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BUNDESTAG/3219: Heute im Bundestag Nr. 224 - 07.05.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 224
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 7. Mai 2012 Redaktionsschluss: 17:50 Uhr

1.‍ ‍Verbände bezweifeln zügigen Personalabbau durch die Bundeswehrreform
2.‍ ‍Experten-Mehrheit lehnt Wohnkostenpauschalen bei Hartz-IV-Empfängern ab
3.‍ ‍Zum Schutz des Erbrechts nichtehelicher und einzeladoptierter Kinder Maßnahmen ergreifen
4.‍ ‍Die Linke legt Große Anfrage zu "Alterssicherung und Altersarmut von Frauen" vor



1. Verbände bezweifeln zügigen Personalabbau durch die Bundeswehrreform

Verteidigungsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/AW) Der Deutsche Bundeswehrverband (DBwV), der Verband der Beamten der Bundeswehr (VBB) und der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr (VdRBw) bezweifeln, dass der angestrebte Personalabbau und -umbau bei den Streitkräften erreicht wird. In diesem Sinne äußerten sich die Vertreter der drei Verbände am Montag Nachmittag in einer öffentlichen Anhörung des Verteidigungsausschusses über den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf des Bundeswehrreform-Begleitgesetzes (17/9340). Oberst Ulrich Kirsch, Vorsitzender des DBwV, betonte, das Begleitgesetz nehme eine "zentrale" Rolle für das Gelingen der Bundeswehrreform ein, mit der die Truppe auf bis zu 185.000 Soldaten verkleinert werden soll. Zugleich bemängelte er jedoch, dass der Gesetzentwurf nicht genügend Anreize für Soldaten biete, frühzeitig in den Ruhestand zu gehen oder in ein anderes Beschäftigungsverhältnis in der Privatwirtschaft zu wechseln, wie sich das die Regierung erhoffe. Kirsch plädierte dafür, dass die Hinzuverdienstgrenzen für Soldaten, die sich in den vorzeitigen Ruhestand versetzen lassen, entweder ganz aufgehoben oder aber zumindest deutlich angehoben werden. Dies sei doch auch im Interesse der Gesellschaft. Wer mehr verdiene, der müsse auch höhere Steuern zahlen und können mehr Geld auf dem Binnenmarkt ausgeben, argumentierte der Verbandsvertreter. Zeitsoldaten müssten zudem ihre während ihrer Dienstzeit erworbenen Versorgungsanwartschaften bei Verlassen der Streitkräfte erhalten bleiben.

Ähnliche Kritik äußerte der VBB-Vorsitzende Wolfram Kamm. Die Festlegung der Vorruhestandsregelung für Beamte auf das 60. Lebensjahr sei nicht zielführend. Er plädierte dafür, die Grenze auf das 55. Lebensjahr zu senken. Ebenso falsch sei es, die Zahl der Beamten, die in den Genuss einer Vorruhestandsregelung kämen, auf 1.050 zu beschränken. Wie Kirsch übte auch Kamm Kritik an der mangelnden Übertragung von Versorgungsansprüchen bei einem Wechsel in die Privatwirtschaft. Der angestrebte Abbau des zivilen Personals auf 55.000 Haushaltsstellen in der Wehrverwaltung werde mit diesem Gesetzentwurf nicht gelingen. Kirsch und Kamm bemängelten übereinstimmend, dass bislang nur die personellen Obergrenzen für das militärische und zivile Personal durch die Bundesregierung benannt worden seien. Die Feinplanung liege noch immer nicht vor. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zweifelt am angestrebten Erfolg beim Personalabbau. Ruhestandsregelungen seien der falsche Weg, sagte Bundesvorstandsmitglied Achim Meerkamp. Die Regierung solle lieber mehr Geld zu Verfügung stellen, um den Personalabbau zu beschleunigen.

Gute Chancen für ehemalige Soldaten am Arbeitsmarkt - ob in der Privatwirtschaft oder im öffentlichen Dienst - sieht Karsten Bunk von der Arbeitsagentur für Arbeit. Der demografische Wandel sorge in den kommenden Jahren für einen steigenden Fachkräftebedarf am Arbeitsmarkt. Vor allem in den Bereichen Logistik, Lagerverwaltung oder im Gesundheitswesen herrsche schon jetzt ein großer Bedarf.

Unterschiedlicher fielen die Bewertungen des Gesetzentwurfes aus juristischer Sicht aus. Während der Hochschulprofessor Jörn Ipsen von der Universität Osnabrück prinzipiell keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Entwurf vorbrachte, sah dies sein Kollege Amadeus Wolff von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder etwas skeptischer. Wenn Soldaten zukünftig verstärkt in den zivilen Bereichen der Verwaltung eingesetzt werden sollten, dann laufe dies der durch Artikel 87a und Artikel 87b Grundgesetz vorgegebenen Zweiteilung des zivilen und militärischen Personals zuwider. Dieser Ansicht widersprach Ipsen. Auch schon jetzt würden Soldaten in der zivilen Verwaltung eingesetzt.

Merith Niehuss, Präsidentin der Bundeswehr-Universität München, mahnte an, dass die Truppe in Zukunft deutlich familiengerechter zu gestalten sei. Vor allem müssten verstärkt Möglichkeiten geboten werden, dass Soldaten ihre Kleinkinder bis zum dritten Lebensjahr am Arbeitsplatz betreuen können. Dies sei vor allem notwendig, um junge Frauen für einen Dienst in der Truppe zu motivieren. Auch im Bereich der Weiterbildung und Berufsbildung für Soldaten forderte sie Nachbesserungen. Sie lobte zugleich aber die Verbesserungen für Zeitsoldaten mir kürzeren Verpflichtungszeiten.

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2. Experten-Mehrheit lehnt Wohnkostenpauschalen bei Hartz-IV-Empfängern ab

Ausschuss für Arbeit und Soziales (Anhörung)

Berlin: (hib/MLA) In einer öffentlichen Anhörung zur Berechnung von Wohn- und Heizkosten von Hartz-IV-Beziehern im Ausschuss für Arbeit und Soziales äußerten sich zwölf geladene Experten. Vorausgegangen war der Antrag der Fraktion Die Linke (17/7847). Die Abgeordneten kritisieren in ihrem Antrag das Recht der Länder, Kreise und kreisfreie Städte zu ermächtigen, monatliche Pauschalen für die Höhe von Miet- und Heizungskosten bei Hartz-IV-Beziehern festzulegen. Durch Pauschalen würden sich letztlich bei den Kommunen "die Kosten nicht verringern, sondern erhöhen", argumentiert die Linksfraktion. Schon um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu entsprechen, müssten Pauschalen sehr hoch angesetzt werden, um "bedarfsdeckend" zu sein. Schließlich dürfe kein Hartz-IV-Bezieher gezwungen sein, "Teile seines Regelsatzes für die Kosten der Unterkunft zu verwenden." Stattdessen sollten neue Mindeststandards für Wohn- und Heizungskosten eingeführt werden.

Zudem spricht sich die Die Linke gegen "Zwangsumzüge" im ersten Jahr des Hartz-IV-Bezuges aus. Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass Hartz-IV-Empfänger nach maximal sechs Monaten umziehen müssen, wenn ihre Wohnkosten zu hoch sind. Da sich Hartz-IV-Bezieher vor allem darum kümmern sollten, eine neue Arbeit und nicht eine neue Wohnung zu finden, sei die Sechs-Monatsregel kontraproduktiv, argumentiert die Linksfraktion. Sie fordert, die Bleibedauer in der angestammten Wohnung bei Hartz-IV-Bezug auf 12 Monate auszudehnen.

Die Sachverständige Alexandra Frank-Schinke lehnt bedarfsgerechte Pauschalen ab, weil sie "zu teuer" sind. "Das würde nur dazu führen, dass die, die eine geringere Miete haben, trotzdem die volle Pauschale bekommen." Potenzial für Einsparungen durch Pauschalen sieht Frank-Schinke kaum, da eine Einzelfallprüfung ohnehin stets erfolgen müsse. "In der Praxis würden die Kommunen daher so gut wie nie auf Pauschalen zurückgreifen", sagte Frank-Schinke.

Aus den gleichen Gründen sprach sich der Sachverständige Dr. Andy Groth gegen Wohnkosten-Pauschalen aus. Auch der Experte Joachim Rock sagte, dass Kostenersparnisse in der Verwaltung durch Pauschalen nicht zu erwarten seien.

Die Forderung nach neuen Mindeststandards bei der Berechnung der Aufwendungen für Wohn- und Heizungskosten wies Regine Offer vom Deutschen Städtetag zurück. Es herrsche kein Handlungsbedarf, da es bereits "sehr dezidierte Regelungen" gebe. Neue zentrale Vorgaben seien "nicht zielführend".

Kontroverser diskutiert wurde das Thema "Zwangsumzug": Der Experte Dr. Stefan Schiffersdecker hält die im Antrag vorgeschlagene Fristverlängerung von sechs auf 12 Monate für zu lang. Er sieht die Gefahr von Missbrauch. Auch werde Harz-IV-Empfängern ein Anreiz genommen, sich der neuen Situation anzupassen. Laut dem Sachverständigen Holger Gautzsch könnte eine Fristverlängerung auf 12 Monate jedoch Sinn machen. Aufgrund der dreimonatigen Kündigungsfrist bei Wohnungen bliebe den Empfängern gegenwärtig kaum Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen.

Das Argument der Linksfraktion, die Wohnungssuche würde die Jobsuche behindern, ließ Michael Schweiger von der Bundesagentur für Arbeit nicht gelten. Dazu gebe es keine validen Erhebungen.

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3. Zum Schutz des Erbrechts nichtehelicher und einzeladoptierter Kinder Maßnahmen ergreifen

Recht/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/BOB) Zum Schutz des Erbrechts nichtehelicher und für die Rechte einzeladoptierter Kinder im Nachlassverfahren hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf (17/9427) eingebracht. Die Initiative sieht eine Überführung der von 1970 bis 2009 bei den Standesämtern geführten sogenannten "weißen Karteikarten" und Erbverträge von diesem Sommer an in das Zentrale Testamentsregister der Bundesnotarkammer vor. Mit den Karteikarten hätten die Geburtsstandesämter nichteheliche und einzeladoptierte Kinder ihren Eltern zuordnen können, heißt es im Entwurf. Gleichzeitig hätte im Erbfall ihre Beteiligung sichergestellt werden können, indem sie nach dem Tod eines Elternteils von Amts wegen das Nachlassgericht informierten. Seit März 2010 fehle jedoch die Rechtsgrundlage für dieses funktionierende Benachrichtigungswesen. Grund sei, dass die Dienstanweisung angehoben wurde. Heute hapere es mit der eindeutigen Rechtsgrundlage für das Vorhalten und die automatische Weitergabe der Informationen an das Nachlassgericht, obwohl die Gerichte auf diese Informationen "dringend angewiesen" seien.

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4. Die Linke legt Große Anfrage zu "Alterssicherung und Altersarmut von Frauen" vor

Arbeit und Soziales/Große Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Alterssicherung und Altersarmut von Frauen in Deutschland" lautet der Titel einer Großen Anfrage der Fraktion Die Linke (17/9431). Wie die Fraktion darin schreibt, sind Frauen "in besonderem Maße von unzureichender sozialer Absicherung und Armut im Alter betroffen". Viele hätten aufgrund diskontinuierlicher Erwerbsbiografien - bedingt durch "Zeiten der familiären Sorgearbeit" -, von Teilzeitarbeit, Minijobs und Niedriglöhnen nur geringe eigenständige Rentenansprüche. Sie verfügten zudem in wesentlich geringerem Maße über zusätzliche Vorsorge im Rahmen privater oder betrieblicher Alterssicherung als Männer. Daher seien sie "im Alter in hohem Maße abhängig von der meist über den Partner abgeleiteten Sicherung". Diese könne wegen zunehmender Scheidungsraten, absinkender Rentenansprüche der Männer sowie Kürzungen bei der Witwenrente "die Funktion der Absicherung von Frauen im Alter jedoch immer weniger erfüllen".

Wissen wollen die Abgeordneten, wie hoch der Anteil von Frauen ist, "der eine Altersrente von unter 250 Euro, unter 450 Euro, unter 650 Euro, unter 850 Euro, unter 900 Euro, unter 1.000 Euro sowie über 1.000 Euro bezieht". Auch fragen sie danach, wie hoch jeweils der Anteil von Frauen ist, der eine Alters- beziehungsweise Erwerbsminderungsrente unterhalb des Niveaus der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie unterhalb der Armutsrisikogrenze bezieht. Zudem erkundigen sie sich danach, über wie viel Alterseinkommen Frauen im Durchschnitt insgesamt verfügen und wie sich das durchschnittliche Alterseinkommen von Frauen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat. Ferner werfen sie unter anderem die Frage auf, wie sich in diesem Zeitraum die Erwerbsbeteiligung von Frauen entwickelt hat und wie sich die Anteile erwerbstätiger Frauen auf die Beschäftigungsformen Vollzeit, Teilzeit ohne geringfügige Beschäftigung, geringfügige Beschäftigung und Niedriglohnbeschäftigung verteilen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 224 - 7. Mai 2012 - 17:50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012