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FORSCHUNG/115: Die Metamorphosen des Goldes im Nanobereich (research*eu)


research*eu Nr. 52 - Juni 2007
Magazin des Europäischen Forschungsraums

Nanotechnologien
Die Metamorphosen des Goldes im Nanobereich

Von Fançois Rebufat


Gold, das seit Jahrtausenden als das "wertvolle" Metall schlechthin gilt, rückt immer mehr in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses allerdings eher wegen seiner funktionalen Eigenschaften als wegen seines Symbolgehalts. Im Nanobereich zeigt es neue physikalische und chemische Eigenschaften, die Wissenschaft und Industrie schwärmen lassen. Krebstherapie, Kampf gegen Umweltverschmutzung oder Miniaturisierung elektronischer Bauteile sind die Kernbereiche dieses neuen "Goldrausches".


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Das reaktionsträge und oxidationsbeständige Metall wird seit der Antike zu medizinischen Zwecken eingesetzt. Es weist eine gute elektrische Leitfähigkeit auf und ist wegen seiner Farbvariationen und seiner Fähigkeit, Verbindungen mit organischen Molekülen einzugehen, interessant. Soweit zu den klassischen Attributen des Goldes. Wenn man sich jedoch auf die Ebene der Nanopartikel begibt, offenbart das Edelmetall Eigenschaften, die noch vor kurzem niemand geahnt hätte. In diesem Bereich hat man festgestellt, dass es unerwartete Katalysatorfähigkeiten aufweist und sogar zum Halbleiter wird.

In einer Goldmasse entsteht der Fluss des elektrischen Stroms durch die Bewegung der frei im Metall beweglichen Leitungselektronen. Es wurde allerdings festgestellt, dass bei der Isolierung von Gold-Nanopartikeln die Elektronen ihre Bewegungen an die begrenzten Dimensionen und Formen im Nanobereich anpassen und sehr interessante elektromagnetische Eigenschaften aufweisen. Dadurch eröffnen sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten im opto-elektronischen Bereich.


Ähnlichkeit mit dem Lebenden

Gold wird bereits seit der Antike in der Medizin eingesetzt, da es bei Kontakt mit dem Organismus reaktionsträge und korrosionsbeständig ist. Darüber hinaus wird schon heute die Tatsache genutzt, dass Gold biofunktionalisiert werden kann, sodass es Antikörperproteine oder Antigene an seiner Oberfläche adsorbieren kann. Werden die Goldpartikel in den Körper eingeimpft, lagern sie sich an bestimmten Stellen ab und reagieren auf spezielle Proteine, mit denen sie verbunden sind. So können Krebszellen entdeckt und sogar zerstört werden, indem die Goldpartikel mit Infrarotstrahlen erhitzt werden (siehe Kasten). Diese Fähigkeit der Goldpartikel, sich an organischem Material abzulagern, wird auch eingesetzt, um Schnelltests zur Untersuchung von Körperflüssigkeiten (Blut, Speichel) auf toxische Substanzen, Allergene oder Mikroben herzustellen. Die biofunktionalen Goldpartikel lagern sich dabei an den gesuchten Substanzen ab. Dank ihrer roten Farbe lassen sie sich schließlich auf einem Teststreifen sichtbar machen.


Giftgase erkennen und beseitigen

Man hat entdeckt, dass Gold im Nanobereich auch ein sehr guter Katalysator ist. Die katalytischen Mechanismen sind zwar noch nicht vollständig erforscht, jedoch wird diese Eigenschaft bereits zur Verbesserung von Gasdetektoren eingesetzt. Das europäische Konsortium Nanogas hat beispielsweise Folgendes entdeckt: Wenn man Zinkoxid, mit dem sich geruchloses und doch tödliches Kohlenmonoxid (CO) aufspüren lässt, Goldpartikel hinzufügt, erhöht sich die Empfindlichkeit des Sensors, weil die Elektronenübertragung beschleunigt wird. Tritt der Sensor mit einem CO-Molekül in Kontakt, erhält er ein Elektron, ändert seine elektrische Leitfähigkeit und überträgt ein Signal. Die Katalysefähigkeit der Gold-Nanopartikel wird auch dazu genutzt, Kohlenmonoxid oder bestimmte andere toxische Gase zu verändern und somit zu filtern. In Gegenwart von Sauerstoff ist Gold das einzige Metall, das CO bei Umgebungstemperatur oxidieren kann, wodurch das weniger toxische CO2 (Kohlendioxid) gebildet wird. Andere Verfahren zur Reduktion von Stickoxiden oder zur Oxidation von Methan werden derzeit untersucht. Die Industrie hofft, damit die Leistung von Auspuffkatalysatoren oder von Filtern für Gasmasken erhöhen zu können. Schon heute werden Goldpartikel in geruchsbindenden Filtern eingesetzt, wie zum Beispiel zur Verbesserung der Luft in japanischen Toiletten.


Und dann kommt die Nanoelektronik

Ein weiterer nicht unwichtiger Bereich, in dem der Nanometer zur Maßeinheit wird, ist die Elektronik. Für David Cumming, Koordinator des europäischen Projekts MINT (Molecular Interconnect for NanoTechnology) "werden integrierte Schaltkreise den Bereich von rund zehn Nanometern erreichen. Neue Herstellungsmethoden werden bereits untersucht". Aus diesem Zusammenhang stammt die Idee, Proteine wie DNA oder RNA einzusetzen, die sich falten und selbst organisieren können, um elektronische Schaltkreise in diesem Maßstab aufzubauen. Die Herstellung von Nanokabeln aus mit RNA-Ästen verbundenen Goldpartikeln oder die Verwendung von RNA-Netzen als Masken vor der Metallisierung mit Gold sind nur einige Forschungsbeispiele. Nun muss nur noch die elektrische Leitfähigkeit dieser Hybridmaterialien geprüft werden, bevor vielleicht sogar das Silizium entthront werden kann.

Pierre-François Brevet, Leiter des Themenbereichs 'Methoden zur Charakterisierung der Gold-Nanopartikel der Forschungsgruppe Gold-Nano' (CNRS, FR), ist zwar der Meinung, dass die Goldpartikel "inert sind und keine chemischen Reaktionen im biologischen Milieu auslösen, was ihre biomedizinische Verwendung rechtfertigt." Aber sind sie deshalb auch ungefährlich? Für den Forscher läge das Risiko eher bei den bei der Biofunktionalisierung eingesetzten Molekülen, einem Verfahren, das anhand von Vorschriften für Experimente mit neuen Molekülen oder Medikamenten streng überwacht wird. Um die Unschädlichkeit einer Anhäufung von Gold im Organismus garantieren zu können, ist es allerdings noch zu früh.


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Mit Klang und Licht gegen Krebs

Im massiven Zustand ist es gelb. Rot, violett oder gar blau wird es, wenn es auf Partikel im Nanobereich reduziert wird. Diese Eigenschaft ist unter Handwerkern, die feinstes Goldpulver verwenden, um Glas eine lichtabhängige Färbung zu verleihen, seit Jahrhunderten bekannt. Sie wird heute zur Entdeckung von Krebszellen eingesetzt. In sehr präzisen Dimensionen (5 bis 10 nm) reagieren die Goldpartikel auf Laseremissionen im Infrarotbereich, indem sie einen Teil der Energie als Licht reflektieren, den anderen in Wärme umwandeln. Nachdem sie mit speziellen Antikörpern auf die für kranke Zellen spezifischen Antigene biofunktionalisiert wurden, können sie mit infraroten Strahlen, die das biologische Gewebe durchdringen, angestrahlt werden. Auf diese Weise können die Partikel mithilfe der Magnetresonanztomographie sichtbar gemacht werden. Jedoch bleiben "diese Techniken in Fällen wie dem Prostatakrebs zu ungenau, um Zustand und Entwicklung zu bestimmen", erläutert Robert Lemor, Koordinator des europäischen Projekts Adonis, das sich dieser typischen Männerkrankheit widmet.

Dieses europäische Projekt läuft seit einem Jahr und verwendet ebenfalls Ultraschall zur Lokalisierung der Gold-Nanopartikel. Werden diese bestimmten Infrarotfrequenzen ausgesetzt, senden sie einen bestimmten Ton aus, der durch Ausdehnen und Zusammenziehen des Materials verursacht wird. "Die Verbindung optischer und akustischer Detektoren bietet größere Präzision, weil die akustischen Methoden viel tiefer in das Gewebe eindringen", erläutert Robert Lemor.

Die Erkennung ist lediglich eine erster Schritt und das Konsortium plant auch Therapieverfahren. Durch Veränderung der Wellenlänge des Lichts sowie der Größe und Form der Nanopartikel kann der reflektierte thermische Energieanteil im Vergleich zur Lichtemission erhöht werden. Das an der Krebszelle abgelagerte Partikel wird erhitzt. Unter 60 °C wird die Durchlässigkeit der Membran verändert und die Zelle zerstört. Dieses Verfahren wird derzeit in vitro getestet und könnte bei verschiedenen Tumoren eingesetzt werden, nachdem für jeden einzelnen diejenigen Zellen ermittelt wurden, an denen sich die Goldpartikel ablagern müssen.


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Weitere Informationen:
Nanogas
http://ec.europa.eu/research/industrial_technologies/impacts/article_3011_en.html

MINT
www.elec.gla.ac.uk/mint/

Or-Nano
www.insp.jussieu.fr/or-nano/index.htm


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

> Projekt Adonis - Durch opto-akustische Erregung von Gold-Nanopartikeln, die biofunktionalisiert und an bestimmten Zellen abgelagert sind, wird ein Ultraschall erzeugt, mit dem der Aufbau krankhafter Zellen festgestellt werden kann.
Mass Spectrometry Laboratory - Universität Lüttich (BE)
Institute of Applied Physics - University of Bern
(CH))

> Im MINT-Projekt soll in integrierten Transistorschaltkreisen im Nanobereich die Bildung von Nanoverbindungen aus leitfähigen Gold-Nanopartikeln erforscht werden. Dazu werden Werkzeuge zur molekularen RNA-Erkennung verwendet, mit deren Hilfe ein adäquater und kontrollierter Selbstaufbauprozess der Nanopartikel hervorgerufen werden kann (Abbildung C). In Abbildung D ist zu sehen, wie dieser Selbstaufbau bei zwei im Nanobereich getrennten Nanoelektroden erreicht wird.


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Quelle:
research*eu Nr. 52 - Juni 2007, Seite 32-33
Magazin des Europäischen Forschungsraums
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2007