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PLANET/597: Unerwartete Veränderungen der hellen Flecken auf Ceres beobachtet (idw)


Max-Planck-Institut für Astronomie, ESO Science Outreach Network - 16.03.2016

Unerwartete Veränderungen der hellen Flecken auf Ceres beobachtet


Pressemitteilung der Europäischen Südsternwarte (Garching) - Beobachtungen mit dem HARPS-Spektrografen am La Silla-Observatorium der ESO in Chile haben unerwartete Veränderungen in hellen Flecken auf dem Zwergplaneten Ceres zu Tage gebracht. Obwohl Ceres von der Erde aus nur als etwas hellerer Lichtpunkt erscheint, zeigt sich bei hochpräzisen Untersuchungen des von Ceres ausgesandten Lichts nicht nur die Veränderung, die man durch die Rotation des Zwergplaneten erwarten würde, sondern auch, dass die Flecken am Tag aufhellen und außerdem noch andere Schwankungen aufweisen. Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass das Material der Flecken flüchtig ist und im warmen Sonnenlicht verdunstet.


Bild: © NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA

Die hellen Flecken auf Ceres, aufgenommen von der Dawn-Raumsonde.
Bild: © NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA


Ceres stellt den größten Körper im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter dar und ist das einzige dieser Objekte, das als Zwergplanet eingestuft wird. Die Dawn-Raumsonde der NASA befindet sich seit mehr als einem Jahr in der Umlaufbahn von Ceres und hat seine Oberfläche sehr detailliert kartiert. Eine der größten Überraschungen dabei ist die Entdeckung sehr heller Flecken gewesen, die um einiges mehr Licht reflektieren, als ihre deutlich dunklere Umgebung [1]. Der markanteste dieser Flecken liegt innerhalb des Occator-Kraters und weist darauf hin, dass Ceres eine deutliche lebhaftere Welt als die meisten seiner Asteroiden-Nachbarn sein könnte.

Neue und sehr präzise Beobachtungen mit dem HARPS-Spektrografen am 3,6 -Meter-Teleskop der ESO auf La Silla in Chile haben jetzt nicht nur die Bewegung der Flecken aufgrund der Rotation von Ceres um ihre Achse entdeckt, sondern fanden auch unerwartete zusätzliche Veränderungen, die darauf hinweisen, dass die Materie in den Flecken flüchtig ist und im Sonnenlicht verdunstet.

Paola Molaro vom INAF-Astronomischen Observatorium in Trieste, der Estautor der Studie, erzählt: "Als die Dawn-Raumsonde die mysteriösen hellen Flecken auf der Oberfläche von Ceres zeigte, dachte ich sofort an die möglichen messbaren Effekte von der Erde aus. Wenn Ceres rotiert, nähern sich die Flecken der Erde und entfernen sich wieder, was das Spektrum des reflektierten Sonnenlichts beeinflusst, das die Erde erreicht."

Ceres dreht sich einmal in neun Stunden um sich selbst und Berechnungen zeigten, dass der Effekt durch die Bewegung der Flecken in Richtung zur Erde und von ihr weg aufgrund der Rotation sehr gering sein würden: in der Größenordnung von nur 20 Kilometern pro Stunde. Diese Bewegung ist jedoch ausreichend, um über den Doppler-Effekt mit Hochpräzessionsinstrumenten wie HARPS nachgewiesen werden zu können.

Das Team beobachtete Ceres mit HARPS für etwas mehr als zwei Nächte im Juli und August 2015. "Das Ergebnis war eine Überraschung", fügt Antonino Lanza vom INAF-Astrophysikalischen Observatorium in Catania und Koautor der Studie hinzu. "Wir haben die erwarteten Änderungen im Spektrum aufgrund der Rotation von Ceres gefunden, aber mit erheblichen Schwankungen von Nacht zu Nacht."

Das Team kam zu dem Schluss, dass der Grund für die beobachteten Änderungen im Vorhandensein flüchtiger Substanzen zu finden sein könnte, die unter dem Einfluss der Sonneneinstrahlung verdunstet [2]. Wenn sich die Flecken innerhalb des Occator-Kraters auf der Seite befinden, die von der Sonne angestrahlt wird, bilden sich Schwaden, die das Sonnenlicht sehr wirksam reflektieren. Diese Schwaden verdunsten dann kurzerhand, verlieren an Reflexionsvermögen und bewirken die beobachteten Veränderungen. Dieser Effekt ändert sich jedoch von Nacht zu Nacht, was zusätzliche zufällige Muster auslöst, sowohl auf kürzeren als auch auf längeren Zeitskalen.

Sollte sich diese Interpretation bestätigen, scheint es, als unterscheide sich Ceres sehr von Vesta und den anderen Asteroiden des Hauptgürtels. Obwohl sie räumlich relativ isoliert ist, scheint sie im Inneren aktiv zu sein [3]. Es ist bekannt, dass es auf Ceres reichlich Wasser gibt, es ist jedoch unklar, ob dies in Zusammenhang mit den hellen Flecken steht. Die Energiequelle, die diesen kontinuierlichen Austritt an Materie von der Oberfläche antreibt, ist ebenfalls noch unbekannt.

Dawn wird Ceres und das Verhalten der mysteriösen Flecken weiterhin untersuchen. Auch nach dem Ende der Weltraummission wird es möglich sein, mit HARPS und anderen Anlagen Beobachtungen vom Erdboden aus fortzuführen.


Endnoten

[1] Helle Flecken waren mit deutlicher weniger Klarheit auch in früheren Bildern von Ceres vom Hubble-Weltraumteleskop der NASA/ESA zu sehen, die zwischen 2003 und 2004 aufgenommen wurden.

[2] Man vermutet, dass es sich bei der hochreflektierenden Materie in den Flecken auf Ceres um frisch ausgetretenes Wassereis oder hydratisierte Magnesium-Sulfate handeln könnte.

[3] Viele der am im Inneren aktivsten Körper im Sonnensystem, wie die großen Trabanten von Jupiter und Saturn, sind aufgrund ihrer Nähe zu den massereichen Planeten starken Gezeitenkräften ausgesetzt.


Zusatzinformationen

Die hier präsentierten Forschungsergebnisse von P. Molaro et al. sind unter dem Titel "Daily variability of Ceres' Albedo detected by means of radial velocities changes of the reflected sunlight" in der Fachzeitschrift Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erschienen.

Die beteiligten Wissenschaftler sind P. Molaro (INAF-Osservatorio Astronomico di Trieste, Triest, Italien), A. F. Lanza (INAF-Osservatorio Astrofisico di Catania, Catania, Italien), L. Monaco (Universidad Andres Bello, Santiago, Chile), F. Tosi (INAF-IAPS Istituto di Astrofisica e Planetologia Spaziali, Rom, Italien), G. Lo Curto (ESO, Garching), M. Fulle (INAF-Osservatorio Astronomico di Trieste, Triest, Italien) und L. Pasquini (ESO, Garching).

Die Europäische Südsternwarte (engl. European Southern Observatory, kurz ESO) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch 16 Länder: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO verfügt über drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Chile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist einer der Hauptpartner bei ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Auf dem Cerro Armazones unweit des Paranal errichtet die ESO zur Zeit das European Extremely Large Telescope (E-ELT) mit 39 Metern Durchmesser, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird.

Die Übersetzungen von englischsprachigen ESO-Pressemitteilungen sind ein Service des ESO Science Outreach Network (ESON), eines internationalen Netzwerks für astronomische Öffentlichkeitsarbeit, in dem Wissenschaftler und Wissenschaftskommunikatoren aus allen ESO-Mitgliedsländern (und einigen weiteren Staaten) vertreten sind. Deutscher Knoten des Netzwerks ist das Haus der Astronomie in Heidelberg.


Weitere Informationen unter:

http://www.eso.org/public/germany/news/eso1609/?nolang
- Webversion der Pressemitteilung mit weiteren Bildern und einem Video

http://www.eso.org/public/archives/releases/sciencepapers/eso1609/eso1609a.pdf
- Fachartikel

https://www.eso.org/public/germany/images/archive/search/?adv=&subject_name=3.6
- Fotos vom 3,6-Meter-Teleskop der ESO und HARPS

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1413

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Astronomie, ESO Science Outreach Network
(Dr. Carolin Liefke), 16.03.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2016

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