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FORSCHUNG/876: Paläontologie - Globales Saurier-Puzzle (forsch/Uni Bonn)


forsch - Februar 2013
Bonner Universitäts-Nachrichten

Globales Saurier-Puzzle
Paläontologen sind weltweit Fossilien auf der Spur

von Johannes Seiler



Dinosaurier sind keine ewig gestrigen Auslaufmodelle: Ihre Herrschaft dauerte 170 Millionen Jahre. Sie bevölkerten nahezu alle Kontinente. Heute noch sind ihre Spuren und Fossilien über den ganzen Globus verstreut. Wissenschaftler um Professor Dr. Martin Sander vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie fahnden weltweit nach Belegen für Saurier und andere längst ausgestorbene Lebewesen.

"Wir suchen auf der ganzen Welt nach den am besten erhaltenen Fossilien und Fährten, um uns ein möglichst genaues Bild von der Lebensweise und der Entwicklung dieser interessanten ausgestorbenen Tiere machen zu können", berichtet Professor Sander. Neben denen auf dem Land lebenden Dinosauriern gab es noch Meeres- und Flugsaurier. Diese drei Sauriergruppen entwickelten sich getrennt voneinander. Die Rekonstruktion der Arten und ihrer Lebensweisen ist kein leichtes Unterfangen, weil die Saurier-Ära weit zurückliegt und Vergleichsmöglichkeiten mit heute lebenden, ähnlich großen Tieren fehlen.


Informationen aus Knochen, Zähnen und Spuren

Die Wissenschaftler bedienen sich aber zahlreicher Hightech-Methoden, um den Knochen, Zähnen und Spuren Informationen zu entlocken. So untersuchen sie die Knochenmikrostruktur und lesen heraus, ob es sich um ein junges oder ein erwachsenes Tier gehandelt hat. Aus der Calcium-Isotopenzusammensetzung schließen die Paläontologen auf Stoffwechsel und Ernährung der Saurier. Mithilfe von Analysen des Zahnschmelzes entwickelten die Wissenschaftler mit US-Kollegen sogar ein "Thermometer", mit dem sich posthum die Körpertemperatur bestimmen lässt. Für einige große pflanzenfressende Dinosaurier lag sie überraschend konstant bei 36 bis 38 Grad.

Um all die vielen Daten zusammenzutragen, kooperieren die Forscher der Universität Bonn mit Fachkollegen weltweit. "Die Paläontologie ist als kleines Fach seit jeher auf internationale Kontakte angewiesen", sagt Professor Sander. Doch nach wie vor ist der ganz persönliche Blick vor Ort gefragt: "Es ist schon sehr wichtig, die Fundstellen mit eigenen Augen zu untersuchen, damit einem keine wichtigen Informationen entgehen", berichtet der Paläontologe. Deshalb gehören Reisen quer über die Kontinente zum Alltag der Saurierforscher.


Fährten suchen in den USA

So ist Sashima Läbe, von der Studienstiftung geförderte Doktorandin im Team von Professor Sander, vor kurzem aus den USA zurückgekehrt. In Colorado, Utah, Arizona und Texas untersuchte sie an sechs verschiedenen Fundstellen Trittsiegel von Langhals-Dinosauriern. "Ich habe dort viele Fotos der Fährten aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln gemacht", berichtet Läbe. "Eine spezielle Software berechnet daraus ein dreidimensionales Modell der Abdrücke." Anhand der Tiefe der Fußabdrücke, deren Abstände und der Gesteinsanalyse lässt sich dann mit Hilfe von Grundbau-Ingenieuren der Universität Bochum bestimmen, wie groß und schwer die Dinosaurier waren.

Den Spuren auf der Spur sind die Paläontologen auch im Dinosaurier-Park Münchehagen bei Hannover. Unter Beteiligung der Universität Bonn werden dort die fossilen Hinterlassenschaften des Europasaurus untersucht. Mehrere Hunderte Kilogramm Gewicht und sechs Meter Länge lassen ihn auf den ersten Blick imposant erscheinen - unter den Sauropoden gehörte er jedoch zu den Zwergen. Darüber hinaus fanden die Forscher in Münchehagen auch Zähne und Fußspuren von Fleischfressern, die nun genauer untersucht werden.


Leben nach der Katastrophe

Vor rund 250 Millionen Jahren gab es eine globale Katastrophe, bei der ein Großteil des Lebens an Land und in den Ozeanen ausgelöscht wurde. Ob ein Meteoriteneinschlag, Vulkanismus oder ein Klimawandel die Ursache des Artensterbens war, ist bis heute unklar. "Auffallend im Fossilbericht ist jedoch, dass nur drei Millionen Jahre nach dieser Katastrophe eine Fülle von Meeresreptilien auftrat", sagt Professor Sander. Der weltweite Vergleich der Fundstellen ist wichtig, um deren Entwicklung und Ausbreitung zu rekonstruieren und vielleicht einmal den Vorfahren zu entdecken.

Nach der großen Katastrophe waren weite Teile Mitteleuropas vor rund 245 bis 205 Millionen Jahren von einem flachen Meer bedeckt. Darin lebten Reptilien, deren fossile Knochen und Spuren man heute etwa in den Niederlanden, Deutschland und Polen finden kann. Im niederländischen Winterswijk erforscht Dr. Nicole Klein die Überreste.


Siegeszug der Meeresreptilien

In Japan, China und auch in Nevada (USA) graben die Wissenschaftler und sammeln Informationen über die Fischsaurier. Als Anpassung an das Meer erfolgte bei diesen Meeresreptilien eine Erhöhung der Stoffwechselrate, die bereits in Richtung der Warmblütigkeit weist und zu größerem Wachstum führte. "Ein schnelles Wachstum und eine hohe Ausdauerleistung durch eine annähernd konstante Körpertemperatur waren eine unbedingte Voraussetzung für den Siegeszug der Meeresreptilien", sagt Professor Sander. "Die Trias vor etwa 251 bis 200 Millionen Jahren war so etwas wie das Experimentierfeld der Wirbeltierevolution." Es war der Startschuss für die moderne Lebewelt mit dem Auftreten der ersten Säugetiere, von denen sich auch der Mensch ableitet.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Winterswijk: Wissenschaftler betrachten eine Platte, die eine Reptilienspur zeigt.
- Rückenwirbel eines Langhalssauriers mit Pflanzenresten, deren ursprüngliche Interpretation als Mageninhalt sich nicht bestätigte.
- Professor Dr. Martin Sander bei einer Grabung im Briar Creek Bonebed in Nord-Texas (USA).
- Diese Wüstenlandschaft in Utah (USA) ist eine wichtige Fundstelle für Langhalssaurier (Sauropoden).
- Postdoc Shoji Hayashi zeigt auf ein vom Tsunami verschontes Skelett eines 240 Millionen Jahre alten Fischsauriers. Aufgenommen im August 2012 in Utatsu (Nordostjapan).
- Sashima Läbe bei der Aufnahme der Fährten im Dinosaur Valley State Park bei Glen Rose (Texas, USA) im Sommer 2012. Die Wissenschaftlerin des Steinmann-Instituts untersuchte noch weitere Dinosaurierfährten-Fundstellen in Nordamerika.

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Quelle:
forsch - Bonner Universitäts-Nachrichten, Februar 2013, Seite 14-15
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forsch erscheint viermal pro Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2013