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AUSSEN/1476: Mursi gewählt - Militär muss jetzt die Macht abgeben


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 25. Juni 2012

Mursi gewählt: Militär muss jetzt die Macht abgeben



Zum Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in Ägypten, erklärt Kerstin Müller, Sprecherin für Außenpolitik:

Mit Mohammed Mursi hat Ägypten zum ersten Mal einen - in einigermaßen freien Wahlen - gewählten Präsidenten. Es bleibt zu hoffen, dass er sein Kabinett pluralistisch zusammensetzen wird.

Die von dem regierenden Militärrat angekündigte Übergabe der Macht an den gewählten Präsidenten Mursi ist jedoch eine Farce. In einer "Ergänzung" zur Verfassung hat sich der Militärrat nach der Auflösung des gewählten Parlaments schließlich alle wesentlichen Machtbefugnisse selbst zugesprochen. Damit leitet die für Ende Juni geplante "Machtübergabe" eine neue Phase der Instabilität für Ägypten ein.

Was Ägypten jetzt neben der Überwindung der wirtschaftspolitischen Krise am dringendsten braucht, sind Neuwahlen für ein Parlament und die Ausarbeitung einer Verfassung. Die Voraussetzungen dafür sind nicht günstig: Die ägyptische Gesellschaft ist tief gespalten, das haben die Präsidentschaftswahlen gezeigt.

Der Militärrat hat durch seine jüngsten Entscheidungen die Befürchtungen bestätigt, dass er die Macht vorerst nicht abgeben will und nicht bereit ist, das Militär einer demokratischen Kontrolle zu unterstellen. Das ist inakzeptabel. Deutschland und die EU müssen gegenüber dem Militärrat deutlich machen, dass sie diese demokratischen Rückschritte nicht hinnehmen und mit dem Prinzip "mehr für mehr" ernst machen. Finanzielle Hilfen müssen an den Fortschritt bei demokratischen Entwicklungen und die Machtübergabe geknüpft werden. Solange der Militärrat aber demokratische Entwicklungen weiter verhindert, müssen finanzielle Hilfen an staatliche Stellen ausgesetzt werden.

Doch angesichts dieser Lage die Hoffnung auf eine Entwicklung in Ägypten hin zu mehr Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Chancengleichheit aufzugeben, wäre das völlig falsche Signal. Deutschland und die EU müssen die zivilgesellschaftlichen Kräfte bei ihrem Kampf für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit weiter unterstützen. Die weitere Entwicklung in Ägypten wird angesichts der Größe und Geschichte des Landes großen Einfluss auch auf die Entwicklungen in anderen arabischen Staaten haben.

Die Zusammensetzung der verfassungsgebenden Versammlung muss alle politischen Strömungen der ägyptischen Gesellschaft von heute repräsentieren. Das muss allen beteiligten Kräften deutlich gemacht werden. Die Neuwahlen für das ägyptische Parlament müssen so schnell wie möglich durchgeführt werden.

Wir hoffen, dass die Kräfte der ägyptischen Zivilgesellschaft neu erwachen und ihre Differenzen soweit überwinden, dass sie zu der Stärke zurückfinden, die sie im Januar diesen Jahres in den Demonstrationen zum Jahrestag des Protestbeginns gegen das Mubarak-Regime so eindrucksvoll gezeigt haben.

Copyright Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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Quelle:
Pressemitteilung vom 25. Juni 2012, Nr. 0574/12
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2012