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ZOOLOGIE/1073: Der lange Weg zum Schildkröten-Panzer (idw)


Universität Zürich - 03.06.2013

Der lange Weg zum Schildkröten-Panzer



Schildkröten besitzen einen im Tierreich einmaligen Panzer. Dieser begann sich vor mehr als 260 Millionen Jahren zu entwickeln, wie amerikanische Forscher zusammen mit einem Paläontologen der Universität Zürich anhand eines Fossils nachweisen. Das Urzeit-Reptil aus Südafrika trug bereits die Anlagen eines Panzers in sich: einen nicht durchgehenden Rückenschild und einen rudimentär ausgebildeten Bauchpanzer. Das Fossil schliesst eine grosse Lücke in der Entwicklungsgeschichte der Schildkröten.

Bild: © Tyler Lyson

Fossiles Skelett des südafrikanischen Reptils Eunotosaurus africanus. Die verbreiterten Rippen, d. h. der Schritt zur Ausbildung eines durchgehenden Rückenpanzers sind bereits zu sehen.
Bild: © Tyler Lyson

Der Bauch- und Rückenpanzer charakterisiert die Schildkröte. Wie sich dieser Panzer entwickelte und Schildkröten in der Evolution einzuordnen sind, darüber rätseln Wissenschaftler schon länger. Alle bisher bekannten fossilen Formen besassen bereits vollständig ausgebildete Bauch- und Rückenpanzer und beantworteten somit die Frage nach der Evolution des Panzers nicht. Einzig die 2008 in China entdeckte 220 Millionen Jahre alte «Odontochelys semitestacea» zeigt mit einem voll entwickelten Bauchpanzer und einem teilweise entfalteten Rückenschild ein früheres Entwicklungsstadium.

Ein internationales Team aus Forschern mehrerer nordamerikanischer Universitäten und der Universität Zürich präsentiert nun ein erweitertes Evolutionsmodell. Gemäss UZH-Paläontologe Torsten Scheyer handelt es sich bei diesem Vorläufer um ein eigenartiges kleines Reptil, das vor 260 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Südafrikas lebte. «Eunotosaurus africanus», so der wissenschaftliche Name des Tieres, besass noch keine durchgehende Panzerung, aber bereits die für Schildkröten charakteristischen Umformungen der Rippen.

Übergangsfossil zu den Schildkröten

Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler 37 teilweise unveröffentlichte fossile Eunotosaurus-africanus-Funde. Das Urzeit-Reptil mass ohne Schwanz rund zehn Zentimeter. Es besass, wie die nächst jüngeren Formen mit weiter entwickelter Panzerung, neun verlängerte Rumpfwirbel, T-förmig verbreiterte Rippen und paarige Bauchrippen, sogenannte Gastralia. Aufgrund der verbreiterten Rückenrippen schliessen die Forscher, dass «Eunotosaurus africanus» bereits eine Art Rückenschild besass. Im Gegensatz zur 40 Millionen Jahre jüngeren chinesischen «Odontochelys semitestacea», die einen voll entwickelten Bauchpanzer besass, wies «Eunotosaurus africanus» aber nur erste Ansätze für eine Bauchpanzerung auf. Mit seinen morphologischen Merkmalen steht «Eunotosaurus africanus» zwischen den vollständig gepanzerten Schildkröten und primitiven Reptilien. «Eunotosaurus ist ein Übergangsfossil und schliesst eine Lücke von 35 bis 50 Millionen Jahren in der Entwicklungsgeschichte der Schildkröten», erläutert Torsten Scheyer die neuen Erkenntnisse.

Bild: © Tyler Lyson

Eunotosaurus africanus trug bereits die Anlagen eines Panzers in sich.
Bild: © Tyler Lyson

Sonderfall Schildkrötenpanzer

Die Evolution des Schildkrötenpanzers ist innerhalb der Tierwelt einmalig. Fast alle fossilen und heute lebenden Panzertiere bilden ihre Panzer durch das Einlagern von Hautknochenplatten in die Haut. Bei den Schildkröten sind dagegen umgeformte Rumpfwirbel und Rippen mit in den unbeweglichen Schutzpanzer aufgenommen. Durch das Zusammenwachsen der Rippen verschwindet bei ihnen die Zwischenrippenmuskulatur, die bei den anderen Wirbeltieren den Atemvorgang bzw. das Heben und Senken des Brustkorbs unterstützt. Um diesem Defizit entgegenzuwirken, legt sich um die Lunge der Schildkröten eine Art Muskelschlinge, die die Atmung steuert.

Literatur:
Tyler R. Lyson, Gabe S. Bever, Torsten M. Scheyer, Allison Y. Hsiang, Jacques A. Gauthier. Evolutionary origin of the turtle shell. Current Biology. May 30, 2013. doi: 10.1016/j.cub.2013.05.003

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Zürich, Nathalie Huber, 03.06.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2013