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ORNITHOLOGIE/119: Zwergschwäne in Schleswig-Holstein (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2009

Rekordzahlen bei Rastvögeln: Zwergschwäne in Schleswig-Holstein


Die Eider-Treene-Sorge-Niederung mit ihrem Strukturreichtum bietet zahlreichen Zugvögeln, darunter auch dem Zwergschwan, Möglichkeiten auf dem Zug von den Brut- in die Überwinterungsgebiete neue Reserven aufzubauen. Im Jahr 2008 konnte in Teilen der Niederung über ein Viertel der nordwestsibirischen Zwergschwanpopulation als Wintergäste verzeichnet und die Wichtigkeit als Rastplatz entlang der Zugroute der Zwergschwäne und Natura 2000-Schutzgebiet untermauert werden.


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Zwergschwäne nutzen Schleswig-Holstein vorwiegend als Rastgebiet auf der Wanderung von den Überwinterungsgebieten (Niederlande, Südengland, Irland) zu den arktischen Brutplätzen. Der Zugablauf ist stets ähnlich: ein recht unauffälliger Wegzug im Oktober/November mit einem Jahresmaximum auf dem Heimzug im März. Die Zahl der im Land rastenden Vögel schwankt in Abhängigkeit von der Witterung. Bei langanhaltenden Frostperioden oder wiederholten Kälteeinbrüchen im Spätwinter bleiben Zwergschwäne bis in den Vorfrühling in den Überwinterungsgebieten in Westeuropa. Der Heimzug verläuft dann rasch, sodass die Rastgebiete in Schleswig-Holstein nur kurz genutzt oder überflogen werden. Ohne späte Wintereinbrüche finden sich im Februar und März vor allem im Westen des Landes insgesamt mehrere Tausend rastende Zwergschwäne. Der landesweite Bestand wird von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein und Hamburg erfasst. Er lag bei der letzten Synchronerfassung im März 2005 bei etwa 7400 Vögeln.


Das Hauptrastgebiet

Das bedeutendste Rastgebiet des Zwergschwans in Schleswig-Holstein ist das größte Flussniederungsgebiet des Landes (160 000 ha), die Flusslandschaft Eider-Treene-Sorge zwischen den Städten Husum, Schleswig, Rendsburg und Heide. Charakteris-tisch sind umfangreiche Grünländer entlang der Flüsse Eider, Treene und Sorge, in die Hoch- und Niedermoore sowie Flachseen mit ausgedehnten Röhrichten eingelagert sind. Auf eingestreuten Geestrücken kommen zudem Bauernwälder und Knicks vor. Wegen der Strukturvielfalt bietet die Niederung zahlreichen gefährdeten Vogelarten Lebensraum, zu deren Schutz eine Fläche von gut 15000 ha als EU-Vogelschutzgebiet gemeldet worden ist. Unter den Brutvögeln sind vor allem Rohrdommel, Weißstorch, Singschwan, Rohrweihe, Wiesenweihe, Tüpfelralle, Wachtelkönig, Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Trauerseeschwalbe, Sumpfohreule, Blau- sowie Schwarzkehlchen hervorzuheben. Im Winterhalbjahr wird die Niederung u. a. von Kornweihe, Sumpfohreule und Raubwürger genutzt. Zudem bilden hier Bläss- und Graugänse, Pfeif- und Krickenten, Goldregenpfeifer, Kiebitze und besonders Zwerg- und Singschwäne größere Rastansammlungen.


Zwergschwäne in der Eider-Treene-Sorge-Niederung

Über den Zwergschwanbestand in der Eider-Treene-Sorge-Niederung liegen etwa seit 1980 aussagekräftige Zahlen vor. Seit 2002 führt das Michael-Otto-Institut im NABU hier regelmäßig im Spätwinter Synchronzählungen durch. Bis 1989 hielt sich der Bestand etwa auf einem Niveau von 100 bis 200 Vögeln. Danach stiegen die Zahlen kontinuierlich an. 1990 wurden in der Region 523, 1995 bereits 1769 und seit 2001 mit Ausnahme von Kältewintern regelmäßig über 2000 Zwergschwäne erfasst. Die letzte Zählung am 3. März 2008 ergab dabei ein neues Rekordergebnis von 4370 Individuen. Die Region hat sich damit in den letzten drei Jahrzehnten zum wichtigsten Rastgebiet für den Zwergschwan in Deutschland entwickelt. Die Attraktivität der Niederung beruht auf einer in Deutschland inzwischen selten gewordenen Kombination aus störungsarmen Grünlandflächen mit energiereichen Gräsern und geschützten, ruhigen Schlafgewässern. Die zunehmenden Rastzahlen in der Niederung sind dabei weniger auf einen Bestandsanstieg der Art zurückzuführen, sondern in erster Linie auf Umlagerungen zwischen den einzelnen Rastgebieten in Deutschland. Von 1984 bis 1995 nahm die Gesamtpopulation zwar von ca. 16500 auf 29000 Individuen zu, seitdem ist sie aber wieder rückläufig und umfasste in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends nur noch etwa 20000 Vögel. Aktuell wird sogar lediglich von einem Gesamtbestand von 16000 Exemplaren ausgegangen. Bei der Erfassung im März 2008 hielten sich demnach mehr als 25 % der gesamten nordwestsibirischen Population des Zwergschwans in der Eider-Treene-Sorge-Niederung auf.


Beobachtungsmöglichkeiten

Die Zwergschwäne bevorzugen traditionell bestimmte Bereiche in der Eider-Treene-Sorge-Niederung, während andere Teile der Region von ihnen weitgehend ungenutzt bleiben. Gute Aussichten, in milden und normalen Wintern im Februar und März Schwäne zu Gesicht zu bekommen, bestehen vor allem im Meggerkoog und Börmer Koog zwischen den Ortschaften Bergenhusen, Börm und Meggerdorf, an der Treene zwischen Norderstapel und Bünge sowie an der Eider bei Bargstall und Hamdorfer Weide. Im Auto "getarnt" können die Vögel in diesen Gebieten zum Teil aus nächster Nähe beobachtet werden. Mit einem Spektiv lassen sich mitunter die Hals- und Fußringe der beringten Schwäne ablesen. Erfahrene Ringableser wie Olaf Ekelöf aus Friedrichstadt entdecken in der Niederung auf dem Heimzug in guten Jahren über 100 verschiedene Ringvögel in den Trupps. Dabei lassen sich interessante "life-histories" aufdecken. Wie zum Beispiel von einem in Slimbridge/England vom Wildfowl & Wetlands Trust (WWT) beringten Weibchen, das Olaf Ekelöf im Laufe von 13 Jahren immer wieder in der Niederung beobachten konnte und das letztendlich mindestens 24 Jahre alt geworden ist. Der Ring eines anderen Vogels aus einem niederländischen Beringungsprogramm wurde in einer Zugperiode europaweit 46 Mal abgelesen, sodass sich sein Zug zwischen dem niederländischen Überwinterungsgebiet und dem Brutort in der sibirischen Tundra relativ gut verfolgen ließ. In der Eider-Treene-Sorge-Niederung hielt sich dieser Zwergschwan mindestens vom 27.2. bis zum 1.4.1995 auf und wurde in dieser Zeit 17 Mal gesehen. Neben solchen "herkömmlichen" Ringvögeln treten in den letzten Jahren in der Flusslandschaft auch Schwäne eines neuen Beringungsprojektes des Niederländischen Instituts für Ökologie (NIOO-Knaw) auf, deren Halsringe mit GPS-Sendern versehen sind. Die Sender sollen zusammen mit zusätzlich erhobenen Daten Informationen zur Qualität der Rastgebiete liefern. Um das eindrucksvolle Schauspiel der Zwergschwanrast den Menschen näher zu bringen, werden seit einigen Jahren im März Exkursio nen zum abendlichen Schlafplatzflug der Vögel angeboten (Kontakt: Lokale Aktion Kuno e. V. - "Kulturlandschaft nachhaltig organisieren" - c/o Michael-Otto-Institut im NABU, Tel.: 04885/570, E-Mail: kuno.jeromin@t-online.de).


Knut Jeromin, OAG Schleswig-Holstein und Hamburg
Heike Jeromin, Michael-Otto-Institut im NABU



Literatur zum Thema:

Bezzel, E. (1985): Kompendium der Vögel Mitteleuropas:
Nonpasseriformes - Nichtsingvögel. Aula-Verlag, Wiesbaden.

Busche, G. (1991): Zwergschwan - Cygnus columbianus.
In: Berndt, R. K. & G. Busche (Hrsg.):
Vogelwelt Schleswig-Holsteins, Bd. 3. Wachholtz Verlag, Neumünster.

Delany, S. & D. Scott (2006): Waterbird Population Estimates.
Fourth Edition. Wetlands International.

Glutz von Blotzheim, U. N. (1990):
Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 2. Aula-Verlag, Wiesbaden.



Informationen im Internet:

Michael-Otto-Institut im NABU: http://bergenhusen.nabu.de

Ornithologische Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein
und Hamburg: http://ornithologie-schleswig-holstein.de


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 3/2009
56. Jahrgang, März 2009, S. 110-112
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2009