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ORNITHOLOGIE/134: Veränderungen der Vogelwelt in Bayern (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 5/2009

Veränderungen der Vogelwelt in Bayern

Von Hans-Joachim Fünfstück


Ein Vergleich alter und neuer Avifaunen zeigt ein ständiges Kommen und Gehen in der Vogelwelt. Veränderungen sind oft Folgen geänderter Landnutzung, aber auch von Jagd und Verfolgung, absichtlicher oder unabsichtlicher Verschleppung gebietsfremder Arten und neuerdings des Klimawandels. Oftmals breiten sich auch Arten aus oder ziehen sich aus einem Gebiet zurück, ohne dass Ursachen ersichtlich ist. Für jeden Vogelbeobachter ist es interessant, Veränderungen zu verfolgen und sich ihrer bewusst zu sein. Entscheidend sind natürlich genaue Kenntnisse im Naturschutz und zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Wir haben Hans-Joachim Fünfstück gebeten, uns am Beispiel Bayern einen Überblick über Veränderungen in der Vogelwelt zu geben und dabei den Schwerpunkt auf Vogelarten zu legen, denen Beobachter heute neu oder häufiger als früher begegnen.


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Die "Vögel und ihre Lebensräume vor 200 Jahren" wurden in einem früheren Beitrag von Karl Schulze-Hagen sehr anschaulich dargestellt (Der FALKE 9/2008). Dieser Artikel bezog sich jedoch auf die gesamte Fläche Deutschlands. Über neue Erkenntnisse und über den Wandel in der Avifauna Deutschlands berichten verschiedene Autoren in den beiden Heften Vögel in Deutschland 2007 und 2008, die der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) in Kooperation mit dem Bundesamt für Naturschutz und der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten herausgegeben hat. Veränderungen in der Vogelwelt sind nicht nur in Zeiträumen von Jahrhunderten zu erkennen, sondern können auch überraschend schnell eintreten. Jeder Vogelbeobachter sollte sich dies vergegenwärtigen und die Veränderungen kennen. Nach einer Reihe von Jahren ertappt man sich immer wieder beim "Gefühl", dass eine Art "viel häufiger ist als man das in Erinnerung hatte" oder man "eine Art schon lange nicht mehr gesehen hat". Am ehesten lassen sich solche Änderungen über die Zeit an regionalen Erfahrungen und Ergebnissen erkennen.

So sind zwischen Berchtesgaden und Rhön in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einige ehemals seltene Arten häufiger geworden, haben ihr ehemaliges Brutgebiet wieder besiedelt oder brüten erstmals. Vor allem einige größere Vogelarten haben ihre alte Heimat wiederentdeckt, während kleine Arten eher zurückgehen. Jedoch gibt es in der unteren "Gewichtsklasse" einige neue Arten, die Bayerns Vogelwelt bereichern. Ein kurzer Blick auf Heimkehrer, Zuwanderer und Entkommene, die sich in den letzten 100 Jahren in Bayern zunehmend wohlfühlten, ergibt ein buntes Bild.


Neuansiedler in Bayern

Dazu zählen zunächst Vogelarten, die ihr natürliches Verbreitungsgebiet in den vergangenen Jahrzehnten nach Bayern ausgedehnt haben.

Felsenschwalbe: Bereits 1916 wurde am Falkenstein bei Pfronten das erste bayerische Brutpaar der Felsenschwalbe entdeckt. Der derzeitige Brutbestand umfasst 30 bis 50 Brutpaare. Diese Zahl schwankt jedoch sehr stark, da nicht alle Plätze jährlich besiedelt werden. Doch gelingen immer wieder Nachweise neuer Brutplätze, zunehmend auch an Gebäuden.

Reiherente: 1930 brütete die Reiherente erstmals im Ismaninger Teichgebiet bei München. Dieses Vorkommen bildete sozusagen einen "Brückenkopf" vor dem 400 km nordöstlich gelegenen, geschlossenen Verbreitungsgebiet. Gleichzeitig mit den ersten Bruten kam es zu einem raschen Anwachsen der Rastbestände. In den 1970er Jahren betrug der Brutbestand in Bayern bereits 1000 Paare. Von manchen Teichwirten der Oberpfalz wird die Reiherente bereits als Schädling angesehen und eine intensivere Bejagung gefordert.

Türkentaube: Der Erstnachweis der Türkentaube für Bayern und Deutschland - dachte man - gelang durch einen Fang im Februar 1946 in Augsburg. Aber da hatten sich die Schwaben getäuscht, denn Erwin Gebhardt und Herbert Ringleben fanden heraus, dass die Türkentaube bereits seit 1944 in Nürnberg brütete. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist die Türkentaube in Deutschland eine Allerweltsart geworden. Seit mehreren Jahren wird aber in einigen Gegenden eine leichte Abnahme vermutet.

Sturmmöwe: Nach der Übersommerung eines Sturmmöwenpaares im Jahr 1956 brütete 1957 ein Paar am Chiemsee. Derzeit brüten alljährlich nicht mehr als drei bis fünf Paare in Bayern. Die Brutplätze liegen nur an wenigen größeren Seen und Stauseen im Süden des Landes.

Kolbenente: Die Kolbenente ist erst seit 1969 Teil der bayerischen Brutvogelfauna. Der Bestand stieg seitdem kräftig an. Im Jahr 2005 konnten insgesamt 105 Brutpaare mit 450 Jungvögeln erfasst werden.

Schellente: Als weitere Entenart ist die Schellente seit 1976 als Brutvogel in Bayern nachgewiesen. Der Brutbestand dieser Höhlenbrüter umfasst derzeit ungefähr 50 Brutpaare, die sich auf die vier Verbreitungszentren Bodenwöhrer Senke, Lech, Werdenfelser Land und Chiemsee verteilen.

Karmingimpel: Nachdem 1970 der erste Karmingimpel in Bayern im Fichtelgebirge nachgewiesen wurde, dauerte es lange bis der der erste Brutnachweis im Freistaat gelang. Im Jahr 1983 wurde im Ettaler Weidmoos ein Nest mit Jungvögeln gefunden. Die Art brütet bayernweit regelmäßig nur im südbayerischen Raum. Der Brutbestand umfasst 60 bis 80 Paare. Obwohl Karmingimpel recht auffällig sind, wird ihm kaum von Vogelbeobachtern Zeit gewidmet: So ist die derzeit vermutete Abnahme nicht mit Zahlen zu belegen.

Schwarzkopfmöwe: Die erste Brut der Schwarzkopfmöwe wurde im Jahr 1980 im Mohrweihergebiet in Franken festgestellt. Es folgten Bruten und Brutversuche an verschiedenen Plätzen des Freistaates. Die größte Kolonie am Altmühlsee hatte im Jahr 2001 immerhin 28, 2005 nur noch mindestens acht Brutpaare. Der bayerische Brutbestand dürfte derzeit 30 bis 40 Brutpaare betragen.

Mittelmeermöwe: Der erste Brutnachweis der Mittelmeermöwe in Bayern und Deutschland gelang im Jahr 1987 am "bayerischen Meer", dem Chiemsee. Ein Brutpaar zog auf einem Floß drei Jungvögel auf. Im Jahr 2005 wurden insgesamt 20 bis 23 Brutpaare bekannt, von denen zehn Paare Bruterfolg hatten.

Alpensegler: Als bislang letzter neuer Brutvogel in Bayern ist der Alpensegler bekannt geworden. Die erste Brut für Bayern wurde im Jahr 2004 in Lindau registriert. Damit ist nach Baden-Württemberg ein weiteres Bundesland für den Erhalt dieser Art in Deutschland gefordert.


Echte und vermutliche Heimkehrer nach Bayern

Mehrere Vogelarten, die aus Bayern mehr oder weniger vollständig verschwunden waren, sind in jüngster Vergangenheit zurückkehrt. Allerdings verliert sich bei einigen die Vergangenheit teilweise im Dunklen.

Schwarzstorch: Der Schwarzstorch war in Bayern nie ganz verschwunden. Durch Arealausweitung nach Westen nimmt die Art seit etwa 30 Jahren deutlich zu. Aus Artenschutzgründen werden viele Reviere geheim gehalten, sodass die geschätzte Zahl von 100 bis 120 Brutpaaren in Bayern eventuell zu niedrig ist.

Wiesenweihe: Wie der Schwarzstorch war die Wiesenweihe als regelmäßiger Brutvogel aus Bayern nie vollständig verschwunden. Vermutlich durch die positive Entwicklung der Brutpopulation in Lothringen etablierte sich in Mainfranken eine mittlerweile individuenreiche Population. Zusätzlich wird die Zunahme des Brutbestandes durch ein Artenhilfsprogramm des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) gefördert und von zahlreichen ehrenamtlichen Mitgliedern des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern (LBV) durchgeführt. Im Jahr 2008 brüteten 153 Wiesenweihenpaare in Bayern, von denen 278 Jungvögel flügge wurden.

Fischadler: Anfang des 20. Jahrhunderts war der Fischadler nur noch in wenigen Paaren als Brutvogel in Bayern bekannt. Eventuell brütete er bis 1976 in Nordostbayern. Aus den Folgejahren liegen keine Brutnachweise vor. Die erste Brut fand dann wieder 1992 in Nordbayern statt, wo sich derzeit vier Brutpaare angesiedelt haben. Leider ist der Fischadler auch in Bayern wie in großen Teilen Europas auf künstliche Nistplattformen angewiesen, da potenzielle Horstbäume in Wirtschaftswäldern kaum noch existieren.

Seeadler: Seeadlerbruten sind aus früheren Zeiten in Bayern nicht belegt. Im Frühjahr 2008 existierten in Bayern wohl insgesamt sechs von Paaren besetzte Reviere. Durch einen Unfall an einer Stromleitung starb ein Partner eines Revierpaares. Am Chiemsee wurde im Herbst das Nest gefunden, dass das Paar, welches Ende März 2008 letztmalig gesehen wurde, gebaut hatte. Sicher hat es sein Revier nach intensiven Störungen verlassen.

Kormoran: Kormorane brüten seit 1977 (wieder?) in Bayern. Die erste Brut fand im Ismaninger Teichgebiet statt. Im Jahr 2007 konnten in Bayern 581 Paare in zehn Kolonien gezählt werden. Eine Neuansiedlung im Karpfenweihergebiet bei Neuhaus/Aisch wurde im Jahr 2008 durch Fällen der Nistbäume verhindert. In einer weiteren Kolonie wurden im Februar 2009 alle Nester entfernt.

Kranich: Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts brütete der Kranich in den voralpinen Mooren. Neuere Bruten in Bayern sind bis jetzt nicht zweifelsfrei belegt, doch wurde Anfang August 2002 ein Paar mit einem Jungvogel in Nordbayern gesehen. Im selben Gebiet brütet seit mindestens 2007 ein Paar, 2008 sollen es sogar zwei gewesen sein. Ein weiteres, allerdings noch nicht geschlechtsreifes Paar balzte im Aischgrund und ein weiteres Paar brütete in Oberfranken.

Wiedehopf: Von dieser Art sind erst in den letzten Jahren wieder Bruten nachgewiesen worden, nachdem zuletzt im Jahr 2000 in einer Sandgrube bei Hilpoltstein zumindest Brutverdacht bestand. Seit 2005 brütet der Wiedehopf wieder mit ein bis zwei Paaren in Unterfranken.

Habichtskauz: Die zunächst letzte Brut des Habichtskauzes wurde bereits Ende des vorletzten Jahrhunderts im Bayerischen Wald bekannt. Der letzte Vogel fiel dort im Jahr 1889 einem Schützen zum Opfer. Seit dem Jahr 1975 wurden etwa 200 Habichtskäuze im Nationalpark Bayerischer Wald im Rahmen eines Wiederansieldungsprojektes freigelassen. Die erste erfolgreiche Freilandbrut fand 1989 statt. Im Jahr 2007 wurden sieben Brutpaare gefunden, von denen zwei erfolgreich waren.

Steinrötel: In den bayerischen Alpen war der Steinrötel vermutlich immer nur unregelmäßiger Brutvogel. Nachdem in Vorarlberg die Art offensichtlich etwas zugenommen hatte, konnten durch gezielte Suche ab dem Jahr 2000 Nachweise von einem oder mehreren Brutpaaren in den Allgäuer Hochalpen erbracht werden. Im Jahr 2007 fütterte auch im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ein Paar vier flügge Jungvögel.

Steinhuhn: Ob das Steinhuhn in Bayern je verschwunden war, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit klären. Die letzten bekannt gewordenen Beobachtungen gelangen im Jahr 1984 in den Allgäuer Hochalpen. Für Beobachtungen, die in den letzten Jahren im Allgäu und im Werdenfelser Land gemacht wurden, fehlt leider jeder Beleg. In den letzten Jahren gab es im Allgäu und im Werdenfelser Land wieder alljährlich Brutzeitbeobachtungen (Bauer et al., in Vorb.), doch es gelang noch kein neuer Brutnachweis. Leider wurden in den 1980er und frühen 1990er Jahren nicht heimische Chukarhühner in den Alpen ausgesetzt, die sich auch weit außerhalb der Auflassgebiete (Tirol, Südschweiz) blicken ließen. Doch offensichtlich kam es zu keinen Brutansiedlungen, sodass keine Verwechslungsgefahr mehr besteht.

Zwergohreule: Von 1959 bis 1962 brütete die Zwergohreule in Unterfranken. Weitere Meldungen aus dem Fränkischen Anfang der 1990er Jahre lassen sich leider nicht mehr verifizieren, da alle Nachfragen aus Gründen der Geheimhaltung nicht beantwortet wurden. Mittlerweile existieren für mehrere Plätze belegte Nachweise von singenden Männchen, z. T. sogar Paaren. Im Jahr 2007 gelang auch ein Brutnachweis.

Bienenfresser: Veränderungen der nördlichen Arealgrenze des Bienenfressers sind gut belegt. So lassen sich beispielsweise im 19. Jahrhundert zwei Ausbreitungswellen erkennen, die sich auch in Nachweisen in Mitteleuropa widerspiegeln. Ein Vergleich mit Klimadaten zeigt, dass die Art mit zunehmender Erwärmung nach Norden vordringt. Seit den 1960ern Jahren nehmen Beobachtungen und Bruten des Bienenfressers in Bayern zu. Im Jahr 2006 brüteten in Bayern mindestens 35 Brutpaare, wobei sicher nicht alle Vorkommen bekannt wurden.

Bartmeise: Immer wieder gelangen einzelne Bruten der Bartmeise in großen Schilfgebieten, zuletzt regelmäßig am Ammersee und im Jahr 2008 im Mohrhofweihergebiet. Durch das Brüten in drei aufeinander folgenden Jahren muss die Bartmeise als regelmäßiger Brutvogel eingestuft werden.


Neozoen

Von Einwanderern klar zu unterscheiden sind die sogenannten Neozoen, also Neubürger, die ohne die Hilfe des Menschen wohl niemals den Weg in ihr neues Brutgebiet geschafft hätten. Zu den bekannten und seit Langem etablierten Neozoen zählen der Jagdfasan und der Höckerschwan, die seit Jahrhunderten in Bayern brüten. Mittlerweile haben sich im Freistaat einige Arten "etabliert".

Rostgans: Seit 1962 wird die Rostgans vermehrt in Bayern beobachtet. Die erste Brut wurde 1993 in der Oberpfalz festgestellt, wo jährlich bis mindestens 1997 ein Paar nistete. Ein weiteres Paar brütete zumindest in den Jahren 2002 und 2003 im Landkreis Günzburg. Im Jahr 2008 konnte ein Brutpaar in Niederbayern beobachtet werden. Die Rostgans ist seit dem Jahr 2001 in Deutschland etabliert.

Mandarinente: Der erste Hinweis auf eine Brut der Mandarinente in Bayern stammt aus dem Jahr 1968. Im Jahr 1971 gelang dann der erste Brutnachweis in München. Die derzeitige Größe des bayerischen Brutbestandes ist unbekannt, jedoch gibt es in München einen Mauserplatz mit knapp 100 Individuen. Die Mandarinente gilt seit dem Jahr 2004 in Deutschland als etabliert.

Nilgans: Der erste Brutnachweis der Nilgans in Bayern gelang im Jahr 1996. Vor allem am Obermain werden seit wenigen Jahren jährlich Brutnachweise dieser Art erbracht. Nach Bauer & Woog (2008) ist die Nilgans ab 2009 als etabliert anzusehen.

Graugans: Der bayerische Brutbestand der Graugans geht vor allem auf frei fliegende Gänse aus Seewiesen ab Mitte der 1950er Jahre zurück. Möglicherweise wurde die seit 1988 stetig wachsende Population in Ostbayern auf natürlichem Weg aus dem Raum Budweis/Südböhmen initiiert, da es Nachweise von mit Halsmanschetten markierten Gänsen aus diesem Raum gibt. Heute ist der Brutbestand sicherlich größer als der Wert von 250 bis 350 Brutpaaren aus dem Jahr 1999.

Kanadagans: Im Jahr 1957 gelang ausgesetzten Kanadagänsen die erste Brut in München. Wie bei der Graugans ist der im Jahr 1999 geschätzte Brutbestand von 80 bis 100 Brutpaaren heute sicherlich überschritten. Die Art ist in Deutschland seit 2004 etabliertes Neozoon.

Weißwangengans: Im Münchener Schlosspark von Nymphenburg wurde 1995 die erste Brut der Weißwangengans gefunden. Im Jahr 2005 wurden hier drei erfolgreiche Bruten registriert. Die Weißwangengans ist in Deutschland noch nicht etabliert.

Streifengans: Im Jahr 1956 wurde eine Kolonie der Streifengans im Max-Planck-Institut in Seewiesen gegründet, wo die Art auch brütet. Seit Jahren brüten einzelne Paare im Englischen Garten in München. Die Streifengans gilt in Deutschland als noch nicht etabliert, da nicht feststeht, ob die Art auch ohne menschlichen Einfluss eine selbst tragende Population aufbauen kann.

Viele der genannten Neozoen sind aus Gefangenschaft entkommen und brüteten anschließend im Freiland. Auch setzten Jäger oder Vogelfreunde und -züchter immer wieder Vögel aus. Diese Ansiedlungen sind aber oft nicht von Dauer. So sind auch Bruten von Schwarzschwan, Schwanengans, Brautente, Rothuhn (2000 eine erfolgreiche Brut), Rosenköpfchen (2002 eine Brut), Wellensittich (1996 eine Brut), Sonnenvogel (1992 eine Brut) und Hirtenmaina (mind. 1999 eine Brut) in Bayern zwar belegt, stellen aber nur Episoden in der Avifauna Bayerns dar.


Gefangenschaftsflüchtlinge oder isolierte Wildvögel

Bei einigen Arten ist es nicht auszuschließen, dass ihre Brutepisoden auf Gefangenschaftsflüchtlinge zurückzuführen sind. Es kann sich natürlich auch um "Ausrutscher" wild lebender Vögel gehandelt haben.

Pfeifente: Die Pfeifente war eventuell Brutvogel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Aischgrund. Von dort sind auch Sommerbeobachtungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bekannt. Ein bis zwei Paare brüteten am Altmühlsee von 1984 bis 1991, wo die Art zurzeit nur als Durchzügler beobachtet wird.

Spießente: Vermutete Brutvorkommen der Spießente sind aus dem späten 19. Jahrhundert und dem 20. Jahrhundert bekannt. Der erste Brutnachweis gelang 1933 im Ismaninger Teichgebiet. Im Laufe des letzten Jahrhunderts gelangen immer wieder einzelne Brutnachweise in verschiedenen Gebieten Bayerns, es kam jedoch zu keiner dauerhaften Ansiedlung. Letzte Brut im Jahr 1994 im Fränkischen Weihergebiet.

Eiderente: In den 1980ern und 1990ern gelangen einzelne Brutnachweise der Eiderente in Unterfranken. Die letzte Brut wurde 1998 festgestellt.

Seidenreiher: Im Jahr 1992 brütete der Seidenreiher erstmals in Bayern und damit zugleich in Deutschland am Altwasser bei Donaustauf. Zwei Paare brüteten im Jahr 1996 in einem Donaualtwasser bei Aholfing und zogen erfolgreich Junge groß. Alle Brutvögel waren mit Nachtreihern vergesellschaftet.

Kleines Sumpfhuhn: Im Jahr 1957 und 1958 bestand lediglich Brutverdacht. In den Jahren 1959 bis 1961 gelangen Brutnachweise bei Gerolzhofen. In der Folgezeit kam es zu weiteren Meldungen zur Brutzeit. Erst im Jahr 1996 wurde erneut eine Brut bei Aholfing/Donau festgestellt. Hier führte ein Paar mindestens zwei Dunenjunge.

Zwergsumpfhuhn: Im Jahr 1955 gelangen zwei Nestfunde des Zwergsumpfhuhns am Bucher Weiher in Franken. Trotz zunehmender Beobachtung dieser heimlichen Ralle sind keine Bruten bekannt geworden.

Stelzenläufer: Der erste Brutversuch des Stelzenläufers wurde bereits im Jahr 1858 registriert, die erste Brut ist aus dem Jahr 1957 belegt. In den Jahren 1964, 1965 und 1967 gab es Brutversuche. Danach brütete erst wieder im Jahr 1998 ein Paar an der Donau bei Straubing und im Jahr 2003 im Rötelsee-Weihergebiet bei Cham.

Säbelschnäbler: Ein Brutnachweis des Säbelschnäblers gelang 1971 am Unteren Inn.

Grünschenkel: In den Jahren 1993 bis 1997 balzte ein Grünschenkelpaar am Brombachsee. Im Jahr 1997 wurde hier ein Gelege gefunden.

Kampfläufer: Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts starb diese Limikole in Bayern aus. 1930 wurde die letzte Brut bei Ismaning festgestellt. Erst 2001 kam es wohl im Wiesmetgebiet in der Nähe des Altmühlsees zu einem Brutversuch.

Silbermöwe: Im Jahr 1987 kam es überraschend zu einer Brut der Silbermöwe am Altmühlsee. Die Altvögel stammten vermutlich aus dem nahen Tiergarten Nürnberg.

Weißbartseeschwalbe: Erfolglose Bruten der Weißbartseeschwalbe wurden aus dem Fränkischen Weihergebiet in der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt. Am Ammersee verteidigte im Jahr 2001 ein Paar sein Revier gegen Lachmöwen. Im Jahr 2002 wurde ein Paar futtertragend beobachtet, das Wochen vorher immer wieder auf Schwimmblättern landete.

Sumpfohreule: Ob die Sumpfohreule alljährlich über einen längeren Zeitraum in Bayern gebrütet hat, ist fraglich. Im Jahr 2005 brüteten nach 1986 wieder einmal drei Paare in Bayern. Seitdem wurden keine weiteren Bruten bekannt.

Zaunammer: Wahrscheinlich war die Zaunammer von 1981 bis 1991 Brutvogel bei Garmisch-Partenkirchen. In dieser Zeit sangen bis zu fünf Männchen am klimatisch begünstigten Südhang des Wanks. Brutnachweise gelangen jedoch nur in den Jahren 1984 und 1985.


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Literatur zum Thema:

Bauer, H.-G. & F. Woog: Nichtheimische Vogelarten (Neozoen) in Deutschland, Teil I: Auftreten, Bestände und Status. Vogelwarte 46: 157-194.

Bezzel, E., I. Geiersberger, G. v. Lossow & R. Pfeifer (2005): Brutvögel in Bayern. Verbreitung 1996 bis 1999. Verlag E. Ulmer, Stuttgart.

Hiller, W. & C. Moning (2008): Die Ansiedlungs- und Ausbreitungsgeschichte der Kolbenente in Bayern. Ornithol. Anz. 47: 130-147.

Schulze-Hagen, K. (2008): Aus den Augen, aus dem Sinn? Vögel und Ihre Lebensräume vor 200 Jahren. Falke 55: 334-341. (PDF auf www.falke-journal.de)

Sudfeldt, C., R. Dröschmeister, C. Grüneberg, A. Mitschke, H. Schöpf & J. Wahl (2007): Vögel in Deutschland - 2007. DDA, BfN, LAG VSW, Münster.

Sudfeldt, C., R. Dröschmeister, C. Grüneberg, S. Jaehne, A. Mitschke & J. Wahl (2008): Vögel in Deutschland - 2008. DDA, BfN, LAG VSW, Münster.

Wüst, W. (1981, 1986): Avifauna Bavariae, Bd. 1 & 2. Ornithol. Ges. Bayern, München.


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Neozoen
Tierarten, "die nach 1492 (dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch Columbus) unter direkter oder indirekter Mitwirkung des Menschen in ein bestimmtes Gebiet gelangt sind, in dem sie vorher nicht heimisch waren, und dort wild leben."

Etablierte Neozoen
Gebietsfremde Arten mit sich selbst tragende(r)n Population(en), die über einen Zeitraum von mindestens 25 Jahren und über mindestens drei Generationen in einem Gebiet existieren und ohne menschliche Hilfe fortbestehen können.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 5/2009
56. Jahrgang, Mai 2009, S. 170-175
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2009