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ZOOLOGIE/1332: Opportunisten mit Heimvorteil (idw)


Deutsches Primatenzentrum GmbH - Leibniz-Institut für Primatenforschung - 22.06.2016

Opportunisten mit Heimvorteil

Wissenschaftler vom Deutschen Primatenzentrum zeigen, welche Faktoren das Verhalten von Verreaux's Sifakas bei Auseinandersetzungen zwischen Gruppen bestimmen


Bevorzugtes Futter, angestammte Territorien oder Paarungsangelegenheiten - die Gründe für Konflikte zwischen benachbarten Gruppen sozial lebender Tiere sind vielfältig. Auch bei Affen gibt es oftmals feindselige Auseinandersetzungen, bei denen mehrere Mitglieder einer Gruppe ihr Territorium verteidigen. Die gemeinsame Verteidigung stellt aber auch ein Problem des kollektiven Handelns dar: Nicht alle Gruppenmitglieder beteiligen sich an jedem Konflikt, genießen aber trotzdem die Vorteile eines gesicherten Territoriums. Um herauszufinden, welche Faktoren die Beteiligung und den Ausgang von Zwischengruppenkonflikten beeinflussen, haben Verhaltensforscher vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) und der Universität Göttingen Verreaux's Sifakas auf Madagaskar beobachtet. Dabei konnten sie einerseits zeigen, dass diese Lemuren ihre Beteiligung in Konfliktsituationen opportunistisch von individuellen Interessen und den gegebenen Umständen abhängig machen (Behavioral Ecology & Sociobiology, 2016) und andererseits die Gewinnchancen einer Gruppe nicht von deren Größe, wohl aber vom Heimvorteil beeinflusst werden (Scientific Reports, 2016).


Foto: © Claudia Fichtel

Sifakas im Kirindy-Wald in Madagaskar. Bei Auseinandersetzungen erhöht der Heimvorteil die Gewinnchancen, da die residenten Tiere eine höhere Motivation haben ihr Terrritorium zu verteidigen.
Foto: © Claudia Fichtel


Die Wissenschaftler begleiteten acht benachbarte Gruppen der Verreaux's Sifakas regelmäßig über ein Jahr lang im Kirindy-Wald im westlichen Madagaskar. Dabei beobachteten sie das Verhalten der Tiere in Konfliktsituationen. In einem Teil der Studie wurde untersucht, welche Gruppenmitglieder sich wann und warum an Gruppenauseinandersetzungen beteiligten.

Im Gegensatz zu vielen anderen Affenarten beteiligen sich bei den Sifakas nicht nur männliche, sondern auch weibliche Tiere an den Auseinandersetzungen. Dabei bestimmt die Anzahl der aktiv kämpfenden Individuen des Gegners die Anzahl der eigenen Teilnehmer: Je mehr Individuen in der einen Gruppe kämpfen, desto mehr beteiligen sich auch in der anderen Gruppe. Allerdings nehmen nicht immer alle Gruppenmitglieder an diesen Auseinandersetzungen teil. Weibchen halten sich von kämpferischen Auseinandersetzungen nur dann zurück, wenn sie noch kleine, abhängige Jungtiere versorgen müssen. Männchen hingegen kämpfen weniger, wenn sie kaum Fortpflanzungschancen in der Gruppe haben.

"Sifakas beteiligen sich eher opportunistisch an Auseinandersetzungen mit Nachbargruppen", sagt Claudia Fichtel, Wissenschaftlerin in der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am DPZ und Senior-Autorin der Studie. "Die Tiere bringen sich je nach individueller Interessenslage und in Abhängigkeit von aktuellen Umständen ein, wie beispielsweise die Anzahl der aktiven Teilnehmer der gegnerischen Gruppe."

Außerdem untersuchten die Verhaltensforscher, welche Faktoren die Gewinnchancen einer Gruppe erhöhen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass zahlenmäßige Überlegenheit einer Gruppe nicht dazu gehört, der Heimvorteil hingegen schon. Findet der Konflikt in der Nähe eines Gebietes statt, das eine Gruppe in letzter Zeit intensiv genutzt hat, so erhöht sich deren Gewinnchance. Ortsansässige haben also eine höhere Motivation, das Gebiet zu verteidigen und gewinnen dementsprechend häufiger.

"Die Gewinner profitieren davon, da sie das Gebiet im folgenden Monat häufiger nutzen können als die Verlierer", erklärt die Erstautorin der Studie Flávia Koch, die in der Abteilung Verhaltensökologie und Soziobiologie am DPZ promoviert hat. "Somit können bei gruppenlebenden Tieren die jeweiligen Umstände, wie der Ort der Auseinandersetzung, den numerischen Vorteil der anderen Gruppe wettmachen."

Originalpublikationen

Koch, Signer, Kappeler, Fichtel (2016) Intergroup encounters in Verreaux's sifakas (Propithecus verreauxi): who fights and why? Behavioral Ecololgy & Sociobiology, 70:797-808. DOI 10.1007/s00265-016-2105-3

Koch, Signer, Kappeler, Fichtel (2016) The role of the residence-effect on the outcome of intergroup encounters in Verreaux's sifakas. Scientific Reports, 6: 28457. DOI 10.1038/srep28457


Die Deutsches Primatenzentrum GmbH (DPZ) - Leibniz-Institut für Primatenforschung betreibt biologische und biomedizinische Forschung über und mit Primaten auf den Gebieten der Infektionsforschung, der Neurowissenschaften und der Primatenbiologie. Das DPZ unterhält außerdem vier Freilandstationen in den Tropen und ist Referenz- und Servicezentrum für alle Belange der Primatenforschung. Das DPZ ist eine der 88 Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft.


Weitere Informationen unter:
http://www.dpz.eu/de/startseite.html
- Website Deutsches Primatenzentrum

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution305

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Deutsches Primatenzentrum GmbH - Leibniz-Institut für Primatenforschung,
Dr. Susanne Diederich, 22.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2016

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