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GENETIK/212: Wie ein Entwicklungsgen das Fressverhalten steuert (idw)


Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - 15.01.2016

Wie ein Entwicklungsgen das Fressverhalten steuert

Heidelberger Biologen gewinnen am Modellorganismus Fruchtfliege neue Erkenntnisse über ein Hox-Gen


Mit Untersuchungen am Modellorganismus der Fruchtfliege - Drosophila melanogaster - haben Biologen der Universität Heidelberg neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie Fressverhalten kodiert und gesteuert wird. Dazu hat das Wissenschaftlerteam um Prof. Dr. Ingrid Lohmann vom Centre for Organismal Studies (COS) die Funktion eines speziellen Entwicklungsgens aus der Hox-Genfamilie in den Blick genommen. Dieses Gen ist wichtig für die Aufrechterhaltung einer motorischen Einheit im Kopf der Fliege, die aus einem Muskel und den anregenden Neuronen besteht und die Nahrungsaufnahme der Fliege ermöglicht. War das untersuchte Hox-Gen in seiner Funktion beeinträchtigt oder defekt, wurde diese Einheit nicht oder unvollständig ausgebildet und die Tiere verhungerten. Die Forschungsergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Cell Reports veröffentlicht.


"Tiere interagieren mit ihrer Umwelt auf der Basis stereotyper Bewegungsmuster, wie sie beispielsweise beim Laufen, Atmen oder Fressen ausgeübt werden", erklärt Prof. Lohmann, die am Centre for Organismal Studies die Forschungsgruppe Entwicklungsbiologie leitet. "Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass für die Etablierung koordinierter Bewegungsabläufe Hox-Gene wichtig sind, eine Familie von regulativen Genen. Die molekularen Grundlagen des Fressverhaltens haben wir bisher allerdings nicht verstanden." Das Team um Ingrid Lohmann konnte nun an Drosophila melanogaster zeigen, dass ein bestimmtes Hox-Gen - Deformed - nicht nur während der embryonalen Entwicklung die Etablierung der motorischen Einheit zum Fressen kontrolliert. Es ist auch in späteren Lebensphasen dafür zuständig, ihre Funktion aufrecht zu erhalten. Das zeigte sich, als die Forscher das Gen Deformed inaktivierten, nachdem die Embryogenese vollendet und die motorische Einheit erfolgreich ausgebildet war: Die typischen Bewegungsmuster gingen dann trotzdem verloren. Das konnten die Wissenschaftler auf schwerwiegende Veränderungen an den Verknüpfungsstellen zwischen Neuron und Muskel, den Synapsen, zurückführen.

"Unsere Studien zeigen, dass Hox-Gene eine Schutzfunktion in Neuronen ausüben. Sobald dieser Schutz nicht mehr vorhanden ist, degenerieren Neuronen, wie wir es in neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson sehen", erklärt Ingrid Lohmann. Wie Hox-Gene diese Schutzfunktion auf molekularer Ebene ausüben, sollen nun zukünftige Studien zeigen. Das Forschungsprojekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.


Originalveröffentlichung:
J. Friedrich, S. Sorge, F. Bujupi, M.P. Eichenlaub, N.G. Schulz, J. Wittbrodt and I. Lohmann:
Hox Function is required for the Development and Maintenance of the Drosophila Feeding Motor Unit.
Cell Reports (published online 14 January 2016),
doi:10.1016/j.celrep.2015.12.077


Weitere Informationen unter:
www.cos.uni-heidelberg.de/index.php/independent/i.lohmann?l=e

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution5

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Marietta Fuhrmann-Koch, 15.01.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2016

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