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NEBENWIRKUNG/255: Noceboeffekt - Wer's glaubt, wird krank (Gehirn&Geist)


GEHIRN&GEIST 10/2012
Das Magazin für Psychologie und Hirnforschung

Noceboeffekt
Wer's glaubt, wird krank

Von Patricia Thivissen



Können negative Gedanken unseren Körper so beeinflussen, dass wir Schmerzen und andere Beschwerden erleiden? Und ob! Wer glaubt, etwas könne ihm schaden, dem geht es oft wirklich schlecht. Dahinter steckt der Noceboeffekt - und der beginnt im Kopf.


AUF EINEN BLICK

Zu Risiken und Nebenwirkungen ...

1. Schmerzen oder andere unangenehme Symptome können ohne äußere Ursache allein durch die entsprechende Erwartung ausgelöst werden.

2. Dieser Noceboeffekt beruht auf Hirnprozessen - die Betroffenen leiden tatsächlich und bilden sich das nicht etwa nur ein.

3. Die Angst vor Nebenwirkungen kann den Erfolg einer Therapie stark beeinträchtigen.


Ein 26-jähriger Student wird mit akuten Vergiftungssymptomen ins Krankenhaus eingeliefert. Er habe 29 Pillen des Antidepressivums geschluckt, das ihm im Rahmen einer klinischen Studie verschrieben worden sei. Weil sich überraschend seine Freundin von ihm getrennt hätte, habe er völlig verzweifelt die komplette Packung vertilgt. Überzeugt davon, sich selbst vergiftet zu haben, bricht der junge Mann namens Derek Adams zusammen. Sein Blutdruck sackt in den Keller, die Ärzte versuchen, ihn mit Infusionen zu stabilisieren - bis sie von benachrichtigten Kollegen erfahren, dass Adams nur wirkstofffreie Zuckerpillen geschluckt hat! Er war in besagter Studie der Placebogruppe zugeteilt worden, und wie es dabei üblich ist, wusste er nichts davon. Als man ihn darüber aufklärte, erholte sich der Patient binnen weniger Minuten und konnte wieder nach Hause gehen.

Die Geschichte von Derek Adams klingt unglaublich - ist aber wissenschaftlich belegt. Hinter der kuriosen Begebenheit, von der Mediziner der University of Mississippi 2007 berichteten, steckt ein in der klinischen Praxis nicht zu unterschätzendes Problem. Die Rede ist vom Noceboeffekt (lateinisch nocebo = ich werde schaden) - dem »bösen Zwillingsbruder« des Placeboeffekts. Während beim letzteren positive Erwartungen dazu führen, dass sich Krankheitssymptome bessern, wirkt der Noceboeffekt genau umgekehrt: Er lässt Schmerzen und andere unangenehme Symptome kraft der subjektiven Überzeugung des Betroffenen erst entstehen.

Der Noceboeffekt ist mittlerweile vielfach bestätigt worden und macht sich auf verschiedene Weisen bemerkbar. So tritt er zum Beispiel in klinischen Versuchen in der Placebogruppe auf, in der die Probanden unter Begleiterscheinungen der vermeintlichen Medikamentengabe leiden. Die Turiner Neuropsychologin Martina Amanzio und ihre Kollegen stellten 2009 bei der Auswertung von 69 Studien zu Migränemitteln fest, dass sich die Nebenwirkungen - je nach Präparat - in der Kontroll- und der Wirkstoffgruppe glichen. Unter anderem riefen Placebos von krampflösenden Mitteln Appetitlosigkeit, Gedächtnisprobleme und Atemwegsinfektionen hervor - typische Begleiteffekte der echten Medikamente.

Auch bei Antidepressiva offenbarte sich Ähnliches: So klagten Versuchspersonen in den Placebogruppen von Tests trizyklischer Antidepressiva, die wegen ihrer Nebenwirkungen heute kaum noch eingesetzt werden, häufiger über Probleme wie Mundtrockenheit, Sehstörungen, Erschöpfung und Verstopfung als Probanden aus Versuchsreihen zu den neueren Serotonin-Wiederaufnahmehemmern. Offenbar beeinflusst das Wissen über die Medikamentenklasse die Ausprägung der Symptome.

Wie sich die Kenntnis möglicher Risiken von Arzneien auswirken kann, zeigte sich auch bei Betablockern, die zu erektiler Dysfunktion führen können: Kannten die Patienten weder den Namen ihres Medikaments noch dessen Nebenwirkung, trat diese Begleiterscheinung lediglich bei drei Prozent der Behandelten auf. War der Arzneiname bekannt, nicht aber die Nebenwirkung erektile Dysfunktion, erhöhte sich der Anteil auf 16 Prozent. Wussten Patienten jedoch in vollem Umfang sowohl über das Medikament als auch über die Risiken Bescheid, berichtete fast ein Drittel über Erektionsprobleme.

Während placebokontrollierte Medikamentenstudien die Existenz des Noceboeffekts überhaupt erst offenbart haben, wird er in der Schmerzforschung gezielt untersucht. Dabei interessieren sich die Wissenschaftler vor allem dafür, durch welche biochemischen Mechanismen bestimmte Informationen Schmerzen oder andere Beschwerden hervorrufen und was dabei im Gehirn geschieht.


Schmerzhafte Prozeduren

So fand das Team um Fabrizio Benedetti, einen Kollegen von Amanzio an der Universität in Turin, bereits 1997 erste Hinweise auf mögliche neurobiologische Mechanismen des Noceboeffekts. Eine wichtige Rolle scheint hierbei der Neurotransmitter Cholecystokinin (CCK) zu spielen. Als Hormon kontrolliert CCK den Gallenfluss und das Sättigungsgefühl, es ist aber auch bei der Entstehung von Angst und Panik beteiligt. Sein Gegenspieler Proglumid bindet im Gehirn an CCK-A- und CCK-B-Rezeptoren. Offenbar verhindert Proglumid, dass Patienten, bei denen zuvor entsprechende negative Erwartungen geweckt wurden, stärkere Schmerzen empfinden.

Um diese Hypothese zu überprüfen, traktierten die Forscher um Benedetti 49 gesunde Probanden mit einem so genannten Tourniquet - ein Abbindesystem, welches das venöse Blut im Unterarm staut. Dabei sollten die Versuchspersonen mehrmals hintereinander einen Handtrainer mit den Fingern zusammendrücken - eine Prozedur, die spätestens nach einer Viertelstunde sehr schmerzhaft wird.

Eine Gruppe der Probanden nahm nun fünf Minuten zuvor eine wirkungslose Pille ein, die angeblich die Schmerzen schneller und stärker auftreten lasse - mit deutlichem Effekt: Auf einer Skala bis 10 stieg die durchschnittliche Schmerzwahrnehmung von 5,1 im Vortest auf 8,6 an. Zudem erhöhten sich die im Blut gemessenen Konzentrationen der Hormone Adrenocorticotropin und Cortisol, was auf eine Aktivierung der so genannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und damit auf eine Stressreaktion des Körpers hindeutete.

Weitere Testgruppen erhielten zusätzlich eine halbe Stunde vorher entweder das Beruhigungsmittel Diazepam oder Proglumid - den Gegenspieler von CCK. Dabei blockierte Diazepam sowohl die durch den Noceboeffekt gesteigerte Schmerzwahrnehmung als auch die Aktivierung der Stressachse. Dies sah bei Proglumid anders aus. Es unterband zwar ebenfalls den stärkeren Schmerz, nicht aber die vermehrte Ausschüttung der Stresshormone. Zudem zeigte sich bei beiden Versuchsgruppen, dass sowohl Diazepam als auch Proglumid nur die durch den Noceboeffekt erhöhte Pein linderten, nicht aber die Tourniquetprozedur an sich erträglicher machten.

Benedetti schloss daraus, dass Furcht beim Noceboeffekt eine wesentliche Rolle spielt. Deshalb könne ihn das angstlösende Diazepam mindern. Die Funktion von CCK scheint hingegen komplexer. Sein Gegenspieler Proglumid unterdrückt offensichtlich nicht die Angst, denn der Körper steht nach wie vor unter Stress. Vielmehr setzt die Substanz an einer späteren Stelle an - sozusagen zwischen Furcht und Schmerz. Das, so Benedetti, deute wiederum darauf hin, dass CCK nicht die Angst selbst auslöst, sondern sie vielmehr in Schmerz »übersetzt«. Demnach scheint es zwei verschiedene biochemische Übertragungswege beim Noceboeffekt zu geben: einen über die schmerzverstärkende Wirkung von CCK und einen über die Aktivierung der Stressachse.

Dass CCK an der Schmerzmodulation wesentlich beteiligt ist, zeigt sich auch beim Placeboeffekt. Dieser entfaltet sich durch die Freisetzung verschiedener Opioide im Gehirn, die wiederum Schmerzen lindern. CCK hebt deren Wirkung jedoch auf. Verabreicht man Versuchspersonen den CCK-Gegenspieler Proglumid, verstärkt das den Placeboeffekt - indem es die antiopioide Wirkung von CCK behindert.

Neben den neurochemischen Grundlagen des Noceboeffekts wollen Forscher auch wissen, wie das Gehirn reagiert, wenn Schmerzen durch negative Erwartungen auftreten. So piesackte 2008 ein Team um Jian Kong vom Massachusetts General Hospital in Charlestown (USA) ihre in einem Magnetresonanztomografen liegenden Probanden mit Hitzereizen am Unterarm. Eine zusätzliche Scheinakupunktur sollte das Übel angeblich noch verstärken.

Dabei meldete sich vor allem das so genannte mediale Schmerzsystem. Es ist für die emotionale Bewertung von Schmerzen zuständig - wir nehmen darüber unter anderem wahr, wie diese sich anfühlen. Zu den stärker durchbluteten Hirnarealen zählten etwa der anteriore zinguläre Kortex, der zum limbischen System gehört und bei der affektiven, also gefühlsmäßigen Verarbeitung von Schmerz mitwirkt, sowie der linke orbitofrontale Kortex, der an der Emotionsregulation beteiligt ist (siehe Grafik in der Druckausgabe). Zudem entdeckten Kong und seine Kollegen erhöhte Aktivität im linken Hippocampus, ebenfalls Teil des medialen Schmerzsystems. Dieses Areal ist an der Verarbeitung von verschiedenen Lernkontexten beteiligt und regt sich unter anderem dann, wenn wir Angst vor etwas haben und unser Verhalten daran anpassen.

Der Noceboeffekt, so schlussfolgert Kong, scheint demnach auf einem »kognitiv-affektiven Schmerzweg« zu beruhen. Das passe zu Benedettis Ergebnis, wonach Furcht, ausgelöst durch negative Erwartungen, für den eingebildeten Schmerz verantwortlich ist.

Wie sehr negative Erwartungen unsere Schmerzwahrnehmung beeinflussen und dabei sogar starke Medikamente ausbremsen, konnten Wissenschaftler um die Neurologin Ulrike Bingel vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im vergangenen Jahr zeigen. Sie setzten 22 Probanden einem schmerzhaften Hitzereiz aus, der auf einer Skala von 1 bis 100 bei etwa 65 lag. Gleichzeitig verabreichten die Forscher ihnen intravenös das opiodhaltige Schmerzmittel Remifentanil. Die Versuchspersonen wussten jedoch zunächst nichts davon und erwarteten daher auch keine Linderung. Auf Grund der Betäubung reduziert sich das Schmerzempfinden im Schnitt auf 55 Punkte.


Die Macht der Angst

Anschließend wurden die Probanden über die schmerzstillende Wirkung informiert. Die Empfindung sank daraufhin auf durchschnittlich 39 Punkte ab - bei unveränderter Konzentration des Betäubungsmittels. Schließlich erfuhren die Versuchspersonen, sie bekämen nun kein Schmerzmittel mehr, so dass sich ihr Leiden verschlimmern könnte. Tatsächlich empfanden sie die Hitzereize jetzt als wesentlich unangenehmer. Im Mittel stieg der Wert auf 64 an - und entsprach somit dem Ausgangswert ohne Betäubung! Die Angst vor dem Schmerz war also so machtvoll, dass sie den Effekt des Betäubungsmittels gänzlich aufheben konnte.

Auch hier hatten die Wissenschaftler die Hirnaktivität ihrer Probanden mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie verfolgt. Dabei offenbarten sich Parallelen zur Erwartungshaltung: In der Placebophase des Experiments, als die Versuchspersonen eine Linderung erwarteten, regten sich die zingulären und subkortikalen Regionen - das körpereigene schmerzhemmende System, das die Wirkung des Medikaments verstärkte. In der Nocebophase hingegen, in der die Probanden mit einer Verschlimmerung rechneten, zeigte sich wie bei Kongs Studie eine verstärkte Aktivität des Hippocampus und des medialen frontalen Kortex.

Der Noceboeffekt ist daher kein rein psychologisches Phänomen. Die Veränderung der Hirnaktivität zeigt vielmehr, dass die Empfindungen eine körperliche Grundlage haben. Die Probanden bilden sich ihr Leid also nicht etwa ein, sondern erfahren es wirklich.

Dass negative Erwartungen dem Noceboeffekt vorausgehen, wird somit deutlich. Doch wie sieht es mit Lernprozessen aus? Zumindest für den Placeboeffekt sind Konditionierungseffekte nachgewiesen (siehe G&G 6/2008, S. 66). 2010 zeigte die Neurowissenschaftlerin Luana Colloca aus Benedettis Arbeitsgruppe in Turin ihren Probanden unterschiedlich farbige Lichtreize, die einen Schmerz am Fuß angeblich lindern oder verschlimmern sollten. Während die erste Versuchsgruppe nur eine derartige Konditionierungsphase durchlaufen hatte, waren es bei der zweiten vier. Tatsächlich verstärkte sich bei Teilnehmern dieser Gruppe der Noceboeffekt - allerdings nicht so ausgeprägt wie beim Placebotest.

Noch größeren Einfluss als die Konditionierung scheinen Suggestionen zu haben, was insbesondere für die Kommunikation zwischen Arzt und Patient bedeutsam ist. Die Psychologin Antoinette van Laarhoven und weitere Forscher von der niederländischen Universität Nimwegen verglichen 2011 den Einfluss von negativen Suggestionen auf Schmerz sowie auf Juckreiz. Die Probanden erhielten etwa Informationen wie diese: »95 Prozent aller gesunden Menschen nehmen durch diesen Stimulus Juckreiz wahr.« In der Kontrollgruppe hieß es dagegen: »Fast kein gesunder Mensch nimmt durch diesen Stimulus Juckreiz wahr.« In einem Parallelexperiment suggerierten die Wissenschaftler ihren Versuchspersonen dasselbe, ersetzten lediglich das Wort »Juckreiz« durch »Schmerz«.


Ansteckendes Jucken

Die negativen Suggestionen zeigten ihre Wirkung - für Juckreiz sogar noch stärker als für Schmerz. Dieses Ergebnis passt auch zu der Beobachtung, dass der Reiz ansteckend wirkt: Wenn wir sehen, wie andere sich kratzen oder darüber sprechen, juckt es uns oft selbst. Allerdings, betont van Laarhoven, ist aus der Forschung bekannt, dass Schmerz und Juckreiz unterschiedliche neurologische Übertragungswege nutzen (siehe G&G 4/2008, S. 68).

Ob nun Jucken, Schmerzen, Müdigkeit oder Übelkeit - viele Menschen leiden ab und an unter Nebenwirkungen, wenn sie Medikamente nehmen. Mitunter sind diese sogar so stark, dass sie das Mittel absetzen. Die Erkenntnisse zum Noceboeffekt lassen vermuten, dass häufig negative Erwartungen dahinterstecken könnten - ohne dass wir etwas davon ahnen. So nehmen Forscher an, dass die in den letzten Jahren zunehmenden Fälle von Laktoseintoleranz zum Teil auf Noceboeffekte zurückzuführen sein könnten. Ähnliches gilt auch für typische Nebenwirkungen der Antibabypille wie etwa Stimmungsschwankungen oder Kopfschmerzen. Patienten, die unter chronischen Schmerzen leiden, könnten ebenfalls durch die wiederholt schlechten Erfahrungen eine ungünstige Erwartungshaltung aufgebaut haben, die den Therapieerfolg behindert, befürchtet Ulrike Bingel.

Das alles zeigt deutlich, wie sensibel Ärzte mit ihren Patienten sprechen sollten, betont Luana Colloca. Mitunter sind es tatsächlich nur Formulierungen, die den Unterschied ausmachen. So können werdende Müttern, die gerade in den Wehen liegen und eine Spritze gegen ihre Schmerzen bekommen sollen, folgendermaßen beruhigt werden: »Wir geben Ihnen jetzt ein lokales Anästhetikum, und Sie werden sich während der Prozedur wohl fühlen.« Als weniger hilfreich erweist sich dagegen dieser Satz: »Sie werden einen Stich wie von einer Biene spüren, aber das ist schon das Schlimmste an der Prozedur.« Colloca plädiert dafür, medizinische Methoden in einen positiven Kontext zu setzen und entsprechend zu formulieren, um die Erwartung der Patienten günstig zu beeinflussen.

Ärzte stehen jedoch oft vor der Frage, wie ausführlich sie ihre Patienten über Nebenwirkungen eines Medikaments aufklären wollen. Wer sich heutzutage ein Arzneimittel in der Apotheke besorgt und die Packungsbeilage liest, findet häufig eine lange Liste von möglichen unangenehmen Begleiterscheinungen.

Die Neurologin Rebecca Erwin Wells und der Placeboforscher Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School in Boston sprechen sich für einen Mittelweg aus: Mediziner sollten ihre Patienten über mögliche Nebenwirkungen derart unterrichten, dass größtmögliche Transparenz bei möglichst wenig Schaden zu erwarten ist. Eine goldene Regel könnte zum Beispiel lauten, dass der Arzt seinen Patienten genau so informiert, wie er selbst informiert werden wollte. Möglich wäre auch, den Betroffenen stärker in die Entscheidung einzubinden, ob er Informationen über Nebenwirkungen erhalten möchte. Wichtig erscheint zudem, Hochrisikopatienten, die etwa an Angststörungen oder Depressionen leiden, zu identifizieren.

Dies setzt jedoch voraus, dass sich Mediziner stärker bewusst werden, welche Rolle das Gespräch zwischen Arzt und Patient in Sachen Noceboeffekt spielt. »Medizinische Behandlungen sollten mit beruhigender, empathischer und unterstützender Kommunikation einhergehen«, fordert Colloca. Das schließt auch entsprechendes Training in der medizinischen Ausbildung ein. Einer der obersten Grundsätze aus der hippokratischen Tradition lautet schließlich: »Primum non nocere« - »Zuerst einmal nicht schaden!«


Patricia Thivissen hat unter anderem Psychologie studiert und arbeitet als freie Wissenschaftsjournalistin in Berlin.


RANDNOTIZEN

Primum non nocere!
»Zuerst einmal nicht schaden« - so lautete ein ethischer Grundsatz des römischen Arztes Scribonius Largus, der im 1. Jahrhundert n. Chr. den »Eid des Hippokrates« überlieferte.
Heutzutage muss in Deutschland kein Medizinstudent oder Arzt den nach Hippokrates von Kos (zirka 460-370 v. Chr.) benannten Eid ableisten. Manche seiner Forderungen wie das strikte Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gelten inzwischen auch als überholt. Dennoch bestimmt der Eid nach wie vor die medizinische Ethik und das ärztliche Handeln.

KURZ ERKLÄRT
Die biologische Stressachse besteht aus verschiedenen Schaltstationen im Gehirn. Unter Stress setzt der Hypothalamus das Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) frei, das wiederum die Hypophyse dazu anregt, vermehrt das Adrenocorticotrope Hormon (ACTH) zu produzieren. Dieses gelangt über den Blutkreislauf zur Nebennierenrinde und führt hier zur Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Nach den beteiligten Organen wird dieses körpereigene Alarmsystem »Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse« genannt.


QUELLEN

Benedetti, F. et al.: The Biochemical and Neuroendocrine Bases of the Hyperalgesic Nocebo Effect. In: Journal of Neuroscience 26, S. 12014-12022, 2006

Bingel, U. et al.: The Effect of Treatment Expectation in Drug Efficacy: Imaging the Analgesic Benefit of the Opioid Remifentanil. In: Science Transnational Medicine 3, 70ra14, 2011

Wells, R.E., Kaptchuk, T.J.: To Tell the Truth, the Whole Truth, May Do Patients Harm: The Problem of Nocebo Effect for Informed Consent. In: American Journal of Bioethics 12, S. 22-29, 2012

Weitere Quellen im Internet:
www.gehirn-und-geist.de/artikel/1160071


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

LEKTÜRE MIT TÜCKEN
Der Beipackzettel als Sorgenquelle: Die Liste der möglichen Nebenwirkungen eines Arzneimittels beunruhigt viele Patienten - mit teils unangenehmen Folgen.

ZENTREN DES SCHMERZES
Der anteriore zinguläre Kortex zählt zu den wichtigsten Gefühlszentren des Gehirns. Der orbitofrontale Kortex ist an der Kontrolle emotionaler Reaktionen beteiligt. Der Hippocampus wiederum gilt als Schaltstelle des Gedächtnisses. All diese Hirnareale regen sich bei der Wahrnehmung von Schmerzen.

BUNTE PILLEN
Medikamente können heilen - aber auch krank machen, wenn die Angst vor Nebenwirkungen überhandnimmt.


© 2012 Patricia Thivissen, Spektrum der Wissenschaft
Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
GEHIRN&GEIST 10/2012, Seite 72 - 76
Herausgeber: Dr. habil. Reinhard Breuer
Redaktion und Verlag:
Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2013