Forschungsverbund Berlin e.V. - 03.06.2015
Sind Monsterwellen vorhersagbar?
Eine vergleichende Analyse von Monsterwellen in verschiedenen
physikalischen Systemen kommt zu der überraschenden Schlussfolgerung, dass
diese seltenen Ereignisse keineswegs immer komplett unvorhersehbar
sind.
Meteorologische Ereignisse erweisen sich sehr oft als unberechenbar; ein
"Jahrhundertsturm" wird manchmal schon im folgenden Jahr übertroffen.
Entstehende Versicherungsschäden erweisen sich oft als jenseits jedweder
statistischen Erwartung. Derartige Ereignisse unterliegen einer
statistischen Extremwertverteilung, in der außerordentliche Ereignisse
sehr viel häufiger auftreten, als dies selbst eine langjährige Analyse
eher normaler Ereignisse erwarten ließe.
Ein prominentes Beispiel für komplett unvorhersehbare Ereignisse sind sogenannte Monsterwellen (auch bekannt als Kaventsmänner) auf dem Ozean. Diese Wellen mögen sehr selten sein, wenn sie aber ein Schiff treffen, treten massive Schäden an der Schiffshülle auf, die bis zum Untergang des Schiffes führen können.
Die genauen Ursachen solcher Monsterwellen sind immer noch umstritten und es ist unklar ob man sie vorhersagen kann. Kann man vielleicht in irgendeiner Form eine Warnung in letzter Minute oder Sekunde aus den aufgezeichneten Wellenmustern ableiten? Gibt es charakteristische Wellenmuster, die eine Monsterwelle ankündigen? Es gibt leider nur sehr wenige Datensätze von Ozeanmonsterwellen, aber es gibt jedoch einige analoge Systeme in der Optik, die ein qualitativ ähnliches Verhalten aufweisen.
Hier setzt die Arbeit von Simon Birkholz und Mitarbeitern an. Basierend auf den Daten dreier verschiedener Extremereignisse wurde eine genaue Analyse der Vorhersehbarkeit und der Vorbestimmtheit für den jeweiligen Fall durchgeführt. Hier flossen Daten der berühmten Neujahrswelle 1995 auf der Draupner-Ölplattform ein, optische Messdaten der Gruppe um Bahram Jallali an der University of California at Los Angeles und extreme Ereignisse in nichtlinearen Multifilamenten, die am Max-Born-Institut in Berlin gemessen wurden. Im Multifilamentsystem sind Monsterwellen als kurze Lichtblitze im Strahlprofil unmittelbar beobachtbar. Die Wellenhöhe im Ozean entspricht dabei also der Lichtintensität in den optischen Systemen.
Das erstaunliche Ergebnis dieser vergleichenden Analyse ist, dass Monsterwellen in manchen Systemen durchaus vorhersehbar sind, in anderen aber komplett zufällig und damit auch unvorhersehbar sind. Eine Extremwertstatistik an sich erlaubt daher keine Rückschlüsse auf die Vorhersehbarkeit des Systems. Eine besondere Rolle nehmen hier die Ozeanwellen ein. Anders als bisher angenommen, sind Monsterwellen nicht komplett zufälliger Natur. Es ist daher unwahr, dass Monsterwellen "aus dem Nichts erscheinen und ohne eine Spur wieder verschwinden", wie oft behauptet wurde. Nichtsdestotrotz ist eine praktische Vorhersage noch weit entfernt und mag bestenfalls eine Warnung in allerletzter Minute vor diesen "Tiefseemonstern" ermöglichen.
Originalpublikation:
Physical Review Letters 114,
213901 Predictability of Rogue Events,
Simon Birkholz, Carsten Brée, Ayhan Demircan, and Günter Steinmeyer
(Editor's suggestion)
Das Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie
(MBI) gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. (FVB), einem
Zusammenschluss von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen
Instituten in Berlin. In ihnen arbeiten mehr als 1.500 Mitarbeiter. Die
vielfach ausgezeichneten Einrichtungen sind Mitglieder der
Leibniz-Gemeinschaft. Entstanden ist der Forschungsverbund 1992 in einer
einzigartigen historischen Situation aus der ehemaligen Akademie der
Wissenschaften der DDR.
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Forschungsverbund Berlin e.V., Karl-Heinz Karisch, 03.06.2015
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E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2015
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