Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES - 03.02.2016
SmartBlades: Neue Ideen, wie Rotorblätter stabiler und leichter werden
Wie können Rotorblätter von Windenergieanlagen Strom in Zukunft noch effizienter produzieren? Im Projekt SmartBlades entwickelten und prüften die Forscher des Forschungsverbundes Windenergie (FVWE) neue Ideen für intelligente Rotorblätter, die sich dem Wind anpassen können. Zum Abschluss des Projektes SmartBlades stellen die Forscher am 3. und 4. Februar 2016 ihre Ergebnisse in Stade bei einer Konferenz mit nationalen und internationalen Gästen aus Wissenschaft und Industrie vor. SmartBlades war ein vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit rund zwölf Millionen Euro gefördertes dreijähriges Forschungsprojekt.
Ein Rotorblatt einer Windenergieanlage ist inzwischen bis zu 85 Meter
lang, die Anlagen reichen in Höhen von über 200 Metern. Das bedeutet, dass
Rotorblätter aufgrund der ungleichmäßigen Windverteilung in Bodennähe und
im oberen Teil der Anlage einer stark schwankenden Windlast ausgesetzt
sind. Die Folge: hohe Belastungen für das Material des Rotorblattes und
eine große Herausforderung bei der Regelung der Anlage. Vor allem bei
stark böigem Wind kann die Windlast so groß sein, dass die Betreiber ihre
Anlagen sogar abschalten müssen, um Schäden zu vermeiden. Wirtschaftlich
ist das schlecht, denn starker Wind sorgt für gute Stromerträge. Ideal
wären Rotorblätter, die ihre Geometrie an die lokalen Windeinwirkungen
anpassen können.
Möglich wird dies durch aktive und passive Technologien, mit denen sich die einzelnen Rotorblättern auf die lokalen Windgegebenheiten einstellen können - sogenannte Smart Blades. Wissenschaftler des FVWE mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Fraunhofer IWES und dem ForWind, dem Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten Oldenburg, Hannover und Bremen haben im Projekt SmartBlades die Wirkung dieser Technologien untersucht. Entwicklern und Betreibern von Anlagen bieten die Ergebnisse des Projektes neues Know-how und Werkzeuge um effektivere, kosteneffizientere und zuverlässigere Anlagendesigns auf den Markt zu bringen.
Wenn sich ein Rotorblatt bei starkem Wind verdreht, so dass es dem Wind weniger Angriffsfläche bietet, sprechen die Wissenschaftler von einer Biege-Torsions-Kopplung. Da diese Biegung allein durch die Kräfte des Windes hervorgerufen wird, handelt es sich um sogenannte passive Mechanismen. Dabei wurden zwei verschiedene Ansätze verfolgt, die diesen Effekt bewirken. Zum einen wurde eine sichelförmige Geometrie untersucht, zum anderen eine besondere Struktur der materiellen Bauweise des Rotorblattes. Beim strukturellen Ansatz werden die Glasfasern, aus denen das Rotorblatt aufgebaut ist, so gelegt, dass es sich bei unterschiedlichen Windgeschwindigkeiten verdreht und den Anstellwinkel somit lokal anpasst.
"Die Vorteile der Mechanismen sind, dass die Blätter weniger massiv und damit leichter gebaut werden können. Beide Verfahren haben das Potenzial die Stromausbeute von Windenergieanlagen zu verbessern," beschreibt Alper Sevinc, SmartBlades-Technologiekoordinator der biegetorsionsgekoppelten Rotorblätter vom Fraunhofer-Institut IWES.
In einem zukünftigen Projekt wollen die Forscher die in der Simulation getesteten Mechanismen an bereits entworfenen Demonstrations-Rotorblättern testen.
Ein anderer Ansatz, den die Wissenschaftler verfolgt haben, sind aktive Mechanismen, die die Hinterkanten eines Rotorblattes verändern, womit Anlagenbetreiber die aerodynamischen Belastungen an einem Rotorblatt steuern können. Untersucht haben die Wissenschaftler dabei in sich bewegliche (formvariable) Hinterkanten, und starre Hinterkantenklappen. Das Konzept kommt aus der Luftfahrt und lässt sich mit den Klappen an Tragflächen von Flugzeugen vergleichen. Die Untersuchungen ergaben, dass beide Verfahren die Last am Rotorblatt effektiv vermindern. Der Wartungsaufwand bei starren Hinterkantenklappen ist jedoch durch die auftretende Verschmutzung der beweglichen Teile so erheblich, dass die Vorteile von beweglichen Hinterkanten klar überwiegen. Perspektivisch ist auch für diesen Ansatz der Bau von Demonstrationsblättern geplant.
Die Wissenschaftler untersuchten auch, ob ein beweglicher Vorflügel an einem Rotorblatt die Effizienz von Windenergieanlagen unter stark schwankenden turbulenten Windbedingungen verbessern kann. Dieser Mechanismus erlaubt es, ein Rotorblatt in einem großen Windgeschwindigkeitsbereich optimal zu nutzen.
"Der Vorteil liegt hierbei in der Reaktionsgeschwindigkeit der Bewegung des Vorflügels, die eine schnelle Beeinflussung der wirkenden aerodynamischen Kräfte bei turbulenten Einströmbedingungen ermöglicht", kommentiert Michael Hölling, SmartBlades-Technologiekoordinator für Rotorblätter mit beweglichen Vorflügeln von Forwind, das Potential des adaptiven Vorflügels.
Das Konzept des beweglichen Vorflügels wurde während des Projektes im Windkanal getestet und lieferte vielversprechende Ergebnisse für weitere Entwicklungen.
Zusätzlich haben die Forscher die Wirtschaftlichkeit der Technologieentwicklungen bewertet. In Simulationen haben sie alle Mechanismen mit einer State-of-the-Art-Referenzanlage mit einem 80 Meter langen Rotorblatt verglichen, mit dem Ergebnis, dass viele der untersuchten Mechanismen Rotorblätter in Zukunft besser machen können. In einem nächsten Schritt hoffen die Forscher, ihre Ergebnisse an Full-Scale-Rotorblättern testen zu können.
Mit dem Projekt SmartBlades wurde eines der ersten großen Forschungsprojekte des 2012 gegründeten Forschungsverbundes erfolgreich zu Ende geführt.
"Die hervorragende Zusammenarbeit des Konsortiums spiegelt sich in den vielversprechenden Ergebnissen des Projektes wieder. Das Projekt hat gezeigt, dass sich die unterschiedlichen Kompetenzen der Partner ideal ergänzen und verknüpfen lassen", betont Ceyda Icpinar, SmartBlades-Projektmanagerin vom DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik in Braunschweig.
Mit dem erfolgreichen Abschluss des Projektes ist nicht nur der gemeinsame Weg für Folgeaktivitäten im Bereich der intelligenten Rotorblätter geebnet, es wurde auch ein stabiles Fundament gelegt, für weitere Forschungsvorhaben im gesamten Windenergiebereich.
Über den Forschungsverbund FVWE
Der 2013 gegründete Forschungsverbund Windenergie (FVWE) bündelt das
Know-how von rund 600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, um
wegweisende Impulse für die Windenergieforschung der Zukunft zu geben. Die
drei Partner Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), ForWind -
Zentrum für Windenergieforschung der Universitäten Oldenburg, Hannover und
Bremen - sowie das Fraunhofer-Institut für Windenergie und
Energiesystemtechnik (IWES) Nordwest, forschen mit Industrie, Politik und
weiteren Forschungspartnern an langfristigen und strategisch wichtigen
Großprojekten. Die Kooperation der drei Partner ermöglicht den
unkomplizierten Zugriff auf eine weltweit einmalige Test-Infrastruktur,
gewährleistet den Technologietransfer aus der Luftfahrt und stellt die
Verknüpfung mit der universitären Forschung und Lehre sicher.
Weitere Informationen unter:
http://www.forwind.de
http://www.dlr.de
http://www.windenergie.iwes.fraunhofer.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1407
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Fraunhofer Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES,
Britta Rollert, 03.02.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2016
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