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MELDUNG/212: Neue Stummelfüßer-Art aus Vietnam identifiziert (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 02.04.2013

Räuberische Schleimspucker auf Stummelfüßen - Neue Stummelfüßer-Art aus Vietnam identifiziert



Wissenschaftler des Senckenberg Forschungsinstitutes in Dresden und der Universität Leipzig haben die erste vietnamesische Art der bisher kaum erforschten Stummelfüßer beschrieben. Bei ihren Untersuchungen erkannten die Forscher charakteristische Erscheinungsmerkmale und konnten die Spezies als neue Art entlarven. Die zugehörige Studie ist kürzlich im Fachjournal Zoologischer Anzeiger erschienen.

Mit bloßem Auge betrachtet, sehen sich Stummelfüßer zum Verwechseln ähnlich. Beim Blick durch das Rasterelektronenmikroskop werden die Tiere um ein Vielfaches (1/10 bis 1/500) vergrößert abgebildet - für die Artbestimmung der Vielbeiner (Onychophora) ist dies eine große Hilfe, um Abweichungen innerhalb der Taxa erkennen zu können. Der Biologe Ivo de Sena Oliveira, Doktorand an der Universität Leipzig und Erstautor des Artikels, studierte zusammen mit einem internationalen Expertenteam die Aufnahmen des Rasterelektronenmikroskops der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden. Oliveira war überrascht, als er bei der vietnamesischen Stummelfüßer-Art eine Reihe charakteristischer Merkmale erkannte, die bisher bei keiner anderen Art beschrieben wurden. Dabei handelt es sich unter anderem um zwei spezifische Hautmuster an der Bauchseite sowie bestimmte Aspekte der männlichen Fortpflanzungsorgane.

Bisher sind ca. 180 Onychophoren-Arten bekannt, erfasst und dokumentiert. Das jüngst beschriebene Exemplar der Spezies Eoperipatus totoro stammt aus dem Cat Tien Nationalpark in der vietnamesischen Provinz Dong Nai. Die Ergebnisse dieser Artbeschreibung unterstützen die Vermutung, dass auch in Vietnams Nachbarländern wie Laos und darüber hinaus Onychophoren vorkommen könnten, so Dr. Georg Mayer, Leiter der AG Evolution & Entwicklung der Tiere am Institut für Biologie der Universität Leipzig. Gebiete der gemäßigten, immer feuchten Bergwälder ziehen sich durch die Länder der Region und stellen optimale Habitate für Stummelfüßer dar. In den nächsten Jahren könnten weitere neue Arten entdeckt werden: "Für die Biodiversitätsforschung ist die Welt noch immer groß und viele Organismen weitgehend unbekannt. In Südostasien gibt es wahrscheinlich eine große Vielfalt an Onychophoren, die noch auf ihre Beschreibung wartet", so Andreas Weck-Heimann vom Museum für Tierkunde der Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden.

Stummelfüßer (Onychophora), die zu der Gruppe der Häutungstiere gehören, besitzen wurmförmige, segmentierte Körper, die von Stummelfüßen (Lobopodien) getragen werden. Die landlebenden, räuberischen Jäger werden zwischen 0,5 und 20 Zentimeter groß und leben überwiegend in feuchten, tropischen und subtropischen Lebensräumen der Südhalbkugel. Ihr Erscheinungsbild erinnert an die ausgestorbenen Lobopodier, die bereits vor über 540 Millionen Jahren die Urmeere bewohnten.

Im englischen Sprachraum werden die nachtaktiven Tiere aufgrund ihrer wasserabweisenden Haut auch Samtwürmer (velvet worms) genannt. Um ihren Hunger zu stillen, greifen sie zu "unsauberen" Methoden. Mit Hilfe eines klebrigen Schleims, den sie bis zu 30 Zentimeter weit verspritzen, machen sie ihre Beute fluchtunfähig. Artgenossen lassen sich durch diese Strategie nicht bändigen, da das Sekret an der samtartigen Haut abperlt. Auf dem Speiseplan der Stummelfüßer stehen Schnecken, Grillen und Spinnen.

Publikation:
Ivo de Sena Oliveira, Stefan Schaffer, Pavel V. Kvartalnov, Eduard A. Galoyan, Igor V. Palko, Andreas Weck-Heimann, Peter Geissler, Hilke Ruhberg, Georg Mayer
(2013) A new species of Eoperipatus (Onychophora) from Vietnam reveals novel morphological characters for the South-East Asian Peripatidae;
Zoologischer Anzeiger - A Journal of Comparative Zoology

Weitere Informationen unter:
http://www.senckenberg.de/presse
http://www.senckenberg.de/root/index.php?page_id=5201&id=24

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Judith Jördens, 02.04.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2013