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RAUMFAHRT/923: Geplanter Absturz - Ende der Merkur-Mission MESSENGER (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 30.04.2015

Geplanter Absturz: Ende der Merkur-Mission MESSENGER


Seit dem 18. März 2011 ist MESSENGER (MErcury Surface, Space ENvironment , GEochemistry and Ranging) die erste Raumsonde, die den Merkur aus einer Umlaufbahn beobachtete. Etwas mehr als vier Jahre und 3308 Merkurumrundungen später kommt die NASA-Mission nun an ihr Ende: Die Treibstoffvorräte auf dem Orbiter sind erschöpft. Da die Anziehungskraft der Sonne einen solch starken Einfluss auf die Umlaufbahn der Sonde hat, ist ein Absturz auf den Planeten in der Nacht von Donnerstag auf Freitag nicht mehr zu vermeiden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) war wissenschaftlich umfangreich an dieser Mission beteiligt.

Absturz auf der unsichtbaren Seite des Merkur

Nach Berechnungen der NASA wird der Aufschlag am 30. April 2015 zwischen 21.25 und 21.30 MESZ erfolgen. Wegen des extrem niedrigen Orbits und der damit erschwerten Kontrolle über die Raumsonde ist der Zeitpunkt mit einiger Unsicherheit behaftet und könnte auch einen Merkurumlauf oder sechs Stunden und 18 Minuten später erfolgen, also am 1. Mai 2015 kurz vor vier Uhr MESZ. "Der Absturz wird auf der von der Erde aus zu diesem Zeitpunkt nicht sichtbaren Seite des Merkurs stattfinden", erklärt Prof. Jürgen Oberst vom DLR-Institut für Planetenforschung. "Wenn MESSENGER auf ihrem Orbit nicht wieder ins Blickfeld der großen 70-Meter-Antennen des NASA-Deep Space Network zurückkehrt und damit kein Signal mehr die Erde erreicht, wird dies die Bestätigung des Absturzes sein." Damit wäre das Ende einer etwa 13 Milliarden Kilometer langen Reise besiegelt. MESSENGER wird dabei dem Merkur eine kleine "Erinnerung" hinterlassen, denn durch die hohe Geschwindigkeit beim Einschlag dürfte nach Berechnungen der Projektwissenschaftler ein Krater von etwa 15 Metern Durchmesser entstehen.

Das DLR ist mit Prof. Jürgen Oberst und Dr. Jörn Helbert im Wissenschaftlerteam der Mission vertreten, das von Prof. Sean Solomon an der Columbia-Universität im US-Bundesstaat New York geleitet wird. Die DLR-Planetenforscher haben vornehmlich die Aufnahmen des Kamerasystems MDIS, die Höhenmessungen des Laser-Altimeters MLA und Daten des Spektrometers MASCS ausgewertet. "Dank der MDIS-Aufnahmen haben wir nun endlich eine globale Abdeckung mit Bildern der Merkuroberfläche", sagt Prof. Oberst. "Damit können exakte Karten und ein Globus des Merkur erstellt werden, vor allem aber lässt sich die geologische Geschichte des Planeten nun sehr viel besser darstellen." Durchgeführt wurde die Mission für die NASA von der Johns-Hopkins-Universität in Maryland.

Merkur zuvor kaum erforscht

Die am 3. August 2004 gestartete MESSENGER-Sonde war überaus erfolgreich und lieferte Daten für zahlreiche wertvolle Ergebnisse. Der innerste Planet des Sonnensystems war bis zu den drei Vorbeiflügen der Raumsonde und schließlich den Beobachtungen aus der Umlaufbahn noch kaum erforscht. Davor prägten Aufnahmen und Experimente dreier Vorbeiflüge der Raumsonde Mariner 10 in den Jahren 1974 und 1975 unser Bild von diesem gerade einmal 60 bis 70 Millionen Kilometer von der Sonne entfernten Planeten. Damals konnte nicht einmal die Hälfte des Merkur fotografiert werden. Ursprünglich hätte die Mission MESSENGER auch nur ein Jahr dauern sollen, sie wurde von der NASA aber zweimal verlängert.

256.000 Bilder zur Erde gefunkt

MESSENGER hatte acht wissenschaftliche Experimente an Bord, darunter ein komplexes Kamerasystem, das im Missionsverlauf fast 256.000 Bilder zur Erde funkte. Ferner einen Laser-Höhenmesser zur Bestimmung der Topographie, vier Spektrometer zur Untersuchung der Mineralogie und Chemie der Oberfläche und der Plasma- und Exosphärenumgebung, so wie ein Magnetometer und ein Radiowellenexperiment zur Bestimmung der Massenverteilung im Planeten. Insgesamt übermittelte die Sonde 10 Terabyte an Daten und revolutionierte das Bild vom sonnennächsten Planeten.


Schwefeliger Vulkanismus, ein schwaches Magnetfeld und Eis in tiefen Kratern

Wegen seiner kraterübersäten Oberfläche wurde dem Merkur lange Zeit eine große Ähnlichkeit mit dem Mond der Erde attestiert. MESSENGER konnte aber zeigen, dass es in der Entwicklung und Zusammensetzung beider Körper gravierende Unterschiede gibt. Sie sind wahrscheinlich auch dadurch begründet, dass der Merkur bei einem Durchmesser von nur 4878 Kilometern einen überproportional großen Kern aus Eisen und Nickel hat, der fast 70 Prozent der Planetenmasse ausmacht, und nur einen gering mächtigen Mantel aus silikatischem Gestein. Die Wissenschaftler haben außerdem entdeckt, dass große Flächen der Nordhalbkugel von Vulkanismus geprägt sind, der stellenweise ungewöhnlich viel Schwefel enthält. Außerdem konnten sie bestätigen, dass sich in den tiefen Kratern des Nordpols, in die nie ein wärmender Sonnenstrahl dringt, tatsächlich Wassereis befindet. Die Geophysiker im Team waren überrascht, dass das Magnetfeld nur ein Hundertfünfzigstel der Stärke der Erde hat und viel schwächer ist als angenommen. MESSENGER reiht sich ein in die Raumfahrtgeschichte als eine der bedeutendsten Missionen zur Erforschung der erdähnlichen Planeten in unserem Sonnensystem.

Merkur-Forschung der Zukunft: BepiColombo

In voraussichtlich zwei Jahren wird die Raumsonde BepiColombo zum Merkur aufbrechen, eine gemeinsame Mission der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der japanischen JAXA. Nach siebenjährigem Flug wird sie dann ab 2024 - knapp ein Jahrzehnt nach dem Ende von MESSENGER - die Erforschung des Merkur fortsetzen. Flüge zum Merkur sind aufwendig und daher selten. Das liegt an den dort herrschenden extremen Temperaturen und der Schwierigkeit, das Raumschiff in eine Umlaufbahn um den relativ kleinen Planeten Merkur so nah an der Sonne zu bringen. BepiColombo ist mit einem japanischen Tochtersatelliten und elf wissenschaftlichen Instrumenten eine wesentlich aufwendigere Mission als MESSENGER. Die ESA-Sonde wird in einer relativ engen Bahn um Merkur insbesondere dessen Südhemisphäre erkunden und die MESSENGER-Messungen in der Nordhemisphäre wesentlich ergänzen können. Die japanische Sonde wird dazu auf einer hochelliptischen Bahn das Magnetfeld des Planeten vermessen - ein Highlight der Mission, um dem Ursprung des Feldes auf die Spur zu kommen. Darüber hinaus hat BepiColombo ein Geodäsie- und Geophysikpaket an Bord wie es so noch nie geflogen wurde. Darin enthalten eine Stereokamera, ein Radiowellenanalysator und das Laser-Altimeter BELA, das eine gemeinsame Entwicklung des DLR, MPI für Sonnensystemforschung und der Universität Bern ist. Ergänzt wird dies durch ein innovatives Spektrometerpaket, zu dem auch das Thermal- Infrarotspektrometer MERTIS des DLR und der Universität Münster gehört.


Vollständiger Artikel mit Bildern unter:
http://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10172/213_read-13526/year-all/#/gallery/19383

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Quelle:
Pressemitteilung vom 30.04.2015
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2015

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