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GENETIK/205: Kiwi-Genom entschlüsselt (idw)


Universität Leipzig - 23.07.2015
Gemeinsame Mitteilung der Universität Leipzig und des Max-Planck-Instituts (EVA)

Kiwi-Genom entschlüsselt

Neuseeländisches Nationalsymbol gewährt Einblick in die Evolution der Nachtaktiven


Ungewöhnliche biologische Eigenschaften machen die flugunfähigen Kiwis zu einer einzigartigen Vogelgruppe. Wissenschaftler der Universität Leipzig und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie haben den genetischen Code der vom Aussterben bedrohten Lebewesen sequenziert. Dabei konnten sie wertvolle Rückschlüsse auf die evolutionäre Entwicklung hin zu einem nachtaktiven Vogel mit fehlender Farbsichtigkeit, aber ausgeprägtem Geruchssinn ziehen, die jetzt in der Fachzeitschrift "Genome Biology" publiziert wurden.


Kiwis sind für die Wissenschaft ausgesprochen interessant: Sie haben nur noch rudimentäre Flügel, keinen Schwanz und einen sehr langen Schnabel mit Nasenlöchern an der Spitze. Sie sind hauptsächlich nachtaktive Vögel, haben einen geringen metabolischen Grundumsatz und die geringste Körpertemperatur unter den Vögeln. Bisher gab es allerdings nur wenig genetische Informationen über diese Spezies, die für ein besseres Verständnis ihrer Biologie notwendig wären. Eine internationale Gruppe unter Leitung von Prof. Dr. Torsten Schöneberg vom Institut für Biochemie der Medizinischen Fakultät an der Universität Leipzig und Dr. Janet Kelso vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie haben das Genom des Braunen Kiwi sequenziert.

Die Analysen ergaben genetische Veränderungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf seine Anpassung an das Nachtleben zurückzuführen sind. Beispielsweise sind bei ihm einige Gene für die Farbsichtigkeit inaktiv. Er besitzt eine hohe Diversität an Riechrezeptoren, sein Geruchssinn ist hoch entwickelt. Die Veränderungen in der Vogelspezies liegen geschätzte 35 Millionen Jahre zurück und lassen vermuten, dass sie nach der Besiedelung des Archipels durch den Kiwi stattfanden.

"Schon der französische Botaniker und Zoologe Jean-Baptiste de Lamarck, der im 18. Jahrhundert lebte, postulierte, dass die Evolution nach dem 'use it or lose it'-Prinzip funktioniert. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass die Kiwis die Farbsichtigkeit verloren haben, weil sie bei einer Nachtaktivität nicht mehr notwendig war", sagt Erstautorin Diana LeDuc, Medizinerin an der Universität Leipzig. "Dieser Theorie folgend, entwickelte sich der für die nächtliche Nahrungssuche notwendige Geruchssinn der Kiwis weiter und das Repertoire der Geruchsrezeptoren adaptierte sich an eine breitere Vielfalt."


Wichtige Informationsquelle für Vergleichsanalysen

Die Genomanalyse von zwei Kiwi-Individuen zeigte ersten Schätzungen zufolge jedoch auch eine geringe genetische Variabilität, was den Arterhalt weiter gefährden könnte und bei zukünftigen Zuchtprogrammen berücksichtigt werden muss. "Das Genom des Kiwis ist eine wichtige Informationsquelle für zukünftige, vergleichende Analysen mit anderen ausgestorbenen wie noch lebenden Laufvogelarten", sagt Janet Kelso, Bioinformatikerin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.

Der Kiwi ist nicht nur das nationale Symbol Neuseelands, er kommt auch nur auf dem Archipel vor. Der Braune Kiwi ist eine von zwei flugunfähigen Vogelspezies auf der Nordinsel. Zu seiner Gruppe der sogenannten Ratiten zählen auch die ausgestorbenen Neuseeländischen Moa sowie flugunfähige Laufvögel wie Strauß, Emu und Nandu. Nachdem der Mensch vor 800 Jahren Neuseeland besiedelte, starben viele der dort ansässigen Vogelarten aus. Der Kiwi ist trotz intensiver Schutzmaßnahmen stark bedroht.


Fachveröffentlichung:
Le Duc D., Renaud G., Krishnan A., Sällman Almén M., Huynen L., Prohaska S.J., Ongyerth M., Bitarello B.D., Schiöth H.B., Hofreiter M., Stadler P.F., Prüfer K., Lambert D., Kelso J., Schöneberg T.
Kiwi genome provides insights into evolution of a nocturnal lifestyle
DOI 10.1186/s13059-015-0711-4
Genome Biology, 23. Juli 2015


Weitere Informationen unter:
http://www.uni-leipzig.de/~biochem/mbch_cms Link zum Institut für Biochemie/
- Universität Leipzig

http://www.zv.uni-leipzig.de/index.php?id=674
- Link zur Pressemeldung

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution232

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Leipzig, Diana Smikalla, 23.07.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2015

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