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FORSCHUNG/865: Toxine mariner Ringelwürmer bergen Potenzial für medizinische Zwecke (idw)


Universität Leipzig - 08.09.2014

Toxine mariner Ringelwürmer bergen Potenzial für medizinische Zwecke



Das Gift in den Drüsen mariner Ringelwürmer ähnelt Toxinen, die Spinnen, Schlangen und Wespen produzieren. Das haben Wissenschaftler der Universität Leipzig, darunter Dr. Christoph Bleidorn vom Institut für Biologie, Mitglied des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), in Zusammenarbeit mit Forschern des Natural History Museums in London herausgefunden. Erstmals wurden die genetischen Grundlagen dieser Giftstoffe von drei Arten von Ringelwürmern charakterisiert. Die Publikation ist im Fachjournal "Genome Biology and Evolution" erschienen und online abrufbar (DOI: 10.1093/gbe/evu190).

Während Spinnentiere und Schlangen bereits umfangreich auf ihre Gifte hin untersucht wurden, sind die Toxine mariner Ringelwürmer noch relativ unbekannt. Weltweit gibt es gegenwärtig etwa 17.000 beschriebene Ringelwurm-Arten. Eine Gruppe giftiger Ringelwürmer sind die Glyceridae, sogenannte Blutwürmer, welche 50 beschriebene Arten umfassen.

Drei dieser Arten wurden nun von Wissenschaftlern aus Leipzig und London untersucht und charakterisiert. Dabei stellte sich heraus, dass der in den Drüsen enthaltene Giftcocktail aus verschiedenen Enzymen, Proteasen und Neurotoxinen besteht. "Auffällig ist, dass in verschiedenen Linien giftiger Tiere immer wieder unabhängig voneinander die gleichen Proteinfamilien als Bestandteil der Gifte auftauchen", erläutert Mitautor Christoph Bleidorn. "So sind einige der gefundenen Nervengifte denen giftiger Nesseltiere oder Fische ähnlich." Die gewonnenen Ergebnisse könnten in Zukunft für medizinische Anwendungen bedeutsam sein, da tierische Gifte die Grundlage vieler Pharmazeutika und medizinischer Werkzeuge bilden. Zwei der untersuchten Ringelwurm-Vertreter stammen von der französischen, die dritte Art von der nordamerikanischen Atlantikküste. Die Proben wurden am Max-Planck-Institut in Leipzig und Laboren in London und Edinburgh analysiert und sequenziert.

Blutwürmer sind hinsichtlich ihrer Größe sehr variabel. Manche Arten messen gerade einmal wenige Millimeter, andere erreichen eine Länge von bis zu einem halben Meter. Viele Blutwürmer besitzen auffällige, mit Giftdrüsen verbundene Kieferstrukturen, die sie in ihre Beute wie Krebse oder andere Ringelwürmer bohren. An der Ostküste der USA sind Vertreter beheimatet, die aufgrund ihrer stattlichen Größe als Angelköder begehrt und dort kommerziell gesammelt und werden. Es gibt zahlreiche Berichte von Fischern, die von Blutwürmern gebissen wurden. Glücklicherweise ist ein solcher Biss meist relativ harmlos und ähnelt von der Wirkung dem Stich einer Wespe. Nur in seltenen Fällen treten beim Menschen allergieähnliche Symptome auf.

Für die medizinische und pharmazeutische Forschung sind tierische Gifte von großem Wert. So werden beispielsweise Schlangengifte dazu verwendet, Medikamente zur Hemmung der Blutgerinnung oder Blutdrucksenkung herzustellen. Dadurch kann Herzinfarkten und Schlaganfällen vorgebeugt werden. Die Gewinnung dieser Toxine in ausreichenden Mengen ist allerdings meist aufwendig und kostenintensiv. Ringelwürmer könnten in Zukunft vielleicht als neue Quelle für pharmazeutisch nutzbare Gifte dienen.


Der Artikel ist im Fachjournal "Genome Biology and Evolution" online veröffentlicht unter
http://gbe.oxfordjournals.org/content/early/2014/09/04/gbe.evu190.abstract

Die Studie:
A polychaete's powerful punch: venom gland transcriptomics of Glycera reveals a complex toxin cocktail. Genome Biology and Evolution
http://gbe.oxfordjournals.org/


Weitere Informationen:
Dr. Christoph Bleidorn
Institut für Biologie der Universität Leipzig
E-Mail: bleidorn@uni-leipzig.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution232

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Leipzig, Susann Huster, 08.09.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2014