezeichnete Rohleder als "katastrophal niedrig". Dies habe offenbar nicht zuletzt damit zu tun, dass bis zu drei Viertel aller Jobs im Außendienstbereich angesiedelt seien, was Frauen offenbar von einer solchen Tätigkeit fernhalte. SPD-Obfrau Edelgard Bulmahn plädierte dafür, an den Universitäten vermehrt Studiengänge anzubieten, die Informatik mit anderen Fächern wie Wirtschaftswissenschaft kombinieren. Untersuchungen belegten, dass man auf diese Weise Studentinnen ansprechen könne.

Rohleder beklagte, dass Hightech-Firmen während ihrer Gründungs- und frühen Wachstumsphase in der Bundesrepublik kaum in der Lage seien, ausreichend Kapital zu akquirieren. Anders als etwa in Großbritannien, Israel oder den USA fehle es hierzulande an einem funktionierenden Markt für Risikokapital, was auch mit dessen steuerlicher Behandlung zu tun habe. Der Bitkom-Sprecher forderte, das Engagement der Unternehmen für Forschung und Entwicklung steuerlich zu fördern, die Bundesrepublik sei eines der wenigen OECD-Länder ohne solche Unterstützungsmaßnahmen. Generell, so Rohleder, "eiern wir in der Innovationspolitik herum", man habe noch keinen Mittelweg gefunden zwischen dem marktwirtschaftlich ausgerichteten Kurs der USA und der auf staatliche Lenkung setzenden "Innovationsplanwirtschaft" in Asien. Schließlich machte sich der Referent dafür stark, digitale Infrastrukturen auszubauen, beispielsweise im Gesundheitswesen, im Energiesektor oder im Verkehr.

Blättel-Mink plädierte dafür, auch das in der Gesellschaft wurzelnde Potenzial besser für die Stärkung der Innovationskraft der Wirtschaft zu nutzen. Positiv auf die Innovationsfähigkeit einer Firma wirke sich etwa die innerbetriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer aus, erklärte die Professorin. Unternehmen würden überdies vermehrt auf die Kreativität von Kunden setzen, die Anregungen für die Produktentwicklung gäben und so einen Beitrag zur Erhöhung der Innovationskompetenz leisteten.

Die Soziologin bewertete es positiv, dass im Sinne der Nachhaltigkeit eine Tendenz hin zu mehr Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie zu beobachten sei. Allerdings stelle sich die Frage, wie dauerhaft dieser Trend bei der Entkoppelung von Wachstum und Ressourcenverbrauch angelegt sei.

Bei aller Kritik an Defiziten wies Blättel-Mink aber auch darauf hin, dass Deutschland im internationalen Innovationswettbewerb unter 26 Industrie- und Schwellenländern auf Rang vier verortet werde.

Die Enquetekommission wollte bei dieser Sitzung der Frage nachgehen, wie die ökonomische, technische und gesellschaftliche Innovation erzeugt werden kann, die für ein Umsteuern der Wirtschaft hin zur Nachhaltigkeit und zu einem qualitativen Wachstum vonnöten ist.

*

3. Regierung: Verfahren gegen Chodorkowski und Lebedew rechtsstaatlich sehr bedenklich

Auswärtiges/Antwort auf Große Anfrage

Berlin: (hib/BOB) Die Bundesregierung hat ihre Haltung zu dem Prozess und dem "harten Urteil" gegen Michail Chodorkowski und Platon Lebedew "wiederholt deutlich gemacht" und die rechtsstaatlich "sehr bedenklichen Umstände" des gesamten Verfahrens kritisiert. Das ist einer Antwort (17/9521) auf eine Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/7541) zu entnehmen. Die Bundesregierung habe in diesem Zusammenhang "wiederholt" gefordert, in Russland rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze einzuhalten. Dies sei für die Entwicklung eines modernen Rechtsstaates von "größter Bedeutung". Generell wirkten sich Mängel bei der Unabhängigkeit der Judikative und die verbreitete Korruption "nachteilig" auf die Justiz in Russland aus. Sie behinderten auch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung des Landes insgesamt. Die Bundesregierung begrüßt, dass der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew die Mängel offen benannt und Maßnahmen zur Bekämpfung der Defizite angekündigt hat.

Weiter heißt es, die Sicherstellung rechtsstaatlicher Strukturen, zu denen auch eine unabhängige Justiz gehöre, setze voraus, dass der russische Staat die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffe. Dies verlange sowohl ein entsprechendes Berufsethos innerhalb der Richterschaft als auch die notwendige Verbesserung des sozialen Status des Richterberufs und dessen Akzeptenz in der russischen Bevölkerung. Der Bekämpfung von Korruption innerhalb der Richterschaft komme besondere Bedeutung zu. Berichte über Beeinflussungsversuche innerhalb der judikativen Hierarchie nehme die Bundesregierung "sehr ernst".

Während zu sowjetischer Zeit ein Ausgleich gesundheitlicher Schäden, die durch die Nuklearanlage Majak verursacht wurden, nicht vorgesehen war, gibt es seit 1993 eine gesetzliche Entschädigungsregelung, teilt die Bundesregierung weiter mit. Auf dieser Grundlage könnten auch verschiedene Sozialleistungen für Geschädigte gewährt werden, die über die Schadenersatzzahlungen "deutlich hinausgehen". Nach Angaben des Betreibers der Anlage in Majak gebe es seit 2001 keine Einleitung von radioaktivem Abfall in den Fluss. Es finde zudem eine permanente Überwachung hinsichtlich einer Kontamination der Umgebung des Anlagenkomplexes Majak statt. Die Kontaminationen des Flusses Tetscha stammten aus der Zeit von 1949 bis 1956.

*

4. SPD verlangt Auskunft über Spitzencluster-Wettbewerb

Bildung und Forschung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/ROL) Der globale Wettbewerb um Talente, Innovationen und Marktführerschaft wird immer wichtiger. Die enge Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft in Deutschland muss mit diesem Prozess einher gehen. Mit dem Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hatte die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD im Jahr 2007 und 2008 ein neues Instrument zur Clusterförderung eingeführt. Durch den Wettbewerb sollen regionale Spitzenzentren einen Entwicklungsschub erfahren und so Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand sichern. In ihrer Kleinen Anfrage "Erfolge und Defizite des Spitzencluster-Wettbewerbs des Bundesministeriums für Bildung und Forschung" (17/9607) will die SPD in einem 52-Punkte-Katalog wissen, wie sich die Wettbewerbsanträge und die erfolgreichen Cluster auf die Bundesländer verteilen. Auch interessiert die SPD welche Beschäftigungseffekte insbesondere für den Nachwuchs erzielt wurden und werden. Zudem fragt die Fraktion, ob dem BMBF bereits Erkenntnisse zur Wertschöpfung vorliegen.

Der Spitzencluster-Wettbewerb ist eine Standortinitiative des BMBF. In drei Wettbewerbsrunden werden jeweils fünf Spitzencluster in den Regionen gekürt. Die Cluster müssen eine Jury mit ihren strategischen Konzepten, ihrer Leistungsfähigkeit und der finanziellen Einbindung von Wirtschaft und privaten Investoren überzeugen. Die Sieger werden über einen Zeitraum von fünf Jahren mit einer Summe von jeweils bis zu 40 Millionen Euro gefördert. Insgesamt erhalten die 15 geförderten Spitzencluster 600 Millionen Euro.

Neben den synergetischen Effekten der Cluster - Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Mitarbeiter des Technologie- und Innovationsfeldes bündeln so ihre Kräfte in einer Region - ist dem BMBF auch die internationale Netzwerkbildung wichtig, um ausländische Unternehmen anzusiedeln. Zudem sollen die Cluster gezielt Nachwuchs fördern.

*

5. Im Bundestag notiert: Beschäftigte mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Gesundheitsdienstberufen

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/STO) Im Juni 2011 sind in Deutschland 93.100 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Gesundheitsdienstberufen tätig gewesen. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (17/9314) auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion (17/9208) hervor. Danach hatten von diesen Beschäftigten 40.000 eine Staatsangehörigkeit aus der Europäischen Union (EU) und 53.100 eine Staatsangehörigkeit außerhalb der EU.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 253 - 21. Mai 2012 - 16:40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2012