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ENTWICKLUNG/1199: Messgeräte - Blutzucker und Milchsäure aus der Fingerspitze (idw)


Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. - 24.11.2015

Blutzucker und Milchsäure aus der Fingerspitze

Mit nur einem Blutzuckermessgerät mehrere Biomarker messen


Nicht nur Glucose: Blutzuckermessgeräte lassen sich auch für andere Biomarker im Blut einsetzen, sagen amerikanische Wissenschaftler von der Universität von Illinois. Sie erforschen die Messantwort von Nicotinamid-Coenzymen in gängigen Blutzuckermessgeräten. Der Lactatspiegel und die Konzentrationen anderer Biomarker lassen sich somit zuverlässig bestimmen. Die Arbeiten sind in der Zeitschrift Angewandte Chemie beschrieben.

Einfach zu bedienende, tragbare Blutzuckermessgeräte bieten seit Jahren Diabetikern die Möglichkeit, schnell und unkompliziert ihren Glucosespiegel selbst zu messen. Die meisten dieser Messgeräte arbeiten elektrochemisch und beruhen auf enzymatischen Reaktionen: Glucose wird enzymatisch oxidiert, und dann wird erst das Enzym durch einen Mediator, dann der Mediator selbst an der Elektrode des Messgeräts rückoxidiert, was einen kleinen elektrischen Strom produziert. Das Messsignal gibt den Strom wieder und korreliert direkt mit der Glucosekonzentration. Ließe sich nun dieses etablierte System auch für die Messung von anderen Biomarkern im Blut als Glucose nutzen ohne am Aufbau oder der chemischen Ausstattung des Geräts viel zu ändern? Die Gruppe um Yi Lu an der Universität von Illinois hat jetzt ein typisches Glucosemessgerät auf andere Biomarker hin umfunktioniert. Sie fügten einfach ein kleines weiteres Molekül hinzu, Nicotinamidadenindinucleotid (NADH), das sehr viele Redoxenzyme in biologischen Systemen nutzen. Die Idee war, dass die Reaktionen mit NADH das gewünschte Zielmolekül, zum Beispiel Milchsäure oder Lactat, direkt mit dem Mediator an der Elektrode des Blutzuckermessgeräts verknüpfen.

Der Lactatspiegel wird bei vielen klinischen Indikationen routinemäßig gemessen: zum Beispiel bei Diabetikern, die ebenfalls ihren Glucosespiegel überwachen müssen. Könnte man gleichzeitig und mit nur einem portablen Gerät Blutzucker und Lactat messen, hätte man viele Vorteile: "Ein solches homogenes Testsystem ist sehr vielversprechend für die Messung zu Hause", sagen deshalb die Autoren der Studie. Sie beschreiben das dosisabhängige Signal, das Blutzuckermessgeräte auf die Zugabe des Coenzyms NADH liefern. Indem NADH unter Zugabe der geeigneten Enzyme mit L-Lactat reagiert, zeigt es die Lactatkonzentration an: "Zwischen dem Messsignal des Blutzuckermessgeräts und der L-Lactatkonzentration ist ein quantitativer Zusammenhang hergestellt", erklären die Autoren.

Das von Lu und Mitarbeitern entwickelte System enthält im Wesentlichen die für die Enzymreaktionen notwendigen Enzyme, die einfach der zu untersuchenden Probe mit NADH zugegeben werden. Nach einer kurzen Reaktionszeit wird das Signal abgelesen. Wie aber ist es möglich, dass ein Testgerät für Glucose in der Blutprobe Lactat misst, ohne gleichzeitig den Glucosespiegel anzugeben? Dieses Problem lösten die Wissenschaftler relativ einfach: "Um die Glucoseinterferenz auszuschließen, fügten wir ein weiteres Enzym, die Hexokinase, hinzu. Die Hexokinase wandelt Glucose in Glucose-6-phosphat um, das kein Messsignal produziert". Die Wissenschaftler ermittelten somit Lactatspiegel in Plasmaproben von Patienten, die den Ergebnissen herkömmlicher Methoden entsprachen.

Möglich wären auch Doppelmessungen von L-Lactat und Glucose mit ein- und demselben portablen Blutzuckermessgerät. "Unser Geräteentwurf ermöglicht es, bei gleichzeitiger Glucoseentfernung aus dem Blut die Zielmoleküle in einem einzigen Schritt nachzuweisen", so die Autoren. Weitere Biomarker, die durch die NADH-Methode erfassbar wären, sollen in Zukunft erforscht werden.


Angewandte Chemie:
Presseinfo 45/2015

Autor:
Yi Lu, University of Illinois (USA)
http://www.chemistry.illinois.edu/faculty/Yi_Lu.html

Permalink to the original article:
http://dx.doi.org/10.1002/ange.201507563

Angewandte Chemie
Postfach 101161
69451 Weinheim, Germany

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http://presse.angewandte.de

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http://idw-online.de/de/institution122

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V., Dr. Renate Hoer, 24.11.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2015

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