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ZOOLOGIE/1085: Basler Zoologen klären altes Rätsel um Neunaugen auf - Es sind zwei Arten (idw)


Universität Basel - 06.08.2013

Basler Zoologen klären altes Rätsel um Neunaugen auf: Es sind zwei Arten



Die urtümlichen Neunaugen kommen oft in zwei Formen vor: in einer in Flüssen lebenden Form und in einer im Meer lebenden, parasitischen Form, die nur zum Ablaichen in die Flüsse wandert. Seit Jahrzehnten wird spekuliert, ob es tatsächlich unterschiedliche Arten oder nur umweltbedingte Varianten derselben Art sind. Basler Zoologen berichten nun im Fachblatt «Current Biology», dass sich die Formen nicht nur im Erscheinungsbild, sondern auch im Erbgut stark unterscheiden, was eindeutig für die Existenz von zwei Arten spricht.

Foto: © Catarina S. Mateus/Universität Basel

Das Bachneunauge (Lampetra planeri) unterscheidet sich nicht nur morphologisch, sondern auch genetisch stark vom Flussneunauge.
Foto: © Catarina S. Mateus/Universität Basel

Zusammen mit den Schleimaalen sind die aalähnlichen Neunaugen die einzigen noch lebenden Vertreter der Kieferlosen, welche die ursprünglichste Gruppe aller Wirbeltiere bilden. Sie haben sich lang kaum verändert: Der letzte gemeinsame Vorfahre der Kieferlosen und aller andern Wirbeltiere inklusive des Menschen lebte vor etwa 500 Millionen Jahren.

Eine Besonderheit der «lebenden Fossilien» Neunaugen, die auch Rundmäuler genannt werden, ist, dass man sie meist in zwei Formen vorfindet: Bachneunaugen sind relativ klein und leben in Flüssen und Bächen, wo sie sich nichtparasitisch ernähren; die grösseren Flussneunaugen dagegen wandern ins Meer ab, wo sie sich als Parasiten vom Blut und Fleisch anderer Fische ernähren. Zur Fortpflanzung treffen sich die beiden Formen jedoch an gemeinsamen Laichgründen in den Flüssen.

Seit Jahrzehnten wird gerätselt, ob Bach- und Flussneunaugen zwei verschiedene Arten oder Varianten derselben Art sind, die durch die Umwelt unterschiedlich ausgeprägt sind. Da beide Formen im Erwachsenenstadium gut zu unterscheiden sind, wurden sie bereits im 18. Jahrhundert als eigenständige Arten beschrieben. Doch die zwei Formen lassen sich im Larvenstadium von Auge nicht unterscheiden; zudem beziehen Erwachsenentiere beider Formen gemeinsame Nester und lassen sich sogar kreuzen, was für die Umweltvarianten-Hypothese spricht. Bislang konnte man keine genetischen Hinweise dafür finden, dass es sich bei den Formen tatsächlich um unterschiedliche Arten handelt.

Neuste Methoden der Genomforschung

Ein Team von Basler Zoologen um Prof. Walter Salzburger hat nun zusammen mit portugiesischen Kollegen mittels neuester Methoden der Genomforschung ein europäisches Neunaugen-Formenpaar untersucht. Die Ergebnisse, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins «Current Biology» vorgestellt werden, sind eindeutig: Fluss- und Bachneunaugen unterscheiden sich stark und an vielen Orten im Erbgut. Dieses Ergebnis weist eindeutig auf die Existenz zweier unterschiedlicher Arten hin. Weiter können die Forscher die alte Annahme belegen, dass sich die stationär flussbewohnenden Bachneunaugen aus den wandernden Flussneunaugen entwickelt haben.

Die Genomanalyse der Basler Forscher förderte weitere Ergebnisse zutage: Sie konnten zwölf Gene identifizieren, die zwischen den beiden Neunaugenarten starke Unterschiede aufweisen. Dazu gehören Gene des Immunsystems und Homöobox-Gene, die für die Entwicklung relevant sind. Ausserdem unterscheiden sich die Arten im sogenannten Vasotocin-Gen, das bei Fischen bei der physiologischen Umstellung zwischen Salz- und Süsswasser wichtig ist. «Einmal mehr zeigt diese Studie, wie mithilfe moderner Genomforschung alte Fragestellungen der Biologie aufgeklärt werden können», sagt Studienleiter Salzburger zu den Ergebnissen.

Originalbeitrag
Catarina S. Mateus, Madlen Stange, Daniel Berner, Marius Roesti, Bernardo R. Quintella, M. Judite Alves, Pedro R. Almeida, and Walter Salzburger Strong genome-wide divergence between sympatric European river and brook lampreys
Current Biology, Volume 23, Issue 15, 5 August 2013, Pages R649-R650 | doi: 10.1016/j.cub.2013.06.026

Weitere Informationen unter:
http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2013.06.026
- Abstract
http://evolution.unibas.ch/salzburger/
- Forschungsgruppe Prof. Walter Salzburger

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution74

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Basel, MA Reto Caluori, 06.08.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2013