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MELDUNG/012: Landesbeirat kritisiert Inhaftierung traumatisierter Flüchtlinge (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2010

Nachrichten in Kürze

Landesbeirat kritisiert Inhaftierung traumatisierter Flüchtlinge


Nach Auffassung des "Landesbeirates für den Vollzug der Abschiebungshaft" verliert die Abschiebungshaft in Schleswig-Holstein zunehmend ihre politische Legitimation. Bei der Vorlage des Jahresberichts 2009 in Kiel nannte der Beirat die Zahl von 361 Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr in der zentralen Abschiebungshaft in Rendsburg festgehalten wurden. Dies entspricht einer Steigerung um 20 Prozent gegenüber 2008. Nicht einmal ein Fünftel der Inhaftierten ist am Ende der Haft in ihr Herkunftsland abgeschoben worden. Die Betroffenen werden überwiegend in ein europäisches Land abgeschoben (65 Prozent) oder schlicht entlassen. Die meisten von ihnen waren auf der Durchreise durch Deutschland in ein anderes EU-Land.

"Für dieses fragwürdige Prozedere wurden die Flüchtlinge bis zu 133 Tage im ehemaligen Gefängnis in Rendsburg 'verwahrt'", kritisierte der Beiratsvorsitzende Hans-Joachim Haeger. "Der erhebliche Aufwand europäischer, bundesdeutscher und schleswig-holsteinischer Dienststellen bei der Inhaftierung und Abschiebung in ein sogenanntes Drittland ist unverhältnismäßig und wird von den Inhaftierten als Schikane der Behörden empfunden", erklärte Haeger weiter. Der Beirat kritisierte die lange Haftdauer und die Tatsache, dass nach wie vor unbegleitete jugendliche Flüchtlinge inhaftiert werden. Diese müssten stattdessen von den Jugendämtern betreut werden. Ihre Inhaftierung - zudem gemeinsam mit erwachsenen Männern - sei ein Verstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvention. Die Zahl der inhaftierten Jugendlichen ist in Schleswig-Holstein weiter gestiegen: von 14 im Jahr 2008 auf 17 im vergangenen Jahr. Sie wurden durchschnittlich 50 Tage in der Haft festgehalten. Über die Hälfte der Jugendlichen kommt aus Afghanistan, andere aus Algerien, Albanien oder dem Irak. Über ein Viertel der Flüchtlinge und Asylbewerber, die nach Europa kommen, sind traumatisiert und haben Krieg, Folter, Freiheitsentzug, Vertreibung oder die Ermordung von Familienangehörigen erlebt. Traumatisierte Flüchtlinge dürfen nicht in Haft genommen werden. Ihre besondere psychische Belastung und in einigen Fällen auch ihre Suizidgefährdung wird durch die Inhaftierung verstärkt, gab der Landesbeirat zu bedenken. Zugleich kritisierte das Gremium die hohen Hürden für eine Entlassung aus der Abschiebungshaft, wenn Gutachter eine Traumatisierung festgestellt haben, und dass betroffenen Jugendlichen von den Behörden kein Vormund oder Rechtsbeistand zur Seite gestellt wurde, obwohl sie darauf nach der Kinderrechtskonvention Anspruch haben.    (PM/Red.)


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201005/h105034a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen
Ärzteblatts:

www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Mai 2010
63. Jahrgang, Seite 6
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2010