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RAUMFAHRT/954: Antarktis-Gemüse für die Raumfahrt - Gewächshaus für den Südpol entsteht (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 4. November 2016

Antarktis-Gemüse für die Raumfahrt: Gewächshaus für den Südpol entsteht


Der Speiseplan von Polarforschern in der Antarktis löst meist wenig Begeisterung aus. Oft gibt es nur haltbare Vorratsware, insbesondere im Polarwinter, wenn die Forscher für Monate von der Außenwelt abgeschnitten sind. Ende kommenden Jahres soll sich das ändern, wenn das EDEN ISS-Gewächshaus die deutsche Polar-Station Neumayer III mit frischem Obst und Gemüse versorgt. Dabei soll auch erprobt werden, wie frische pflanzliche Nahrungsmittel auf der Raumstation ISS und später bei Missionen zu Mond und Mars kultiviert werden können. Nun ist der nicht ganz alltägliche Antarktis-Container beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bremen eingetroffen. Der Umbau zum autarken Biotop für Salat, Kräuter, Gurken und vielleicht sogar Erdbeeren hat begonnen. Währenddessen bereitet sich DLR-Forscher Paul Zabel bereits auf seine außergewöhnliche Mission am Ende der Welt vor.

Dem antarktischen Winter trotzen

Für die geplante Pflanzenzucht am Südpol braucht es jede Menge hochmoderner Technik. "Zunächst müssen wir beim Ausbau des Polar-Gewächshauses für die Grundbedürfnisse der Pflanzen sorgen, die in der Antarktis nicht selbstverständlich sind", sagt Paul Zabel vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. "Leitungen für ausreichend Wasser ebenso wie Lampen für das richtige Licht und sogar Filter und Düsen für eine wachstumsfördernde Luftmischung müssen zunächst verlegt und installiert werden." Im antarktischen Winter ist die Umgebung extrem und lebensfeindlich. Die Temperaturen sinken bis auf minus 30 Grad Celsius und kein Sonnenstrahl dringt für Monate durch die polare Nacht. Dafür hat das Gewächshaus eine besonders effektive Isolierung. Ab Dezember 2017 muss es den antarktischen Bedingungen trotzen.

Pflanzenzucht ohne Erde

Ein wesentlicher Faktor für die Gärtnerei unter Extrembedingungen ist die richtige Wasserversorgung. Dafür werden im Gewächshaus-Container große Wassertanks im Boden installiert. Im ewigen Eis werden diese dann mit vorher geschmolzenem, gesiebtem und gereinigtem Wasser aus der vom Alfred Wegener Institut (AWI) betriebenen Antarktisstation Neumayer III befüllt. "Das Wasser wird den Pflanzen nicht direkt zugeleitet, sondern zuvor computergesteuert um eine spezielle Nährstofflösung ergänzt", beschreibt Zabel das Verfahren. "Etwa alle fünf bis zehn Minuten werden die Pflanzen dann automatisch mit dem Wasser-Nährstoff-Gemisch besprüht, sodass ich sie ganz ohne Erde kultivieren kann". Das Verfahren, genannt Aeroponik, spart kurzerhand den Transport großer Mengen Erde ein.

Steril mit erhöhtem CO2-Gehalt

Die Luft im Gewächshaus wird den Bedürfnissen der Pflanzen ebenfalls bestmöglich angepasst. Dafür werden CO2-Flaschen mit in die Antarktis reisen, um den Kohlenstoffdioxid-Gehalt in der Gewächshausluft anzureichern. "Entscheidend wird sein, die Luft frei von schädlichen Keimen und Pilzsporen zu halten", sagt EDEN ISS-Projektleiter Daniel Schubert vom DLR-Institut für Raumfahrtsysteme. "Dafür installieren wir verschiedene Luftfilter sowie eine Anlage zur Luftsterilisation mittels UV-Strahlung". Wie auf einer Raumstation wird das Gewächshaus einen vollständig geschlossenen Luftkreislauf haben, inklusive einer Schleuse durch die Paul Zabel Tag für Tag das Gewächshaus betreten wird. Der geschlossene Kreislauf ermöglicht zudem, sämtliches Wasser, das die Pflanzen an die Luft abgeben, wieder aufzufangen und ihnen erneut zuzuführen. "Ich werde sozusagen nur das Wasser, das ich mit den reifen Früchten ernte, aus dem Gewächshaus heraustragen. Der Rest wird wiederverwendet", ergänzt Zabel.

Besonderes Licht für jede Pflanze

Für ein Leben in der polaren Nacht benötigen die Pflanzen neben Luft und einem Nährstoff-Wasser-Gemisch gerade mal einen Cocktail aus blauem und rotem Licht, der Behälter und Gewächse violett schimmern lässt. "Um jede Pflanzenart individuell am effektivsten wachsen zu lassen, bauen wir wassergekühlte LED-Systeme ein, bei denen jede LED einzeln über einen Computer angesteuert werden kann", erklärt Projektleiter Schubert. Die Pflanzen werden in einem angedeuteten Tag-Nacht Rhythmus 16 Stunden lang beleuchtet und acht Stunden Nachtruhe ohne Licht halten. Auch Ingenieur Zabel benötigt das richtige Licht in der antarktischen Dunkelheit: "Neben dem schummrigen LED-Licht wird es für mich ein Weißlicht geben, mit dem ich hoffentlich gut im Gewächshaus arbeiten kann."

Wenn um Weihnachten die Installation der Grundversorgung abgeschlossen ist, werden bis zum Frühjahr der Arbeitsbereich, die Umkleidekabine und die Computertechnik für Paul Zabels Aufenthalt eingebaut. Danach beginnt ein Probebetrieb am DLR-Standort Bremen, bevor es im Oktober 2017 per Schiff Richtung Antarktis geht.

Vorbereitungen für die Generalprobe im Eis

Seit 2011 wird im fest eingerichteten EDEN-Labor des DLR-Instituts für Raumfahrtsysteme bereits erforscht, unter welchen künstlichen Bedingungen Salate oder Gurken am besten gedeihen und natürlich auch schmecken. Die Antarktis wird der Praxistest, ob die Pflanzenzucht in totaler Isolierung gelingt. Für DLR-Forscher Zabel wird es eine ganz persönliche Herausforderung, sich ein Jahr im ewigen Eis zu behaupten. Dafür lernt er derzeit schon intensiv die Kunst der Pflanzenzucht beim Projektpartner Wageningen-Universität in den Niederlanden. Im Sommer 2017 wird es dann auch ein erstes Zusammenleben auf Probe für die gesamte Überwinterungscrew in Bremerhaven geben und anschließend ein herausforderndes Überlebenstraining in den Alpen.

Die Partner

Damit das Gewächshaus in der Antarktis funktioniert, arbeiten zahlreiche internationale Partner unter der Leitung des DLR zusammen: Neben dem Alfred-Wegener-Institut (Deutschland) und der Wageningen University and Research (Niederlande) gehören Airbus Defense and Space (Deutschland), LIQUIFER (Österreich), das National Research Council (Italien), die University of Guelph (Kanada), Enginsoft (Italien), Thales Alenia Space (Italien), Aero Sekur (Italien), Heliospectra (Schweden), das Limerick Institute of Technology (Irland) sowie Telespazio (Italien) zum Konsortium des EDEN ISS-Projekts.


Vollständiger Artikel mit Bildern unter:
http://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10172/213_read-19910/year-all/

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Quelle:
Pressemitteilung vom 04.11.2016
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2016

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