Sterne und Weltraum 5/16 - Mai 2016
Zeitschrift für Astronomie
Kurzbericht
ExoMars 2016 - Europas nächster Vorstoß zum Roten Planeten
Von Tilmann Althaus
Mit dem erfolgreichen Start von ExoMars 2016 beginnt eine groß angelegte Forschungsoffensive der Europäischen Weltraumagentur ESA auf den Roten Planeten. Die Raumsonde soll am 19. Oktober 2016 beim Mars ankommen. Der Autor verfolgte den Start vor Ort im Europäischen Weltraumoperationszentrum ESOC in Darmstadt.
Ein großes Aufatmen und Jubel überall gab es am späten Abend des 14.
März 2016 im ESOC: Rund zwölf Stunden lang hatten die
Missionskontrolleure, Wissenschaftler und Gäste warten, bangen und
hoffen müssen. Erst dann war klar, dass die neueste europäische
Raumsonde ExoMars 2016 in eine Transferbahn zum Roten Planeten gelangt
war und den Start heil überstanden hatte. Sie ist ein Teil des
internationalen Programms ExoMars, mit dem die Europäische
Raumfahrtagentur ESA den Mars gründlich untersuchen möchte (siehe SuW
3/2016, S. 40). An ExoMars ist neben den Mitgliedsländern der ESA auch
die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos als gleichberechtigter
Partner beteiligt und stellt unter anderem die Trägerraketen.
ExoMars 2016 besteht aus zwei Hauptelementen, dem Trace Gas Orbiter zur Erkundung der Oberfläche sowie der Atmosphäre des Roten Planeten und einem Landemodul namens Schiaparelli, das Technologien für eine weiche Landung erproben wird. Die Ankunft beim Roten Planeten ist für den 19. Oktober 2016 vorgesehen.
Begonnen hatte alles um 10:31 Uhr MEZ, als vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan eine Trägerrakete des Typs Proton-M abhob. Sie flog in eine graue geschlossene Wolkendecke hinein. So verschwand sie - sehr zur Enttäuschung der Zuschauer - schon rund eine halbe Minute nach dem Abheben aus dem Blick der Kameraaugen. Aber die Daten aus Russland zeigten, dass sich die Proton streng an ihren Flugplan hielt. Die drei Stufen der Proton-M arbeiteten einwandfrei, so dass nach rund zehn Minuten in einer Höhe von 153 Kilometern die vierte und letzte Raketenstufe mit der Bezeichnung Breeze-M die weiteren Flugmanöver übernehmen konnte. Sie musste dann für rund sechs Minuten brennen, bis sie sich zusammen mit ExoMars 2016 in einem kreisförmigen Parkorbit in 175 Kilometer Höhe befand. Damit hatte der erste Abschnitt der Reise nur 17 Minuten gedauert, ganz ähnlich wie bei den Starts anderer Planetensonden.
Nun war eine deutliche Entspannung im ESOC zu spüren, denn die erste Etappe der Reise zum Mars war erfolgreich verlaufen. Allerdings erinnerten sich viele Raumfahrtveteranen mit Unbehagen daran, dass die beiden letzten russischen Marsmissionen Mars 96 und Phobos-Grunt (2011) bis zu diesem Punkt auch viel versprechend aussahen, worauf die Enttäuschung auf dem Fuß folgte.
Die Eigentümlichkeiten des verwendeten Raketensystems sorgten für die zwölf Stunden lange Geduldsprobe, bis über Top oder Flop entschieden war. Bei den meisten anderen Planetensonden verbringt die Oberstufe mitsamt ihrer Nutzlast maximal rund eine Stunde auf der Parkbahn, bis die optimale Position für den Einschuss in eine Erdfluchtbahn erreicht ist. Dann zündet das Triebwerk für einige Minuten, und kurze Zeit später ist die Raumsonde auf dem Weg zu ihrem Ziel.
Beim Start von ExoMars im März 2016 kam, wie bei allen Starts einer Proton-M, die Oberstufe Breeze-M zum Einsatz. Sie verfügt über ein mit 20 Kilonewton recht schubschwaches Triebwerk, das für den Transport von Satelliten in die geostationäre Bahn optimiert ist. Die Oberstufe hatte zusammen mit ExoMars eine Gesamtmasse von 26,5 Tonnen. Um die Raumsonde auf den Weg zum Roten Planeten zu bringen, mussten daher mehrere Zündungen der Oberstufe eingeplant werden.
Das erste Schubmanöver brachte die Sonde in eine elliptische Bahn, die sie bis zu 5500 Kilometer von der Erde wegführte. Ein Umlauf dauerte rund zwei Stunden. Bei Erreichen des erdnächsten Punkts begann das nächste Schubmanöver, denn nur im Perigäum ließ sich die erwünschte Bahnänderung erzielen. Das zweite Manöver erhöhte den größten Erdabstand auf 21.000 Kilometer; auf dieser Bahn benötigte die Sonde rund sechs Stunden, bis sie wieder in Erdnähe war. Erst gegen 21 Uhr MEZ erfolgte dann das letzte Schubmanöver, das ExoMars 2016 endlich auf den Weg brachte.
Während der ganzen Zeit waren die Missionskontrolleure der ESA zum Zuschauen verdammt, denn vom Start bis zum Abflug von der Erde wickelte die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos den Flugverlauf ähnlich wie eine Spedition ab. Nachdem die Breeze-M-Oberstufe ihre Arbeit getan und sich von der Sonde gelöst hatte, begann ein besonders heikler Abschnitt des Flugs: Um die Batterien von ExoMars 2016 zu schonen, bestand nach der Abtrennung der Oberstufe für mehr als eine Stunde noch kein Funkkontakt zur Sonde. Sie musste für zwölf Stunden überwiegend auf ihre Energiereserven zurückgreifen und sehr sparsam damit umgehen, da ihre Solarzellenausleger für den Start und die nachfolgenden Manöver noch zusammengeklappt waren. In diesem Zeitraum aktivierte sich ExoMars 2016 völlig autonom und ohne Kontrolle der Bodenstation, wobei auch die Solarzellen ausgefahren und zur Sonne ausgerichtet wurden.
Nun hieß es also warten und das Beste hoffen. Gebannt blickten die Missionskontrolleure und Zuschauer auf einen Monitor im Kontrollraum, auf dem ab 22:29 Uhr MEZ das Funksignal der Sonde zu sehen sein sollte. Zunächst zeigte sich nur Rauschen. Dann erschienen plötzlich drei schwache Spitzen, die etwas über den Rauschgrund hinausragten. Wenige Sekunden später hatte der Empfänger in der spanischen Bodenstation Maspalomas das Signal eingefangen, das nun kräftig und klar hereinkam und auch erste technische Daten enthielt.
Jetzt erst stand fest, dass ExoMars 2016 exakt auf Marskurs ist und die langwierige Startprozedur unbeschadet überstanden hatte. In den kommenden Wochen wird die Sonde nun im Detail daraufhin überprüft, ob alle Geräte und die wissenschaftlichen Instrumente problemlos funktionieren. Leider wird es keine Bilder von der zurückweichenden Erde oder dem Mond geben. Den Missionskontrolleuren ist das Risiko zu groß, dass versehentlich die Sonne direkt in die Kamera hineinleuchtet und sie dadurch zerstören könnte. Während des rund sieben Monate dauernden Flugs zum Mars wird es Instrumententests geben, aber im Allgemeinen werden die sieben Monate Flugzeit zum Mars ziemlich ruhig verlaufen. Dies wird sich am erst 19. Oktober 2016 drastisch ändern, wenn der Rote Planet in Sicht kommt.
Baldwin, E.: ExoMars: Auf der Suche nach Leben auf dem Roten Planeten. In: Sterne und Weltraum 3/2016, S. 40-50
Pressemitteilung der ESA: ExoMars auf dem Weg zur
Entschlüsselung der Geheimnisse des Roten Planeten.
http://goo.gl/lbFVW1, 14. März 2016
Didaktische Materialien:
www.wissenschaft-schulen.de/artikel/1128723
Videotipp
AstroViews 15:
Abenteuer Mars - Reise zum roten Planeten
www.sterne-und-weltraum.de/astroviews15
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Didaktische Materialien zu diesem Beitrag
Was ist WIS?
Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« wendet sich an
Lehrerinnen und Lehrer, die ihren naturwissenschaftlichen Unterricht
mit aktuellen und praktischen Bezügen anschaulich und
abwechslungsreich gestalten wollen - und an Schülerinnen und Schüler,
die sich für Vorgänge in der Natur begeistern und ein tieferes
Verständnis des Universums gewinnen möchten.
Um diese Brücke von der Wissenschaft in die Schulen zu schlagen, stellt WIS didaktische Materialien als PDF-Dokumente zur Verfügung (kostenloser Download von unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de).
Mit Hilfe der ID-Nummer sind diese auf der Seite www.wissenschaft-schulen.de/artikel/ID-Nummer als Download unter dem Link »Zentrales WiS!-Dokument« zugänglich.
WiS in Sterne und Weltraum
Für den Kurzbericht »ExoMars 2016 - Europas nächster Vorstoß zum Roten
Planeten« eignet sich »Der Weg zum Mars«: Warum sind die Start-
und Landedaten von Planetenmissionen nicht beliebig verteilt, sondern
folgen einem Muster? Der WIS-Beitrag enthält Arbeitsblätter, deren
Ziel es ist, die genaue Streckenführung einer Reise zum Mars zu
konstruieren und den richtigen Reisebeginn zu ermitteln. Fußend auf
den Ergebnissen dieser Aufgaben wird in einer Projektaufgabe eine in
Ort und Zeit maßstabsgetreue Animation dieser Reise auf dem Computer
und für ein Fingerkino erzeugt.
(ID-Nummer: 1128723)
Ebenfalls geeignet ist der WIS-Beitrag »Nach Hause telefonieren -
Kommunikation zwischen Raumsonden und der Bodenstation«: Eine der
Herausforderungen von Missionen, die weit in den Weltraum vorstoßen,
ist die Kommunikation über die riesigen Entfernungen hinweg. Dabei
sind sorgfältige Überlegungen hinsichtlich Frequenz, Bauform und Größe
der Antennen, Sender- und Empfängerdesign, Modulationsart et cetera
nötig, um eine funktionsfähige Funkstrecke zu erhalten.
(ID-Nummer: 1128719)
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:
Abb. S. 24:
Eine Trägerrakete vom Typ Proton-M brachte am 14. März 2016 die rund
4,3 Tonnen schwere Raumsonde ExoMars 2016 auf den Weg zum Roten
Planeten. Die Rakete hob vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in
Kasachstan ab.
Abb. S. 25 oben:
Das Landemodul Schiaparelli (hier ein 1:1-Modell im ESOC, Darmstadt)
soll am 19. Oktober 2016 auf dem Roten Planeten aufsetzen. Falls die
Landung gelingt, kann Schiaparelli bis zu acht Tage lang Messdaten der
Atmosphäre von der Oberfläche senden.
Abb. S. 25 unten:
Der Moment der Wahrheit: Um 22:29 Uhr MEZ trafen am 14. März 2016 die
ersten Funksignale der Raumsonde ExoMars ein. Die Sonde befand sich
schon auf der Transferbahn zum Mars und war bereits 30.000 Kilometer
von der Erde entfernt. Dieses von einem Monitor im ESOC-Kontrollraum
abfotografierte Diagramm zeigt die Trägerwelle in der Mitte und die
Seitenbänder der Funkübertragung.
Der Artikel ist als PDF-Datei mit Abbildungen abrufbar unter:
http://www.spektrum.de/pdf/suw-2016-05-s024-pdf/1405879
© 2016 Tilmann Althaus, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg
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Quelle:
Sterne und Weltraum 5/16 - Mai 2016, Seite 24 - 25
URL: http://www.spektrum.de/pdf/suw-2016-05-s024-pdf/1405879
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie)
Redaktion Sterne und Weltraum:
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Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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E-Mail: suw@spektrum.de
Internet: http://www.astronomie-heute.de
Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 8,20 Euro, das Abonnement 89,00 Euro pro Jahr.
veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2016
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