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FORSCHUNG/1119: Körpereigene Nanopartikel als Transporter für Antibiotika (idw)


Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung - 01.12.2016

Körpereigene Nanopartikel als Transporter für Antibiotika

Neue BMBF-Nachwuchsgruppe um Gregor Fuhrmann erforscht, wie Medikamente gezielt zu Krankheitserregern im Körper geschleust werden können


Bakterien entwickeln zunehmend Resistenzen gegen die gängig eingesetzten Antibiotika - unter anderem als Folge der übermäßigen und zum Teil falschen Anwendung der Medikamente. Zudem haben Antibiotika häufig unangenehme Nebenwirkungen, da sie auch nützliche Bakterien abtöten. Der Pharmazeut Dr. Gregor Fuhrmann, Wissenschaftler am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), möchte eine Technologie entwickeln, mit der Antibiotika im Körper gezielt zu den krankmachenden Bakterien transportiert werden. Das würde deren Wirkung verbessern und gleichzeitig die Nebenwirkungen minimieren. Für dieses Projekt erhält Fuhrmann nun im Rahmen des Programms "NanoMatFutur" eine Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), um eine Nachwuchsgruppe aufzubauen und sein Forschungsvorhaben umzusetzen. Das HIPS ist eine gemeinsame Einrichtung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Universität des Saarlandes (UdS) in Saarbrücken.

Die Entdeckung des Penicillins in den 1920er Jahren war ein Meilenstein für die Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten. In den folgenden Jahrzehnten kamen weitere Antibiotika hinzu, doch auch erste Resistenzen breiteten sich unter den Bakterien aus. Mittlerweile haben viele gängige Antibiotika ihre hohe Wirksamkeit eingebüßt, da eine Vielzahl bakterieller Erreger gegen sie resistent geworden ist. Bis zu 25.000 Menschen sterben pro Jahr allein in Europa an Infektionen mit multiresistenten Keimen. Mit einer Antibiotikabehandlung gehen außerdem meist starke Nebenwirkungen einher, etwa durch die Zerstörung der nützlichen Bakterien im Darm. Würden die Antibiotika nur die krankmachenden Bakterien erreichen, würde dies die Nebenwirkungen deutlich reduzieren und die Effizienz der Behandlung steigern. Gregor Fuhrmann, Wissenschaftler in der Abteilung "Wirkstoff-Transport" von Prof. Claus-Michael Lehr am HIPS, möchte genau diesen Ansatz umsetzen. Dazu hat ihm das Bundesministerium für Bildung und Forschung nun eine Förderung in Höhe von 2,1 Millionen Euro über fünf Jahre zugesagt, mit der Fuhrmann die Nachwuchsgruppe "Biogene Nanotherapeutika" ab heute einrichten wird.

"Ich bin sehr dankbar für die Möglichkeit, meine Nachwuchsgruppe am HIPS gründen zu können", sagt Gregor Fuhrmann. "Unser Ziel ist es, ein natürliches Wirkstoffträgersystem für Antibiotika zu entwickeln, das auf sogenannten extrazellulären Vesikeln basiert." Diese Vesikel sind winzige Bläschen, die die Körperzellen abgeben, um gezielt mit anderen Zellen zu kommunizieren. Dabei richten sich die Vesikel nicht nur an andere Körperzellen, sondern kommen auch zur Abwehr von Bakterien zum Einsatz. Natürlicherweise enthalten die Bläschen Botenstoffe, über die Informationen weitergegeben und so physiologische Prozesse im Körper eingeleitet werden. Diesen körpereigenen Transportweg möchte Fuhrmann mit seiner neuen Nachwuchsgruppe nutzen, um antibiotische Wirkstoffe besser zu krankmachenden Bakterien zu bringen und diese so zu bekämpfen.

"Für den gezielten Wirkstofftransport mittels extrazellulärer Vesikel gibt es in der Krebs- und der regenerativen Medizin bereits erste präklinische Anwendungen, die systematische Untersuchung der Vesikel als Wirkstoffträger im Bereich von Infektionserkrankungen ist bisher aber einzigartig", sagt Rolf Müller, geschäftsführender Direktor des HIPS. "Ich freue mich sehr darüber, dass das BMBF Gregor Fuhrmann mit der Nachwuchsgruppe die Chance gibt, dieses innovative Forschungsvorhaben umzusetzen."

Lange Zeit glaubte man, dass die extrazellulären Vesikel nur Abfallprodukte der Zellen seien. Ihre Rolle in verschiedenen physiologischen und pathologischen Vorgängen wird erst seit einigen Jahren erforscht. Fuhrmann möchte Vesikel verschiedener Zellen isolieren, genau charakterisieren und mit antibiotischen Wirkstoffen beladen. Damit sollen sich die Vesikel dann gezielt zu Orten mit einer Infektion bewegen und die Antibiotika dort freisetzen. Die Untersuchungen erfolgen unter anderem mit modernster Echtzeitmikroskopie, die die Interaktion der Vesikel mit Bakterien sichtbar machen kann. Als mögliche Quelle für geeignete Vesikel steht am HIPS außerdem eine Vielzahl von Bakterienstämmen zur Verfügung, denn auch Bakterien nutzen die Bläschen zur Interaktion und zur Verteidigung. "Das HIPS bietet beste Voraussetzungen für das Projekt", sagt Gregor Fuhrmann. "Die großartige Infrastruktur in Kombination mit fundiertem Fachwissen in Infektions- und pharmazeutischer Forschung macht das Institut zu einem außergewöhnlichen Wissenschaftsort in Deutschland und Europa."

Auch Prof. Dirk Heinz, wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI, begrüßt den Förderbescheid des BMBF: "Ich freue mich sehr darüber, dass wir am HIPS eine neue Nachwuchsgruppe einrichten und damit ein Forschungsvorhaben mit großem innovativen Potenzial für die moderne Infektionsforschung etablieren können. Zum erfolgreichen Einwerben der Förderung gratuliere ich Gregor Fuhrmann von Herzen."


- Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern.
www.helmholtz-hzi.de

- Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland:
Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) in Saarbrücken wurde im Jahr 2009 vom HZI und der Universität des Saarlandes gemeinsam gegründet. Die Forscher suchen hier insbesondere nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten, optimieren diese für die Anwendung am Menschen und erforschen, wie diese am besten zu ihrem Wirkort im menschlichen Körper transportiert werden können.
www.helmholtz-hzi.de/hips

- Die Universität des Saarlandes:
Die Saar-Universität ist international bekannt durch die Informatikforschung und die Nano- und Lebenswissenschaften. Allein in den Lebenswissenschaften, vor allem der Medizin, Pharmazie und Biologie sowie den Naturwissenschaften, forschen über 600 Wissenschaftler auf dem Uni-Campus in Saarbrücken. Die engen Beziehungen zu Frankreich und der Europa-Schwerpunkt sind weitere Markenzeichen.
www.uni-saarland.de

Ihre Ansprechpartner:

Susanne Thiele, Pressesprecherin
susanne.thiele@helmholtz-hzi.de

Dr. Andreas Fischer, Wissenschaftsredakteur
andreas.fischer@helmholtz-hzi.de

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH
Presse und Kommunikation
Inhoffenstraße 7
D-38124 Braunschweig

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution129

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Susanne Thiele, 01.12.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2016

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