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HINTERGRUND/231: Intervention FemFriday - Bühne frei für starke Musikerinnen (frauen*solidarität)


frauen*solidarität - Nr. 145, 3/18

Intervention FemFriday
Bühne frei für starke Musikerinnen aus allen Regionen der Welt

von Cosima Sindlhofer


"Never change a running system" scheint im Musikgeschäft das gängige Motto zu sein. Dass Frauen* in der Musikszene dadurch auf der Strecke bleiben bzw. gar nicht erst wahrgenommen werden, ist fatal. Noch immer sind Frauen* auf und hinter der Bühne eine Minderheit. Höchste Zeit also, dass Initiative gezeigt und versucht wird, der strukturellen Diskriminierung, die ja leider nicht nur im Musikgeschäft vorherrscht, entgegenzuwirken. Die Konzertreihe FemFriday hat sich genau das zum Ziel gesetzt.(1)


Aufmerksamen Leser_innen von Festival- und Konzert-Line-ups wird nicht entgangen sein, dass sich die Unterrepräsentation von Frauen* in vielen Bereichen der Gesellschaft auch auf den Bühnen fortsetzt. Das gilt nicht nur für das internationale Musikgeschäft, auch in der heimischen Szene sieht es nicht besser aus - nur 10% der heimischen Musiker*innen sind weiblich(!). Bei den diesjährigen Amadeus Awards waren von den 65 Nominiertenplätzen 48 rein männlich besetzt. Dem standen erschreckenderweise nur acht rein weibliche und neun gemischte Nominiertengruppen gegenüber. Auf Spotify war 2017 in Österreich keine (!) Frau* unter den Top fünf der meist gestreamten Künstler_innen.

Frauen* sind im Musikgeschäft aber nicht nur auf den Bühnen vollkommen unterrepräsentiert, auch hinter der Bühne herrschen patriarchale Strukturen vor. Bei der IFPI Austria (Verband der österreichischen Musikwirtschaft) sitzen acht Männer* in der Führungsetage und keine einzige Frau*. Bei der Musikverwertungsgesellschaft AKM gibt es im sechsköpfigen Aufsichtsrat eine und im zwölfköpfigen Vorstand zwei Frauen*. Unter den elf Mitgliedern des Vorstandes des VVA (Veranstalterverband Österreich) befindet sich nur eine Frau*. Bei Ö3 sind Sendeleitung und Stellvertretung, Geschäftsführung und Generaldirektion fest in männlicher Hand. Bei Veranstalter_innen, Bookingagenturen, Plattenfirmen, Tontechnik sind Männer* eindeutig in der Überzahl und Frauen* wenig präsent.

Mehr als genug Luft nach oben also, vor allem in einer Branche, die sich gerne als am Puls der Zeit definiert und sich als besonders offen und vorurteilsfrei inszeniert.


FemFriday

Jeden zweiten Freitag im Monat wird das neu gestaltete Forum des Weltmuseum Wien zu einer Präsentationsfläche für starke Musikerinnen sowie Female Fronted Bands urbaner Genres aus den verschiedensten Regionen der Welt - Künstlerinnen*, die sich mit ihrer Musik von den patriarchalen Strukturen ihrer Herkunftskultur und des internationalen Musikgeschäfts emanzipieren.

Dabei steht nicht nur ihr künstlerisches Schaffen im Mittelpunkt, auch der gesellschaftspolitische Hintergrund der Künstlerinnen* wird in den Fokus der Veranstaltungsreihe gerückt. Das künstlerische Wirken der Musikerinnen* innerhalb für Frauen* herausfordernder gesellschaftspolitischer Zusammenhänge wird dem Publikum in moderierten Künstlerinnen*gesprächen näher gebracht. Dabei werden Themen wie Feminismus, Queerness sowie Sexismus auf und hinter der Bühne beleuchtet. So zeigt sich im Dialog mit den Künstlerinnen* deutlich, dass die Unterrepräsentation von Frauen* im Musikgeschäft stark strukturell begründet ist. Und das gilt für Südafrika genauso wie für den deutschsprachigen Raum.


Dope Saint Jude

Die Musikerin Dope Saint Jude aus Kapstadt, die das Kick off der Reihe FemFriday gestaltete, erzählte, dass sie sich gezwungen sah, sich das Produzieren von Musik selbst beizubringen, da es keinen Produzenten gab, der mit ihr arbeiten wollte. 2016 veröffentlichte sie also ihre selbstproduzierte EP "Reimagine", hatte Erfolg und setzte damit ein starkes Zeichen als Frau* in einer männerdominierten Branche. "Resilient as fuck to keep myself happy" heißt es da im Intro, und damit besteht kein Zweifel, dass Dope Saint Jude ihre eigenen Bedingungen schafft und ihren eigenen künstlerischen Vorstellungen folgt.

Ihre dynamischen Soundproduktionen, Texte und Performances, in denen sie mit Geschlechterrollen und Queerness spielt, verhalfen ihr zu internationaler Bekanntheit. Als Drag King Dope Saint Jude beschäftigte sie sich mit Queerness und Genderstereotypen. Bei der Arbeit mit dieser Figur im Umfeld der Drag-Szene schuf sie einen Raum, in dem sie mit den Grenzen und der Fluidität von Gender experimentieren konnte. Ihre Botschaft an junge Musikerinnen* ist ganz eindeutig: " Don't wait for others - do it yourself!"


Ebow

Auch Ebow, deutsche Rapperin mit türkischen Wurzeln, die in Wien lebt und als eine von 3,8% Frauen beim diesjährigen Nova Rock vertreten war, berichtete im Rahmen von FemFriday von den Schwierigkeiten, als Frau überhaupt einen Einblick in die technische Seite des Musikproduzierens zu bekommen. Sie ist der Überzeugung, dass das Unterstützungssystem von jungen Musiker_innen von Männern für Männer ausgerichtet ist. Es brauche mehr geschützte Räume, vor allem für junge Mädchen*, die ganz am Anfang stehen. Und dabei gehe es nicht nur um das Erlernen technischer Skills, sondern auch um Empowerment, darum, das künstlerische Selbstbewusstsein und auch das Vertrauen in das eigene Können zu stärken.


Fauler Apfel Musikindustrie

Und wenn der Chef von Apple Music Jimmy Iovine öffentlich Botschaften wie diese von sich gibt: "I just thought of a problem: Girls are sitting around talking about boys. Or complaining about boys, when they have their heart broken or whatever. And they need music for that, right? It's hard to find the right music. Not everybody knows a DJ.(...) I always knew that women find it very difficult at times - some women - to find music", dann ist wohl recht eindeutig, welches Frauenbild und wie wenig Wertschätzung gegenüber Konsument_innen und Zuhörer_innen in der Musikindustrie vorherrscht und auch unverhohlen preisgegeben wird.

Daran zeigt sich klar, wie schwer es als junge Frau* sein kann, sich davon, abseits von Empörung, zu emanzipieren und sein eigenes Ding nach eigenen künstlerischen Vorstellungen durchzuziehen. Es gibt also noch viel zu tun!

Mit FemFriday will kulturen in bewegung einen Anstoß für ein Umdenken geben und mit starken Frauen*, die diese Ungleichheit in ihrem künstlerischen Schaffen thematisieren, als Rolemodels zu Empowerment anregen. Ein Mal im Monat wird dafür die Bühne im Weltmuseum Wien genützt.

Neben dieser Initiative zeigt sich aber auch in der heimischen Szene, dass sich junge Frauen* nicht mehr mit den Randplätzen zufrieden geben. Bewegungen wie Music Women Austria, Female Pressure, pink noise Girls Rock Camp und das Festival Phonofemme sowie die Tonträgerserie bzw. Präsentationsplattform Fraufeld zeigen den Willen zu Vernetzung und Veränderung. Aber vor allem zeigen sie auch deutlich, dass die Zeit der patriarchalen Hegemonie im Musikgeschäft abgelaufen ist und Frauen* mit lauter Stimme dagegen antreten!


Anmerkung:
(1) FemFriday wird von Maria Herold und Cosima Sindlhofer, Projektreferentinnen bei kulturen in bewegung, kuratiert und in Kooperation mit dem Weltmuseum Wien veranstaltet.

Termine der Konzertreihe FemFriday:
www.kultureninbewegung.org

Beginn jeweils 19:00; Tickets im Onlineshop
und an der Tageskassa des Weltmuseum Wien

Webtipp:
http://dopesaintjude.com/

Zur Autorin:
Cosima Sindlhofer ist Projektreferentin im Bereich Kunst- und Kulturvermittlung von kulturen in bewegung.

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Quelle:
Frauen*solidarität Nr. 145, 3/2018, S. 34-35
Text: © 2018 by Frauensolidarität / Cosima Sindlhofer
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - feministisch-entwicklungspolitische
Informations- und Bildungsarbeit,
Sensengasse 3, A-1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
http://www.frauensolidaritaet.org
 
Die Frauen*solidarität erscheint viermal im Jahr.
Preis pro Heft: 5,- Euro plus Porto
Jahresabo: Österreich 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2019

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