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MELDUNG/202: Kein Geheimnis mehr - die grundlegende Verknüpfung von Information und Wärme (idw)


Universität Augsburg - 12.03.2012

Kein Geheimnis mehr: die grundlegende Verknüpfung von Information und Wärme

Physiker aus Augsburg, Lyon und Kaiserslautern zeigen in Nature die ultimative Grenze für numerisches Rechnen und irreversibles Löschen von Information.


Augsburg/EL/KPP - In der jüngsten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature zeigen Physiker aus Augsburg, Lyon und Kaiserslautern, wie sie das Landauer-Prinzip erstmals experimentell belegen konnten. Vor mehr als fünfzig Jahren formulierte Rolf Landauer von IBM die Hypothese, dass durch das Löschen von Information zwangsläufig eine minimale Energie in Form von Wärme an die Umgebung abgegeben wird und dass diese Wärme nach unten beschränkt ist. Ihr Grenzwert wird durch die Menge der gelöschten Information und die Temperatur der Umgebung bestimmt. Durch diese Hypothese etablierte Landauer eine fundamentale Beziehung zwischen Informationstheorie und Thermodynamik. Mit ihrem Experiment bestätigen Dr. Eric Lutz (Universität Augsburg) und seine Kollegen nun Landauers Vorhersagen und beweisen, dass die untere Grenze, auf die die Wärme beschränkt ist, tatsächlich erreicht werden kann.

Die Verifikation des Landauer-Prinzips ist insoweit von großer Bedeutung, als durch sie die scheinbare Verletzung des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik durch den sogenannten Maxwellschen Dämon aufgehoben wird. Dieser Maxwellsche Dämon ist in der Lage, nach Beobachtung - also nach Informationsgewinn - kalte von warmen Molekülen in einer geteilten Kammer von einander zu trennen. Laut Maxwells Gedankenexperiment würde der Dämon mit Hilfe des bei diesem Informationsgewinn entstehenden Temperaturunterschieds Arbeit produzieren können, ohne dass er selbst Arbeit verrichtet. Dies freilich stünde im klaren Widerspruch zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik. Nach einem vollen Zyklus muss aber der Dämon die gewonnene Information wieder löschen und dabei Wärme dissipieren. Da gemäß dem Landauer-Prinzip die dissipierte Wärme immer größer als die gewonnene Arbeit ist, wird somit der zweite Hauptsatz nicht verletzt.

Die Ergebnisse der Forscher um Dr. Eric Lutz sind nicht nur von theoretischer, sondern auch von praktischer Relevanz. In der Computerindustrie geht aktuell der Trend zu immer kleineren Mikrochips. Die Wärmeproduktion in diesen immer kleiner werdenden Chips wird allerdings zu einem immer größeren Problem, da sie sowohl die Leistung von Rechnern einschränkt als auch deren weitere Miniaturisierung erschwert. Gegenwärtig liegt die dissipierte Wärme in silkonbasierten digitalen Schaltkreisen ungefähr tausendmal über der Landauer-Grenze. Es wird aber vorhergesagt, dass diese Grenze bereits in den nächsten zwanzig Jahren erreicht sein wird. Demnach werden auch Computeringenieure in Kürze mit der fundamentalen Grenze Landauers konfrontiert werden.

Im Experiment wurde von Lutz und seinen Kollegen eine Mikroglaskugel in einem Doppeltopfpotential, das mit fokussiertem Laserlicht erzeugt wird, eingefangen. Diese Versuchsanordnung entspricht dem einfachsten Zwei-Niveau-Speicher, in dem ein Bit Information gespeichert werden kann (Kugel rechts ist Zustand 0 und Kugel links Zustand 1). Die im System ursprünglich gespeicherte Information kann gelöscht werden, wenn eine Kugel kontrolliert in einen Topf gebracht wird. Bei diesem Prozess haben die Physiker die dissipierte Wärme gemessen. Dabei war zu beobachten, dass die dissipierte Wärme stets größer ist als die Landauer-Grenze und letztere erreicht wird, wenn der Löschvorgang der Information langsamer vollzogen wird.

Die Forschungsarbeiten, die zu diesen wegweisenden Ergebnissen führten, wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Emmy-Noether-Programms und und des SFB/Transregio 49 sowie durch das Exzellenzcluster Nanosystems Initiative Munich (NIM) und durch den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) unterstützt.


Originalbeitrag:
Experimental verification of Landauer's principle linking information and thermodynamics. Antoine Bérut, Artak Arakelyan, Artyom Petrosyan, Sergio Ciliberto, Raoul Dillenschneider & Eric Lutz. Nature 483, 187-189.
http://www.nature.com/nature/journal/v483/n7388/full/nature10872.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution58


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Augsburg, Klaus P. Prem, 12.03.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2012