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ASTRO/289: Auf der Suche nach der Dunklen Energie (idw)


Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn - 16.12.2015

Auf der Suche nach der Dunklen Energie


Ein internationales Konsortium von Astrophysikern vermisst momentan mit Hilfe eines Röntgensatelliten die dreidimensionale Struktur des Universums. Das Projekt geht unter anderem der Frage nach, woraus die Dunkle Energie besteht. Diese ist vermutlich dafür verantwortlich, dass sich das All immer schneller aufbläht. Im Fachblatt "Astronomy and Astrophysics" erscheint nun eine Serie von 13 Studien, in der die Forscher erste Ergebnisse präsentieren. Die Analyse der Röntgendaten erfolgte an der Universität Bonn.


Foto: © Miriam Ramos & Alex Tudorica/Uni Bonn

Dr. Florian Pacaud leitet die Aufbereitung der Röntgendaten an der Universität Bonn.
Foto: © Miriam Ramos & Alex Tudorica/Uni Bonn


Das Universum ähnelt einem gigantischen Schwamm: Große Bereiche (die Löcher des Schwamms) sind frei von jeglicher Materie. Sie werden von fädigen Materie-Ansammlungen aus Galaxien und Gas umgrenzt. Diese bilden die Grundstruktur des Schwamms. Wo sich die Fäden kreuzen, befindet sich besonders viel Materie. Dort tummeln sich auf engem Raum Tausende von Galaxien. Astrophysiker sprechen von Galaxienhaufen oder -clustern. Forscher aus allen Teilen der Welt sind im Moment damit beschäftigt, diese Struktur genauer zu vermessen. Denn sie verrät eine ganze Menge darüber, wie das Universum entstanden ist. Unter anderem hoffen die Wissenschaftler, einer rätselhaften Zutat des Alls auf die Schliche zu kommen, der dunklen Energie.

Dunkle Materie und dunkle Energie

Durch den Urknall wurde sämtliche Materie wie eine riesige Gaswolke im All verteilt - nahezu gleichmäßig, aber nicht völlig: An manchen Stellen war die Wolke etwas dichter als an anderen. Von diesen Stellen gingen daher etwas höhere Gravitationskräfte aus - sie zogen das Materiegas aus ihrer Umgebung zu sich heran. Mit der Zeit konzentrierte sich an diesen Kondensationspunkten daher mehr und mehr Materie. Der Raum zwischen ihnen wurde dagegen leerer und leerer. So entstand innerhalb von gut 13 Milliarden Jahren die Schwammstruktur, die wir heute sehen.

An diesem Prozess war ein Akteur beteiligt, von dessen Existenz man erst seit gut vier Jahrzehnten weiß. Damals entdeckte man, dass Galaxien so schnell rotieren, dass sie eigentlich durch die Fliehkraft auseinander gerissen werden müssten. Eine unsichtbare Substanz - die Dunkle Materie - scheint mit ihrer Masseanziehung dafür zu sorgen, dass das nicht passiert. Rund 85 Prozent des Universums sollen aus dieser exotischen Materieform bestehen. Dank ihr wirken im All deutlich höhere Gravitationskräfte; das beschleunigte auch die Bildung der Schwammstruktur.

Seit dem Urknall expandiert das Universum immer weiter. Die dunkle Materie sollte eigentlich bewirken, dass dieser Prozess verlangsamt. Das tut sie aber nicht: Die Ausdehnung erfolgt stattdessen immer schneller. Verantwortlich dafür ist vermutlich die dunkle Energie. Diese wirkt wie ein interstellares Backpulver: Sie treibt das Universum trotz der starken Gravitationskräfte immer schneller auseinander. Woraus dunkle Energie jedoch genau besteht, ist unbekannt.

Das internationale Großprojekt soll einen Beitrag dazu liefern, diese Frage zu beantworten. Die Wissenschaftler nutzen dazu einen Satelliten der European Space Agency (ESA), der Röntgenstrahlung detektieren kann. Das Gas in Galaxienhaufen emittiert Röntgenlicht; es lässt sich daher durch den Satelliten beobachten. Rund 500 Cluster wollen die Forscher erfassen und vermessen. Einige von ihnen sind mehr als 10 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt. Die Physiker hoffen so, für einen repräsentativen Ausschnitt des Universums seine dreidimensionale Struktur ermitteln zu können. Je genauer ihnen das gelingt, desto mehr können sie über die Kräfte sagen, die diese Struktur geformt haben: über die Masseanziehung der dunklen und sichtbaren Materie und über ihren geheimnisvollen Gegenspieler, die dunkle Energie.

"Wir haben an der Universität Bonn die Röntgendaten aufbereitet", erklärt Dr. Florian Pacaud vom Argelander-Institut für Astronomie. "In der aktuellen Publikationsserie präsentieren wir einen Teil dieser Daten, etwa erste Analysen der 100 hellsten Galaxienhaufen." Dabei konnten die Wissenschaftler bereits eine Beobachtung bestätigen, die in den letzten Jahren die Fachwelt vor Rätsel gestellt hat: Es scheint erheblich weniger Galaxienhaufen zu geben, als eigentlich zu erwarten wäre. Außerdem konnten die Forscher den Prozess der Strukturbildung direkt beobachten: Sie fanden in ihren Daten Hinweise auf so genannte Supercluster. Das sind Galaxienhaufen, die sich durch ihre Gravitation gegenseitig beeinflussen. Irgendwann werden sie vermutlich zu einem großen Galaxienhaufen verschmelzen.


Abbildung: © Project XXL - D. Pomare'de (logiciel SDvision)

Das XXL-Projekt beobachtet zwei Bereiche des Himmels (XXL North und XXL South): Die weißen Punkte stehen für die Galaxienhaufen, die bislang entdeckt wurden, die roten für die 100 hellsten von ihnen.
Abbildung: © Project XXL - D. Pomare'de (logiciel SDvision)

In dem Großprojekt mit dem treffenden Kürzel "XXL" kooperieren mehr als 100 Wissenschaftler rund um den Globus. Das Projekt wird von Dr. Marguerite Pierre vom CEA/Saclay-Institut in Frankreich geleitet. Details finden sich unter:
http://irfu.cea.fr/xxl.


Publikation: F. Pacaud et al.: The XXL Survey: II. The bright cluster sample - catalogue and luminosity function; Astronomy and Astrophysics

Weitere Informationen unter:
http://arxiv.org/abs/1512.04264
Veröffentlichung im Internet

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution123

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Johannes Seiler, 16.12.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Dezember 2015

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