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ENTWICKLUNG/841: Nano-Materialien für medizinische Messgeräte (idw)


Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - 26.04.2012

Nano-Materialien für medizinische Messgeräte



Das Magnetfeld des Gehirns kann bislang nur unter technischen Laborbedingungen gemessen werden. Für den breiten medizinischen Einsatz kommt diese Technik deshalb bislang nicht in Frage. Drei Forschungsteams an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben gemeinsam eine neue Art magnetoelektrischer Sensoren entwickelt, mithilfe derer die Nutzung dieser wichtigen Technologie in Zukunft möglich sein soll. Der wissenschaftliche Durchbruch: Die neuen Sensoren funktionieren im Gegensatz zu herkömmlichen magnetoelektrischen Messtechniken ohne Kühlung und ohne äußeres magnetisches Stützfeld. Im Fachmagazin Nature Materials werden die neuen Verbundwerkstoffe beschrieben.

"Unsere Verbundwerkstoffe mit Austauschkopplung sind ein internationaler Meilenstein in der Forschung über magnetoelektrische Materialien", sagt Professor Eckhard Quandt, Senior-Autor der Studie und Sprecher des Kieler Sonderforschungsbereiches 855 Magnetoelektrische Verbundstoffe - biomagnetische Schnittstellen der Zukunft (SFB 855). "Mit der Unabhängigkeit von externen magnetischen Stützfeldern haben wir ein ganz wesentliches Hindernis für medizinische Anwendungen von magnetoelektrischen Sensoren wie Magnetokardiographie und Magnetoenzephalographie beiseite geräumt." Da sich die Sensoren wegen ihres besonderen Aufbaus nicht gegenseitig störten, seien nun auch Messarrays aus Hunderten Messeinheiten denkbar. Damit ließen sich flächige Karten von Herz- oder Hirnströmen erstellen.

Die neuartigen Verbundwerkstoffe bestehen aus einer komplexen Abfolge von etwa hundert Materialschichten, von denen jede einzelne nur wenige Nanometer dick ist. "Unsere magnetoelektrischen Sensoren enthalten sowohl magnetostriktive als auch piezoelektrische Schichten, die sich einerseits durch ein zu messendes magnetisches Feld verformen und zeitgleich durch diese Verformung eine elektrische Spannung erzeugen, die dann als Messsignal verwendet wird. Aber solche hochempfindlichen Messungen funktionierten mit den herkömmlichen Schichtsystemen bislang nur, wenn am Sensor ein 'stützendes' Magnetfeld anliegt", erläutert der Doktorand Enno Lage den Hintergrund der Studie, an der er seit 2010 arbeitet.

"Das Besondere an unseren Verbundwerkstoffen sind antiferromagnetische Hilfsschichten aus Mangan-Iridium, die im Inneren des Werkstoffs wie Magnetfelder wirken", ergänzt Lage. "Das Stützfeld für die Messung wird also direkt im Sensor erzeugt und muss nicht mehr von außen angelegt werden." Ein vollständiger Sensor misst typischerweise wenige Millimeter und trägt eine Multischicht eines solchen neuen Werkstoffs, die etwa einen Tausendstel Millimeter dick ist. Die neuen Verbundstoffe wurden im Reinraum des Kieler Nano-Labors hergestellt. "Nur in dieser extrem staubfreien Umgebung kann man solche Sensorsysteme erfolgreich herstellen", sagt Dr. Dirk Meyners, der Lage während der Promotion wissenschaftlich betreut.

Mit dem Entwicklungsschritt hin zur Unabhängigkeit magnetolektrischer Messungen von externen Stützfeldern erreichen die Arbeitsgruppen um die Professoren Lorenz Kienle, Reinhard Knöchel und Eckhard Quandt ein wichtiges Teilziel des SFB 855, der seit Januar 2010 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Im SFB sollen neuartige Verbundwerkstoffe entwickelt und in eine voll funktionsfähige, biomagnetische Schnittstelle zwischen Mensch und Außenwelt implementiert werden. Quandt weist auf zukünftige Chancen hin: "Über die Möglichkeiten des SFB hinaus könnten wir im derzeit in Planung befindlichen Exzellenzcluster Materials for Life ganz gezielt eine Reihe weiterer Anwendungen auf der Basis dieser Verbundstoffe voran bringen, zum Beispiel als Sensoren für eine nicht-invasive Gehirnstimulation."


Originalpublikation:
Lage, E., Kirchhof, C., Hrkac, V., Kienle, L., Jahns, R., Knöchel, R., Quandt, E. and Meyners, D.:
Exchange biasing of magnetoelectric composites
Nature Materials
doi:10.1038/nmat3306
www.nature.com/nmat/journal/vaop/ncurrent/full/nmat3306.html


Kontakt:
Institut für Materialwissenschaft
Professor Eckhard Quandt
E-Mail: eq@tf.uni-kiel.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-kiel.de/aktuell/pm/2012/2012-121-biomagnetische-sensoren.shtml
Link zur Pressemitteilung mit Fotos

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution235

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Dr. Boris Pawlowski, 26.04.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2012