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PLANET/476: Vorstoß ins Sonnensystem - Teil 2, Die Gasriesen (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 9/12 - September 2012
Zeitschrift für Astronomie

Vorstoß ins Sonnensystem
Teil 2: Die Gasriesen, ihre Monde und die Kleinkörper

Von Harald Krüger



Die Erkundungen mit Raumsonden haben in den letzten 50 Jahren unser Wissen über das Planetensystem revolutioniert. Insbesondere die Gasriesen des äußeren Sonnensystems und die Kleinkörper bilden Prüfsteine für die gegenwärtigen Modelle der Planetenentstehung.


JUPITER
Größter und massereichster Planet des Sonnensystems, besteht überwiegend aus Wasserstoff und Helium, weist ein dünnes Ringsystem und 67 Monde auf.
SATURN
Besitzt die imposantesten Ringe des Sonnensystems, Dichte geringer als Wasser, ist stark abgeplattet, wird von mindestens 62 Monden begleitet.
URANUS
Erster Planet, der mit dem Teleskop entdeckt wurde (1781), hat eine extreme Achsenneigung von 98 Grad, ist von einem dünnen Ringsystem und 27 Monden umgeben.
NEPTUN
Äußerster Planet des Sonnensystems, wurde 1846 mit Hilfe von mathematischen Vorhersagen entdeckt, dünnes Ringsystem mit dickeren Ringbögen, mindestens 13 Monde.


In der Augustausgabe von SuW habe ich dargestellt, wie sich unsere Kenntnisse über die erdähnlichen Planeten in den vergangenen 50 Jahren erweitert haben. In diesem Teil wende ich mich nun der Erforschung des äußeren Sonnensystems und der Kleinkörper zu. Die ersten Vorbeiflüge von Raumsonden an Jupiter und Saturn erfolgten in den späten 1970er Jahren; Uranus und Neptun wurden erst in den 1980er Jahren aus der Nähe erforscht.


Die Gasriesen und ihre Monde

Das äußere Sonnensystem wird von den Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun dominiert. Alle vier werden von Monden umkreist, allerdings von unterschiedlich vielen sehr verschiedener Größe. Vor 50 Jahren waren insgesamt erst 28 Monde bekannt, heute sind es 169, von denen die meisten aber sehr klein sind. Die vier größten Jupitermonde wurden bereits 1610 vom italienischen Astronomen Galileo Galilei (1564-1642) entdeckt und später nach ihm Galileische Monde genannt. Galilei erkannte auch, dass das Jupitersystem eine Art von Sonnensystem im Kleinen ist.

Jupiter mit der 318-fachen Erdmasse wird auch als »König des Sonnensystems« bezeichnet, denn er vereinigt rund zwei Drittel der Gesamtmasse aller Planeten auf sich und ist der bei Weitem größte Sonnentrabant. Schon in einem kleinen Amateurfernrohr fällt seine gestreifte und vielfarbige Atmosphäre auf. Ein besonderes Merkmal ist der Große Rote Fleck, der seit dem 17. Jahrhundert bekannt ist und seitdem immer wieder beobachtet wurde. Er ist ein äußerst stabiles, riesiges Wirbelsturmsystem, dessen Durchmesser die Größe der Erde deutlich übertrifft (Bild in der Druckausgabe). Jupiter rotiert mit einer Periode von weniger als zehn Stunden rasend schnell, was ebenfalls zu seinem variablen Anblick beiträgt.

Die Erscheinung Saturns wird durch sein prächtiges Ringsystem beherrscht, das sich bereits mit einem kleinen Teleskop erkennen lässt. Galileo Galiei hat es schon gesehen, konnte sich seine mit Fernrohren geringer Qualität gemachten Beobachtungen aber nicht plausibel erklären. Erst Christiaan Huygens erkannte 1656 mit Hilfe wesentlich besserer Fernrohre, dass es sich um ein frei schwebendes Ringsystem handelt, das den Planeten an keiner Stelle berührt. In größeren Teleskopen zeigen sich in der Saturnatmosphäre einzelne schwache Bänder, die aber längst nicht so deutlich ausgeprägt sind wie die Wolkenbänder von Jupiter.

Mittlerweile wurden bei allen vier Gasplaneten Ringsysteme entdeckt, von denen aber das des Saturn das mit Abstand hellste und eindrucksvollste ist. Es lässt sich als einziges direkt im Teleskop beobachten. Die Gasplaneten strahlen mehr Energie ab, als sie von der Sonne bekommen. Wahrscheinlich entsteht diese Überschussenergie durch die noch anhaltende langsame Kontraktion der Planetenkörper unter der Wirkung ihrer eigenen Schwerkraft. Bei den Gasplaneten sehen wir keine feste Oberfläche, sondern blicken auf ihre äußersten Atmosphärenschichten.


Jupiter - der größte der Gasriesen
Zwar waren die Astronomen schon früh davon ausgegangen, dass die im Fernrohr sichtbare farbige und veränderliche Oberfläche von Jupiter Wolken in einer dichten Atmosphäre sind. Als solche wurde sie bereits in den 1930er Jahren nachgewiesen, als sich bei spektroskopischen Untersuchungen des vom Planeten reflektierten Sonnenlichts Absorptionsbanden von Methan und Ammoniak fanden. Die Hauptbestandteile der Atmosphäre sind jedoch Wasserstoff und Helium. Außerdem enthält die Gashülle Spuren von Wasserdampf, Ethan, Schwefelwasserstoff, Neon, Sauerstoff, Phosphin und Schwefelverbindungen. Aber erst im 20. Jahrhundert setzte sich die Erkenntnis durch, dass Jupiter und die anderen Gasplaneten keine festen Oberflächen besitzen, sondern die Gase zum Zentrum hin immer dichter und heißer werden.

Jupiter ist ständig von in der Atmosphäre treibenden dichten Wolken aus Ammoniakkristallen und möglicherweise Ammoniumhydrosulfid (NH4SH) eingehüllt. Die Wolken sind in Bändern angeordnet, die parallel zum Äquator verlaufen und jeweils eine orange oder braune Färbung besitzen. Die Zonen und Bänder variieren in Farbe, Ausdehnung und Intensität. Durch Wechselwirkungen dieser verschiedenen Zonen untereinander kommt es zu starken Stürmen mit Windgeschwindigkeiten von 300 Kilometern pro Stunde und mehr. Die Schicht aus Ammoniakwolken ist nur etwa 50 Kilometer dick, darunter dürften sich Wolken aus Wassereiskristallen befinden.

Bei den Vorbeiflügen von Raumsonden wurde das Schwerefeld des Riesenplaneten und seine chemische Zusammensetzung untersucht. Mit diesen Angaben und aus theoretischen Modellen ergaben sich daraus auch Informationen über seinen inneren Aufbau. Jupiter besteht ähnlich wie die Sonne zum ganz überwiegenden Teil aus Wasserstoff und Helium. Jedoch machen diese beiden Elemente nur etwa 90 Prozent seiner Masse aus, bei der Sonne sind es dagegen 98 Prozent. Die schwereren Elemente sind bei Jupiter drei- bis fünfmal so häufig vertreten wie in der Sonne: eine Folge der Entstehungsgeschichte des Planeten. Unterhalb der Atmosphäre befindet sich eine Zone, die hauptsächlich aus flüssigem molekularen Wasserstoff besteht. Weiter nach innen schließt sich ein Bereich an, in dem der Wasserstoff infolge des hohen Drucks metallischen Charakter hat. Im Zentrum befindet sich wahrscheinlich ein fester Kern aus Gestein und Eis, der eine Masse von etwa zehn Erdmassen haben dürfte.

Jupiter wird im Jahr 2016 neuen irdischen Besuch erhalten, wenn die US-Raumsonde Juno bei ihm eintrifft und vor allem die mächtige Magnetosphäre und die Atmosphäre des Gasriesen untersucht. Zudem soll eine Weitwinkelkamera aufregende Bilder der Wolkendecke liefern, da sich Juno auf ihren Umläufen dem Planeten auf 5000 Kilometer nähern wird. Auch Europa möchte erstmals zu den Gasriesen vorstoßen: Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA plant für das Jahr 2022 den Start der Jupitermission JUICE, den »JUpiter ICy moon Explorer«. JUICE soll den Gasriesen 2030 erreichen und ihn, seine Monde und Ringe für mehrere Jahre im Detail erkunden.


Der Hofstaat des Riesen

Wie es sich für einen König geziemt, wird Jupiter von einem stattlichen Gefolge begleitet. Derzeit sind 67 Jupitertrabanten bekannt. Vier von ihnen sind so groß, dass sie für sich betrachtet schon beinahe als Planeten gelten könnten. Der innerste der vier großen Monde ist Io, der aus geologischer Sicht besonders spannend ist. Nur wenige Wochen vor der Ankunft der Raumsonde Voyager 1 bei Jupiter im Jahr 1979 hatten Planetenforscher anhand theoretischer Überlegungen vorhergesagt, dass Io vulkanisch aktiv sein könnte. Sie vermuteten, dass Gezeitenkräfte, die von Jupiter selbst und von den Nachbarmonden Europa und Ganymed herrühren, diesen Mond so stark aufheizen, dass sein Inneres zu einem großen Teil aus flüssigem Magma besteht, welches einen starken Vulkanismus antreibt. Diese Vorhersage wurde durch die Beobachtungen glänzend bestätigt:

Die hoch aufgelösten Bilder von Io, die Voyager 1 zur Erde übertrug, zeigten in der Tat riesige Vulkanfontänen aus Schwefeldioxid, die an verschiedenen Stellen mehrere 100 Kilometer aufragten (Bild in der Druckausgabe). Die Auswurfteilchen aus den Vulkanen ließen sich noch mehrere Astronomische Einheiten von Jupiter entfernt im interplanetaren Raum nachweisen. Io ist bei Weitem der vulkanisch aktivste Himmelskörper im Sonnensystem. Pro Sekunde wirft er etwa eine Tonne an Schwefeldioxidteilchen in den umgebenden Weltraum aus. Er wird von manchem Planetenforscher als Welt bezeichnet, die geologisch Amok läuft.

Europa, der zweitinnerste der Galileischen Monde, stellt einen drastischen Kontrast zum »heißen« Io dar. Er sorgt seit Jahrzehnten für Spekulationen besonderer Art. Hoch aufgelöste Bilder der Raumsonde Galileo enthüllten eine eisige Welt, nämlich eine Oberfläche bestehend aus einem Wirrwarr von unterschiedlich großen Eisschollen, ähnlich dem Packeis in den Polarregionen der Erde (Bild in der Druckausgabe). Anscheinend schwammen diese Schollen früher auf einem Ozean aus flüssigem Wasser, der später gefror. Der Eispanzer könnte bis zu 100 Kilometer dick sein. Die Oberflächentemperaturen auf Europa liegen auf der Tag- beziehungsweise Nachtseite zwischen rund -150 und -220 Grad Celsius.

Auch Europa wird durch die Gezeitenwirkung des Jupiter und seiner Nachbarmonde aufgeheizt, wenn auch wesentlich weniger stark als Io. Das könnte dazu führen, dass sich unter der Eisschicht noch heute ein Ozean aus flüssigem Wasser befindet, wodurch Europa weit unterhalb seiner Oberfläche vielleicht einige der Grundvoraussetzungen für die Entwicklung von Leben erfüllt. Dieser Mond ist deshalb heute eines der Hauptziele für die Suche nach Leben außerhalb unseres Heimatplaneten.

Ganymed, der dritte der Galileischen Monde, ist der größte Mond im Sonnensystem und größer als Merkur. Er besitzt als einziger Planetentrabant ein eigenes Magnetfeld. Dies wird vermutlich durch einen flüssigen, eisenreichen Kern in seinem Inneren aufrechterhalten. So wie Kallisto, der vierte im Bunde, weist er einen dicken Eispanzer auf und möglicherweise einen darunterliegenden internen Ozean. Diese beiden Monde werden jedoch als weniger geeignet für die Entwicklung von Leben angesehen als Europa, da sie durch die Gravitation des Riesenplaneten geringer aufgeheizt werden und eine andere innere Struktur besitzen.

Die vier Galileischen Monde sowie die vier kleinen, noch weiter innen um den Planeten laufenden Trabanten bewegen sich auf nahezu kreisförmigen Umlaufbahnen sehr nahe der Äquatorebene des Planeten. Sie entstanden vermutlich gemeinsam mit Jupiter. Die übrigen 59 kleinen Monde befinden sich in wesentlich größerer Entfernung und weisen zum Teil stark elliptische Bahnen auf. Manche von ihnen umrunden Jupiter gegen dessen Rotationsrichtung, also rückläufig. Wahrscheinlich sind es eingefangene Kleinkörper aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter oder aus dem Edgeworth-Kuipergürtel außerhalb der Neptunbahn. Sie liefen ursprünglich auf Bahnen um die Sonne, kamen dem Riesenplaneten jedoch so nahe, dass er sie in seinem Schwerefeld festhalten konnte. Manche dieser Monde bilden Gruppen mit ganz ähnlichen Umlaufbahnen. Sie sind offenbar Überreste größerer Himmelskörper, die durch Kollisionen zertrümmert wurden.

Die Voyager-Sonden entdeckten ein dünnes Ringsystem in der Äquatorebene, das überwiegend aus nur wenige Mikrometer großen Staubpartikeln besteht. Es hat einen Durchmesser von mindestens 500.000 Kilometern. Innerhalb des Ringsystems umrunden Jupiter vier kleine Monde, auf deren Oberflächen ständig Mikrometeoriten einschlagen und somit Staubteilchen freisetzen, wodurch die Staubdichte im Ring aufrechterhalten wird. Jupiter ist außerdem von einer riesigen Magnetosphäre umgeben, die, wäre sie von der Erde aus mit dem Auge zu sehen, uns größer als der Vollmond erscheinen würde. Sie wird zu einem erheblichen Teil von Ios vulkanischen Auswurfteilchen gespeist.

JUPITER - König des Sonnensystems
Mittlerer Abstand zur Sonne:
Exzentrizität:
Umlaufdauer:
Neigung der Bahnebene gegen die Ekliptik:
Durchmesser:
Achsenneigung:
Rotationsperiode:
Masse:
Temperatur bei Druckniveau 1 Bar:
 5,20 Astronomische Einheiten
 0,05
 4333 Tage = 11,9 Jahre
 1,3 Grad
 142.980 Kilometer = 11,2 Erddurchmesser
 3,1 Grad
 9 Stunden 56 Minuten = 0,41 Tage
 318 Erdmassen
 -108 Grad Celsius


Saturn - Herr der Ringe

Die Saturnringe sind das markanteste Ringsystem im Sonnensystem. Sie bestehen aus einer riesigen Zahl von Teilchen in der Größe von wenigen Mikrometern bis einigen Metern, die den Planeten umkreisen und sind fast ausschließlich aus Wassereis mit geringen Beimengungen von Staub und anderen Substanzen zusammengesetzt. Das Ringsystem mag als eine Abfolge einzelner recht breiter Ringe erscheinen, die durch weit gehend leere Zwischenräume getrennt sind. Es ähnelt aber mehr einer ringförmigen Scheibe mit lokalen Maxima und Minima in Dichte und Helligkeit (Bild in der Druckausgabe). Das Hauptringsystem erstreckt sich in der Äquatorebene von Saturn in Höhen von etwa 7.000 bis 80.000 Kilometern über der äußersten Atmosphärenschicht in den Weltraum. Außerhalb des Hauptringsystems erstreckt sich der wesentlich dünnere E-Ring bis in eine Entfernung von mehr als einer Million Kilometern von der Oberfläche des Riesenplaneten. Er wird durch mikrometergroße vulkanische Auswurfteilchen des Saturnmondes Enceladus gespeist.

Schon lange vor den Vorbeiflügen von Raumsonden hatten erdgebundene Beobachtungen darauf hingewiesen, dass das Ringsystem sehr dünn sein muss, da wir im Abstand von etwa 15 Jahren regelmäßig genau von der Seite darauf blicken und es dann von der Erde aus unsichtbar wird. Die Beobachtungen mit den Kameras der Sonden Voyager und Cassini zeigten schließlich, dass die Saturnringe nur wenige hundert Meter dick sind. Die Entstehung und das Alter des Ringsystems sind nach wie vor unklar; es könnte ein Überrest aus der Entstehungsphase des Planeten sein, aber auch wesentlich später durch die Zertrümmerung eines Mondes entstanden sein.

Der innere Aufbau von Saturn ähnelt demjenigen von Jupiter. Wie bei diesem besteht auch die Saturnatmosphäre überwiegend aus Wasserstoff und Helium, allerdings in einer etwas anderen Zusammensetzung. Der Wasserstoffanteil ist mit etwa 93 Prozent geringfügig höher als bei Jupiter, während der Heliumanteil nur etwa sieben Prozent beträgt. Zudem wurden unter anderem Spuren von Methan, Ammoniak und verschiedenen Kohlenwasserstoffen nachgewiesen.

SATURN - Der Ringplanet
Mittlerer Abstand zur Sonne:
Exzentrizität:
Umlaufdauer:
Neigung der Bahnebene gegen die Ekliptik:
Durchmesser:
Achsenneigung:
Rotationsperiode:
Masse:
Temperatur bei Druckniveau 1 Bar:
 9,55 Astronomische Einheiten
 0,06
 10.756 Tage = 29,5 Jahre
 2,5 Grad
 120.540 Kilometer = 9,4 Erddurchmesser
 26,7 Grad
 10 Stunden 39 Minuten = 0,44 Tage
 95,1 Erdmassen
 -139 Grad Celsius


Titan - ein Mond mit dichter Atmosphäre
Unter den heute bekannten 62 Saturnmonden ist der größte Trabant Titan eine Besonderheit. Er ist der einzige Mond des Sonnensystems, der über eine dichte, wolkenreiche Atmosphäre verfügt. Sie wurde bereits 1944 vom US-Astronomen Gerard P. Kuiper entdeckt und besteht zu 98 Prozent aus Stickstoff, der Rest hauptsächlich aus Methan und Wasserstoff sowie Spuren anderer Kohlenwasserstoffe und organischer Verbindungen. Obwohl es auf der Oberfläche von Titan mit rund -180 Grad Celsius wesentlich kälter ist als auf der Erde, ist dieser Saturnmond unter anderem wegen seiner dichten Stickstoffatmosphäre einer der erdähnlichsten Himmelskörper im ganzen Planetensystem. Seine Atmosphäre ist an der Oberfläche etwa fünfmal so dicht wie die Erdatmosphäre, und der Druck beträgt das Anderthalbfache des irdischen Luftdrucks.

Die Oberfläche von Titan und seine äußeren Schichten bestehen aus Eis und Methanhydrat. Auf der Oberfläche gibt es unter anderem Dünen, Flüsse und Seen. An die Stelle des Wassers, das auf der Erde Seen und Ozeane bildet, tritt auf Titan jedoch wegen der niedrigen Oberflächentemperatur Methan (CH4), das unter irdischen Bedingungen gasförmig ist. Dieses Gas führt zu einem merklichen Treibhauseffekt, ohne den es auf dem Saturnmond noch wesentlich kälter wäre. Ähnlich wie Europa ist wahrscheinlich auch Titan von einer dicken Eiskruste umgeben, unter der sich ein Ozean aus flüssigem Wasser befinden könnte.


Eisvulkanismus auf Enceladus
Ein anderer spannender Saturnmond ist Enceladus. Die Raumsonde Cassini entdeckte riesige Fontänen aus Gas und Eis in der Südpolregion des nur rund 500 Kilometer großen Mondes. Sie schießen aus schmalen Gräben hunderte Kilometer in die Höhe. Die von Enceladus ausgeworfenen Partikel bilden einen dünnen Staubring um Saturn, den E-Ring. Dieser zusätzliche Ring erstreckt sich außerhalb des hellen Hauptrings, und er ist nach dem Staubring auf der Bahn des äußeren Saturnmondes Phoebe der ausgedehnteste der Saturnringe.

Der Eisvulkanismus wird von flüssigem Wasser gespeist, das sich unterhalb des -200 Grad Celsius kalten Eispanzers befindet. Enceladus setzt 300 bis 600 Kilogramm Wassereisteilchen pro Sekunde in den umgebenden Weltraum frei, was eine wesentliche Quelle für das Plasma in der Saturnmagnetosphäre darstellt. Durch den Nachweis von flüssigem Wasser erlangt auch dieser Mond, den die Planetologen noch bis vor wenigen Jahren für einen eher langweiligen, durchgefrorenen Eisball hielten, besondere Bedeutung bei den Astrobiologen. Da sich in seinem Inneren flüssiges Wasser befindet, ist er zurzeit einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Suche nach Leben außerhalb der Erde.

Wenn alles gut geht, wird die US-Raumsonde Cassini Saturn noch bis 2017 erforschen, dann soll sie gezielt in die Atmosphäre des Gasriesen gelenkt werden, um zu verglühen. Damit soll ein Absturz auf den Monden Titan oder Enceladus verhindert werden. Bislang plant keine Raumfahrtbehörde weitere Flüge zum Ringplaneten.


Uranus und Neptun - Eisriesen am Rand des Sonnensystems
Über Uranus und Neptun hatten wir im Gegensatz zu den beiden anderen großen Planeten bis zum Beginn des Raumfahrtzeitalters nur sehr wenige Kenntnisse. Wasserstoff und Methan waren für lange Zeit die einzigen bekannten Bestandteile ihrer Atmosphären. Selbst die Rotationsperioden dieser Planeten waren bis zu den Vorbeiflügen von Voyager 2 in den 1980er Jahren nur grob bekannt.

Beide Planeten haben eine ähnliche Zusammensetzung, sie unterscheiden sich diesbezüglich aber von Jupiter und Saturn. In ihrem Inneren enthalten sie einen höheren Anteil von Eis aus Wasser, Ammoniak und Methan, weshalb sie auch als Eisriesen bezeichnet werden. Sie weisen vermutlich einen Mantel aus diesen Eisverbindungen auf sowie einen Kern aus Silikatgesteinen und Eisen-Nickel-Legierungen. Die Hauptbestandteile ihrer Atmosphären sind wie bei Jupiter und Saturn Wasserstoff und Helium mit Spuren von Kohlenwasserstoffen und anderen Verbindungen. Neptun besitzt zeitweise einen auffälligen großen dunklen Fleck, bei dem es sich ähnlich wie beim Großen Roten Fleck auf Jupiter um ein riesiges Wirbelsturmsystem handelt. Jedoch ist dieser nicht so beständig, denn Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble wenige Jahre nach dem Vorbeiflug von Voyager 2 zeigten keine Spur mehr von ihm.

NEPTUN - Der Äusserste Planet
Mittlerer Abstand zur Sonne:
Exzentrizität:
Umlaufdauer:
Neigung der Bahnebene gegen die Ekliptik:
Durchmesser:
Achsenneigung:
Rotationsperiode:
Masse:
Temperatur bei Druckniveau 1 Bar:
 30,05 Astronomische Einheiten
 0,01
 60.190 Tage = 164,8 Jahre
 1,8 Grad
 49.500 Kilometer = 3,9 Erddurchmesser
 28,3 Grad
 16 Stunden 7 Minuten = 0,67 Tage
 17,1 Erdmassen
 -201 Grad Celsius


Beide Planeten weisen Ringsysteme, Magnetosphären und zahlreiche Monde auf, derzeit sind 27 Trabanten bei Uranus und 13 bei Neptun bekannt. Der Neptunmond Triton ist besonders bemerkenswert, da dort die Raumsonde Voyager 2 auch Eisvulkanismus und eine recht junge Oberfläche entdeckte. Neben Triton sind die Erde, Io und Enceladus die einzigen Himmelskörper im Planetensystem, auf denen aktive vulkanische Eruptionen, jedoch mit sehr unterschiedlichen Förderprodukten, bekannt sind. Zurzeit sind keinerlei weitere Flüge von Raumsonden zu Uranus und Neptun geplant, die Forscher bleiben auf die Daten der Voyager-Vorbeiflüge und der erdgebundenen Beobachtungen angewiesen.

URANUS - Der rollende Planet
Mittlerer Abstand zur Sonne:
Exzentrizität:
Umlaufdauer:
Neigung der Bahnebene gegen die Ekliptik:
Durchmesser:
Achsenneigung:
Rotationsperiode:
Masse:
Temperatur bei Druckniveau 1 Bar:
 19,20 Astronomische Einheiten
 0,05
 30.687 Tage = 84 Jahre
 0,8 Grad
 51.100 Kilometer = 4,0 Erddurchmesser
 97,8 Grad
 17 Stunden 14 Minuten = 0,72 Tage
 14,5 Erdmassen
 -197 Grad Celsius


Die Kleinkörper

Zu den Kleinkörpern im Planetensystem zählen die Kometen, die Asteroiden, die Meteoriten sowie mikroskopisch kleine, feste Materiepartikel, die als Staub bezeichnet werden. Die meisten Asteroiden laufen zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter im so genannten Asteroidengürtel um die Sonne; einige erreichen aber auch das innere Sonnensystem und kreuzen die Erdbahn (siehe SuW 8/2012, S. 32). Der größte Himmelskörper in dieser Region ist Ceres mit einem Durchmesser von fast 1000 Kilometern, der als Zwergplanet eingestuft ist. Wahrscheinlich befinden sich mehr als eine Million Objekte mit mehr als einem Kilometer Durchmesser im Asteroidengürtel. Anfang der 1990er Jahre wurde ein weiterer Gürtel von Kleinkörpern außerhalb der Neptunbahn entdeckt. Er erhielt nach den Astronomen Kenneth Edgeworth und Gerard P. Kuiper, die bereits in den 1940er und 1950er Jahren über dessen Existenz spekuliert hatten, den Namen »Edgeworth-Kuiper-Gürtel«. Dort befinden sich auch vier weitere Zwergplaneten, von denen der bereits 1930 entdeckte Pluto und die 2005 aufgespürte Eris mit je rund 2300 Kilometer Durchmesser die größten Objekte sind. Wegen der Entdeckung von Eris degradierte im Jahr 2006 die Internationale Astronomische Union Pluto vom Planeten zum Prototypen für die neugeschaffene Objektklasse der Zwergplaneten.


Meteoriten - Steine, die vom Himmel fallen

Obwohl die Aufzeichnungen von Meteoritenfällen bis weit in die vorchristliche Zeit zurückreichen, wurde ihr extraterrestrischer Ursprung erst etwa um das Jahr 1800 klar. Davor hießen sie auch Aerolithe (Luftsteine) und galten als besondere Erscheinungen des irdischen Wettergeschehens. Dies spiegelt sich auch in ihrer heutigen Bezeichnung wider, denn Meteorit wurde vom griechischen »meteoros = emporgehoben« abgeleitet. Lange Zeit war jedoch unbekannt, ob sie aus dem Sonnensystem oder von außerhalb stammen. Für einige Meteoriten, deren Fall beobachtet wurde, ließen sich die Flugbahnen in den interplanetaren Raum zurückrechnen. Es ergab sich, dass der sonnenfernste Punkt ihrer Bahnen im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter lag: ein Beleg für einen Ursprung in unserem Sonnensystem.

Auch die Entstehung der Meteoriten war lange Zeit unklar: Entweder wurden sie als Überreste eines zertrümmerten größeren Himmelskörpers angesehen, oder sie galten als einzelne kleine Körper, die sich nie zu einem größeren Himmelskörper zusammenfanden. Die erste Hypothese bevorzugten die Astronomen bis vor wenigen Jahrzehnten.

Heute wissen wir jedoch, dass im Bereich des Asteroidengürtels Jupiter mit seiner enormen Schwerkraft die Entstehung eines weiteren Planeten verhindert hat. Die Meteoriten sind somit Überreste aus der Entstehungsphase des Planetensystems, also Objekte, die nicht zu einem größeren Himmelskörper heranwachsen konnten, oder Bruchstücke von anderen kleinen Himmelskörpern, entstanden durch Asteroidenkollisionen.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Alter der Meteoriten mit radiometrischen Datierungsmethoden sehr genau bestimmt. Ihre ältesten Bestandteile, die so genannten Kalzium-Aluminiumreichen Einschlüsse, sind mit einem Alter von 4,567 Milliarden Jahren das älteste bekannte Material im Planetensystem. Sie sind somit deutlich älter als die ältesten irdischen Gesteine und Mondgestein. Durch absolute Altersbestimmungen mit Hilfe von radioaktiven Elementen und ihren Zerfallsprodukten und durch chemisch-mineralogische Untersuchungen an Meteoriten lässt sich inzwischen die Geschichte des ganz frühen Sonnensystems im Detail nachzeichnen (siehe Kasten).


Wie entstand unser Sonnensystem?
Die Untersuchung von Meteoriten liefert gemeinsam mit anderen Daten wesentliche Erkenntnisse über die Entstehung und frühe Entwicklung unseres Sonnensystems. Vor 4,567 Milliarden Jahren kollabierte ein kleiner Teil einer riesigen interstellaren Atom- und Molekülwolke durch seine eigene Schwerkraft; dieses Alter wurde durch Isotopenmessungen anMeteoriten ermittelt. Der Löwenanteil der kollabierenden Masse sammelte sich im Zentrum dieser Wolke und bildete die Sonne. Wegen des Drehimpluserhaltungsgesetzes bildete der übrige Teil der Wolke eine rotierende Scheibe aus Gas und Staub. In dieser protoplanetaren Scheibe entstanden innerhalb einiger Millionen Jahre die Planeten, ihre Monde und die anderen Kleinkörper des Planetensystems.
Die kollabierende Wolke hatte nahezu die gleiche Zusammensetzung wie unsere heutige Sonne, sie bestand zu 98 Prozent aus Wasserstoff und Helium mit einer geringen Beimengung von Lithium aus dem Urknall. Die restlichen zwei Prozent waren Atome schwererer chemischer Elemente, die durch Kernfusion in früheren Sterngenerationen gebildet worden waren. Besonders in den Spätphasen ihrer Entwicklung geben massereiche Sterne Materie auch mit hohen Atomgewichten durch heftige Sternwinde oder Supernova-Explosionen an ihre Umgebung ab. Sie reichern so das interstellare Medium und damit auch den solaren Urnebel mit schweren Elementen an.
Die Bildung der Planeten erfolgte aus dem Gas und Staub der protoplanetaren Scheibe. Winzige, nur wenige Mikrometer große Staubkörnchen liefen zunächst in der Scheibe um die noch junge Sonne. Dabei kam es unweigerlich zu Zusammenstößen zwischen den Körnchen. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit konnten die Körnchen infolge der Schwerkraft aneinanderhaften und zu größeren Klumpen wachsen. Dadurch entstanden die so genannten Planetesimale, planetenähnliche Objekte mit einer Größe bis zu einigen Kilometern. Durch Kollisionen miteinander wuchsen diese schließlich innerhalb weniger Millionen Jahre zu planetengroßen Himmelskörpern an, indem sie kleinere Objekte durch ihre Schwerkraft aufsammelten.
Die Temperaturen waren im inneren Bereich der Scheibe so hoch, dass die sich dort bildenden Planetesimale hauptsächlich aus Verbindungen mit hohem Schmelzpunkt wie Metallen oder gesteinsbildenden Silikaten bestanden. Wasser, Methan und andere leicht flüchtige Substanzen konnten dort nicht kondensieren. Aus solchen Planetesimalen bildeten sich die erdähnlichen Planeten Merkur, Venus, Erde/Mond und Mars.
Nach einer weit gehend anerkannten Theorie entstand bei den Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun bei wesentlich niedrigeren Temperaturen zunächst ein Kern aus Gesteins- und Eismaterial von - je nach Planet - rund fünf bis zehn Erdmassen, analog dem Prozess bei den erdähnlichen Planeten. Diese Kerne hatten dann genug Masse, um durch ihre Schwerkraft Gase, im Wesentlichen Wasserstoff und Helium, aus der sie umgebenden Scheibe aufzusammeln. Auf diese Weise wuchsen sie rasch auf ihre heutige Größe weiter.
Die Gasplaneten entstanden außerhalb der so genannten Frostlinie. Sie verläuft zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter und bezeichnet die Grenze im Sonnensystem, jenseits derer die Temperaturen tief genug sind, dass dort leichtflüchtige Verbindungen wie Wasser kondensieren und Eis bilden können.
Im Bereich des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter verhinderte die enorme Schwerkraft des Jupiter die Bildung eines weiteren großen Planeten, somit finden wir dort heute Überreste aus der Frühphase des Planetensystems vor. Allerdings wurden diese Himmelskörper seit ihrer Entstehung verändert, da Kollisionen wegen der hohen Populationsdichte häufig waren und zur Zerkleinerung größerer Objekte führten. Deren Überreste finden wir zum Teil als Meteoriten auf der Erde. Mittlerweile gibt es auch Hinweise darauf, dass zwar die meisten, aber nicht alle Asteroiden im Bereich des Hauptgürtels entstanden.
Außerhalb der Umlaufbahnen von Uranus und Neptun konnte sich kein großer Himmelskörper mehr bilden, weil dort die Dichte der Planetesimale zu gering war. Hier blieb ein Gürtel aus eisreichen Planetesimalen übrig, der Edgeworth-Kuiper-Gürtel. Flüchtige Verbindungen wie zum Beispiel Wasser konnten dort kondensieren und dominieren die Zusammensetzung der Himmelskörper. Aus diesem Gürtel stammen zum überwiegenden Teil die kurzperiodischen Kometen, die Umlaufzeiten um die Sonne von weniger als 200 Jahren haben.
Möglicherweise sind die Planeten nicht in den Abständen zur Sonne entstanden, wo wir sie heute vorfinden. Nach einem vor einigen Jahren am Observatorium von Nizza entwickelten Modell wurden rund 800 Millionen Jahre nach der Entstehung des Sonnensystems insbesondere die Bahnen der Gasplaneten verändert. Uranus und Neptun tauschten ihre Umlaufbahnen um die Sonne, wanderten weiter nach außen, und ihre Bahnen waren zeitweise stark elliptisch. Der Vorläufer des Edgeworth-Kuiper-Gürtels, der wesentlich mehr Planetesimale als der heutige Gürtel enthielt, wanderte dadurch ebenfalls weiter nach außen. Viele der dort ursprünglich vorhandenen Planetesimale wurden ins innere Sonnensystem oder aus dem Sonnensystem heraus geschleudert. Ein Teil dieser Kleinkörper bildet heute die Oortsche Wolke in einem Abstand von rund 50.000 bis 100.000 Astronomischen Einheiten von der Sonne. Aus ihr stammen die langperiodischen Kometen, die stark elliptische Umlaufbahnen um die Sonne und Umlaufzeiten von mehr als 200 Jahren aufweisen. Das Nizza-Modell erklärt unter anderem eine aus Untersuchungen der Mondkrater abgeleitete Beobachtung, dass es rund 800 Millionen Jahre nach der Entstehung des Mondes zu einer starken Häufung von Meteoriten- und Asteroideneinschlägen auf dem Mond und den anderen Planeten gekommen sein muss.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- In den Wolken aus interstellarem Gas und Staub des Adlernebels Messier 16 entstehen Sterne und Planeten.
- Die Planetenentstehung im solaren Urnebel vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren war ein äußerst dynamischer Prozess, bei dem die erdähnlichen Planeten durch das Aufsammeln kleinerer Objekte heranwuchsen.


Kometen - eisige Boten aus der Urzeit

Die meisten Kometen laufen im Gegensatz zu den Asteroiden auf stark elliptischen Bahnen um die Sonne. Es existieren zwar schon Aufzeichnungen von Kometenerscheinungen, die älter als 2000 Jahre sind, aber erst im 16. Jahrhundert konnten Astronomen nachweisen, dass sie ihren Ursprung nicht auf der Erde haben.

Weit weg von der Sonne besteht ein Komet nur aus seinem typischerweise einige Kilometer großen Kern. Nähert er sich auf seiner Umlaufbahn der Sonne, so bilden sich zunächst die kugelförmige Koma und später der klassische Schweif. Dies inspirierte bereits den Naturphilosophen Immanuel Kant (1724-1804) zu der Annahme, dass sich die Kometen aus leichtflüchtigen Bestandteilen zusammensetzen, die bei der Annäherung an die Sonne erwärmt werden und daraufhin verdampfen. Anfang der 1950er Jahre stellte der US-Astronom Fred Whipple (1906-2004) die Hypothese auf, dass Kometen aus Wassereis mit geringen Beimengungen von Staub und Gesteinen bestehen. Dieses Bild eines »schmutzigen Schneeballs« wurde 1986 durch Raumsonden zunächst für den Halleyschen Kometen und später für andere Schweifsterne im Wesentlichen bestätigt. Somit sind Kometenkerne »kosmische Tiefkühltruhen« aus der Frühzeit des Sonnensystems, die leichtflüchtige Substanzen konserviert haben, die in Meteoriten nur in untergeordneten Mengen auftreten.

Ein anderer Aspekt von Whipples These ließ sich jedoch nicht erhärten: Wenn die Kometenkerne überwiegend aus Wassereis bestehen, so müssten sie ziemlich hell erscheinen, da Eis einen großen Teil des auftreffenden Lichts reflektiert. Interessanterweise enthüllten die Vorbeiflüge an Kometenkernen stattdessen sehr dunkle, fast schwarze Himmelskörper, die zu den dunkelsten Objekten im Planetensystem gehören. Die Ursache hierfür ist bisher nicht endgültig geklärt. Wahrscheinlich sind es Staubablagerungen auf der Kernoberfläche, die nach dem Ausgasen der leichtflüchtigen Bestandteile dort zurückbleiben. Möglicherweise sind es aber zum Teil auch komplexe organische Verbindungen, die durch chemische Reaktionen an der Kernoberfläche entstehen.

Die europäische Sonde Giotto untersuchte beim Vorbeiflug am Kern des Halleyschen Kometen im Jahr 1986 die Zusammensetzung einzelner Staubkörnchen vor Ort. Die Häufigkeitsverhältnisse schwerflüchtiger Elemente in diesen Teilchen glichen denjenigen, die in Meteoriten und in der Photosphäre der Sonne gemessen wurden. Das legte den Schluss nahe, dass all diese Himmelskörper aus demselben Urnebel entstanden sein müssen. Im Jahr 2004 fing die NASA mit der Raumsonde Stardust erfolgreich Staubteilchen in der Koma des Kometen Wild 2 ein und brachte sie anschließend zur Erde. Auch dieser Komet hat eine ganz ähnliche Zusammensetzung wie Halley. Die Planetenforscher gehen heute davon aus, dass die Kometenkerne zu den ältesten Überresten aus der Entstehungsphase des Planetensystems gehören.

Ein anderes bedeutendes Ergebnis der Kometenforschung der letzten Jahre ist die Entdeckung von Hochtemperaturmineralen in Kometenstaub. Diese Silikatminerale entstehen bei Temperaturen oberhalb von rund 1000 Grad Celsius, das heißt, sie müssen im inneren Bereich der Akkretionsscheibe des Sonnensystems entstanden sein, wo die Temperaturen ausreichend hoch waren. Ihr Vorkommen in Kometen war eine Überraschung, da die bisherigen Theorien davon ausgingen, dass Kometen ausschließlich Material aus den kalten äußeren Bereichen des Sonnensystems enthalten. Offenbar gab es eine starke Durchmischung des solaren Urnebels von innen nach außen, dabei wurden Hochtemperaturminerale im äußeren Sonnensystem in die dort entstehenden Kometen eingelagert.

Ein bedeutendes Ergebnis war die kürzliche Entdeckung von Hochtemperaturmineralen im Kometenstaub.

Vor einem halben Jahrhundert - beim Erscheinen der ersten Ausgabe dieser Zeitschrift - war die Erkundung des Planetensystems kein herausragendes Forschungsfeld der Astronomie. Die Planetologie als Wissenschaft war noch nicht geboren. Besonders über die Planeten des äußeren Sonnensystems und die Kleinkörper war nur sehr wenig bekannt. Die vielfältigen Raumsondenmissionen haben zu einem völlig neuen, sehr dynamischen Bild des Sonnensystems geführt. Insbesondere die großen Planeten und die Kleinkörper liefern eine Vielzahl von Informationen über die Entstehung und die frühe Entwicklung unseres Planetensystems.

Die Suche nach Leben außerhalb der Erde hat in den letzten Jahren zunehmende Bedeutung in der Planetenforschung erlangt. Gingen die Wissenschaftler früher davon aus, dass es nur auf den erdähnlichen Planeten Leben geben könnte, so gelten neben Mars die größeren Eismonde des äußeren Sonnensystems nun als die aussichtsreichsten Kandidaten. Mittlerweile gibt es Informationen über Himmelskörper außerhalb des Sonnensystems, auf denen Leben vorkommen könnte. Bis jetzt wurden mehrere annähernd erdgroße Planeten in den »habitablen Zonen« um andere Sterne entdeckt, auf denen vielleicht günstige Bedingungen für die Entstehung von Leben existieren könnten. Die spannende Frage, ob das Leben auf der Erde einzigartig oder im Universum etwas ganz Alltägliches ist und vielleicht viele Himmelskörper Leben in der einen oder anderen Form beherbergen, ist jedoch nach wie vor völlig offen. Wir werden sehen, ob wir in 50 Jahren - zum 100-jährigen Bestehen dieser Zeitschrift - hierauf eine Antwort gefunden haben werden. In jedem Fall wird die Erforschung des solaren Planetensystems in den nächsten Jahrzehnten viele neue Erkenntnisse und weitere Überraschungen hervorbringen.


Harald Krüger arbeitet am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Erforschung von Kometen und von kosmischem Staub. Er ist an der Entwicklung von zwei Staubmessinstrumenten der Rosetta-Mission beteiligt.


50 Jahre Planetenforschung
Harald Krüger: Vorstoß ins Sonnensystem
Teil 1: Die erdähnlichen Planeten
Teil 2: Die Gasriesen, ihre Monde und die Kleinkörper
Manfred Gottwald: Reisen zu den Planeten
Teil 1: Die ersten Schritte
Teil 2: Die Nachbarn der Erde
Teil 3: Jenseits des Mars

August 2012
September 2012

Oktober 2012
November 2012
Dezember 2012

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Literaturhinweise

Althaus, T. (Hrsg.): Faszinierendes Sonnensystem. Sterne und Weltraum Dossier, Heidelberg 2008
Baker, D., Ratcliff, T.: Extreme Orte - Eine Reise zu den 50 ausgefallensten Plätzen unseres Sonnensystems. Rowohlt, Reinbek 2010
Bleeker, J.A.M. et al. (Hrsg.): The Century of Space Science, Kluwer Academic Publishers, Dordrecht 2002
Bond, P.: Exploring the Solar System, Wiley-Blackwell, Chichester 2012
Chown, M.: Das Sonnensystem. Eine Entdeckungsreise zu allen Planeten, Monden und andren Himmelskörpern, die um unsere Sonne kreisen. Fackelträger-Verlag, Köln 2012
Lang, B.: Das Sonnensystem. Planeten und ihre Entstehung. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2007
Lang, K.R.: The Cambridge Guide to the Solar System, Cambridge University Press, Cambridge 2011

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w i s - wissenschaft in die schulen

Didaktische Materialien zu diesem Beitrag

Was ist WIS?

Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« wendet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die ihren naturwissenschaftlichen Unterricht mit aktuellen und praktischen Bezügen anschaulich und abwechslungsreich gestalten wollen - und an Schülerinnen und Schüler, die sich für Vorgänge in der Natur begeistern und ein tieferes Verständnis des Universums gewinnen möchten.

Um diese Brücke von der Wissenschaft in die Schulen zu schlagen, stellt WIS didaktische Materialien als PDF-Dokumente zur Verfügung (kostenloser Download von unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de).

WiS in Sterne und Weltraum
Zum Beitrag »Vorstoß ins Sonnensystem, Teil 2« stehen vier WiS-Materialien zur Verfügung:

»Jupiter, der Gasriese« hilft Ihnen, den Planeten Jupiter auf verschiedene Weise in den Unterricht der Mittelstufe zu integrieren. Ihre Schüler können den Jupiter und seine vier großen Monde erforschen und sie mit der Erde und dem Erdmond vergleichen. (ID-Nummer: 1069420)

Das WiS-Material »Kepler for Kids« stellt elf Ideen vor, um die keplerschen Gesetze der Planetenbewegung stark handlungsorientiert und unter verschiedenen Blickwinkeln erfahrbar zu machen. Die Spanne reicht dabei von Schülerübungen bis hin zu Projektideen und die Vorschläge sind fächerverknüpfend. (ID-Nummer: 1051372)

Das WiS-Material »Wirbelstürme auf Jupiter und Erde« vergleicht das dynamische Wettergeschehen von Jupiter und Erde miteinander. Dabei werden die Unterschiede in den Dimensionen behandelt und das Wettergeschehen auf Planeten mit und ohne feste Oberflächen untersucht. (ID-Nummer: 1051433)

»Wirbelstürme - organisierte Konvektion mit Nachschub« stellt Bezüge zur Physik der Wärme und der Gase her und legt Wert auf die Lesekompetenz und die Bildinterpretation der Schüler in der Mittelstufe. Das zentrale Material ist ein Lesetext mit grundlegenden physikalischen Begriffen und Zusammenhängen zur Erklärung der Entstehung tropischer Wirbelstürme. (ID-Nummer: 1051353)

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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 48:
Die vier Gasplaneten des Sonnensystems bestehen zum größten Teil aus leichten chemischen Elementen und Verbindungen. Im Zentrum befindet sich ein Kern aus Silikatmineralen und einer Legierung aus metallischem Eisen und Nickel, der im Fall von Jupiter und Saturn von einem Mantel aus flüssigem und metallischem Wasserstoff umgeben ist. Die Kerne von Uranus und Neptun werden von Mänteln aus Hochdruckvarianten von Wassereis umschlossen.

Abb. S. 49 oben:
Eines der eindrucksvollsten Bilder der Voyager-Missionen 1979 war diese Detailansicht des Großen Roten Flecks in der Jupiteratmosphäre, dessen Länge den doppelten Erddurchmesser übertrifft.

Abb. S. 49 unten:
Io - Europa - Ganymed - Kallisto
Die vier Galileischen Monde des Jupiter zeigen jeweils individuell gestaltete Oberflächen, die auf unterschiedliche geologische Entwicklungsgeschichten hinweisen. Io ist der aktivste Jupitermond mit einer sehr jungen Oberfläche. Die praktisch inaktive Kallisto ist hingegen von Kratern übersät, was von Einschlägen in der Frühzeit des Sonnensystems zeugt.

Abb. S. 50 oben:
Rund 300 Kilometer hoch ragt eine bläuliche Vulkanfontäne am linken Rand des Jupitermondes Io auf. Sie besteht zum größten Teil aus feinen Schwefelpartikeln und gasförmigem Schwefeldioxid.

Abb. S. 50 Mitte:
An irdische Packeisregionen erinnert dieser Ausschnitt der Eisoberfläche des Jupitermondes Europa mit einer Ausdehnung von 34 x 42 Kilometern.

Abb. S. 50-51 unten:
An den Anblick einer klassischen Schallplatte erinnert diese Darstellung der Hauptringe von Saturn.

Abb. S. 52 oben:
Ständig treten Fontänen aus Wasserdampf und feinen Eispartikeln in der Südpolregion des Saturnmonds Enceladus aus.

Abb. S. 52 unten:
Der Saturnmond Titan wird auf diesem Bild der Raumsonde Cassini teilweise vom Ringsystem des Riesenplaneten verdeckt. Die kleine »Kartoffel« oberhalb der Ringe ist der Mond Epimetheus.

Abb. S. 56:
Die Oberfläche des Kometen Hartley 2 ist mit vielen aktiven Gebieten übersät, die Fontänen aus Gas und Staub freisetzen. Das Bild nahm die US-Raumsonde Deep Impact im November 2010 auf.


© 2012 Harald Krüger, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 9/12 - September 2012, Seite 46 - 56
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/528 150, Fax: 06221/528 377
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
Tel.: 06221/9126 600, Fax: 06221/9126 751
Internet: www.astronomie-heute.de

Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2012