Deutsches Zentrum für Infektionsforschung - 24.08.2018
Mehr Aufmerksamkeit für vernachlässigte tropische Krankheiten
Das DZIF hat ein neues Forschungskonsortium gegründet, das die vernachlässigten tropischen Krankheiten in den Blick nimmt. Es reagiert damit auf den dringenden Forschungsbedarf für diese Gruppe von Krankheiten, die die Ärmsten in tropischen Ländern Afrikas treffen und eine hohe Zahl an Todesfällen und lebenslangen Beeinträchtigungen hervorrufen. Anders als Malaria, Tuberkulose und HIV/Aids betreffen sie nicht die Industrieländer und wurden daher vielfach vernachlässigt, auch im Hinblick auf Forschungsgelder. Wir sprachen mit dem Koordinator des neuen Konsortiums, Prof. Achim Hörauf vom Universitätsklinikum Bonn, über die Notwendigkeit dieser neuen Projekte und ihrer Ziele im DZIF.
Die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung wurden vor einigen Jahren
ins Leben gerufen, um insbesondere "Volkskrankheiten" zu bekämpfen. Wie
passen die vernachlässigten tropischen Krankheiten in dieses Programm?
Achim Hörauf: Diese Krankheiten passen hervorragend in unser Konzept. Viele vernachlässigte Tropenkrankheiten sind Wurmerkrankungen, die zwar nicht so gefährlich sind für Touristen, die aber in den betroffenen Ländern ebenfalls als Volkskrankheiten bezeichnet werden können. Sie sind teilweise häufiger als beispielsweise Malaria.
Das Konsortium arbeitet im DZIF eng mit den Afrikanischen
Partner-Institutionen zusammen. Bisher gab es hier vor allem Projekte zu
Tuberkulose, Malaria und Aids. Wie entstand die Idee, sich intensiver mit
den vernachlässigten Erkrankungen wie zum Beispiel Wurmerkrankungen
auseinanderzusetzen?
Achim Hörauf: Die Idee ist nicht neu und wir arbeiten im DZIF bereits an einigen vernachlässigten Krankheiten. Doch auch aus der Politik kamen jetzt klare Signale, diese Forschung auszubauen. Deutschland sollte hier eine größere Rolle spielen als bisher. Gerade das DZIF kann das leisten, weil wir bereits gute Partnerschaften in einige betroffene Weltregionen aufgebaut haben.
Die WHO hat 20 Krankheiten als vernachlässigte tropische Krankheiten
eingeordnet. Es handelt sich in erster Linie um Wurmerkrankungen, aber
auch um einige bakterielle und virale Erreger. Auf welche Krankheiten
wollen Sie sich in Ihren Forschungsprojekten im DZIF konzentrieren?
Achim Hörauf: Wir werden zunächst an vier Themen arbeiten. In Bonn wollen wir bessere Biomarker für die Diagnose der Flussblindheit entwickeln. In Hamburg steht eine verbesserte Diagnostik und die Epidemiologie der Bilharziose auf dem Programm, eine weitverbreitete Wurmerkrankung mit vielen Folgeschäden. Am Standort München sind die Helminthen im Fokus, parasitische Würmer, die häufig als Co-Infektion bei HIV-Infizierten auftreten. In Tübingen wird es zunächst um Diagnostika gehen, die mehrere Parasiten aufspüren können. Das Auftreten von verschiedenen Parasiten ist in Afrika ein häufig auftretendes Problem, das bei Impfungen und anderen Maßnahmen berücksichtigt werden muss.
Es geht demnach insbesondere um die Entwicklung neuer Diagnosemethoden.
Wird das DZIF auch an Medikamenten und Impfstoffen gegen diese Krankheiten
forschen?
Achim Hörauf: Gute Diagnostik, das frühzeitige Erkennen dieser Krankheiten, spielt eine enorm große Rolle. Denn viele dieser Krankheit werden derzeit erst sehr spät erkannt, weil die Tests dafür nicht empfindlich genug sind. Wir müssen aber - das ist eine Forderung, die sich auch aus den "Sustainable Development Goals" ergibt - die Infektionen jedes einzelnen Patienten sicher erkennen können, um auch individuell gut helfen zu können. Aber natürlich werden wir in Zukunft auch an Medikamenten und Impfstoffen forschen, so wie das DZIF es in den anderen Bereichen tut. Ein Beispiel ist unser Forschungsprojekt zu Filariosen. Hier entwickeln wir gerade ein wirksames Antibiotikum, das Corallopyronin A (siehe Kasten), das aber auch gegen Staphylokokken und sexuell-übertragene Infektionen wie Chlamydien und Gonokokken wirksam ist.
Planen Sie, das Forschungsspektrum für vernachlässigte tropische Krankheiten im DZIF zu erweitern und wenn ja, in welche Richtung?
Achim Hörauf: Wir haben, sozusagen als "Seed-Project", uns im ersten Schritt auf Diagnostika gegen einige wichtige Helminthen fokussiert. Aber es gibt auch etliche Gruppen an den DZIF-Standorten, die bereits an anderen NTDs arbeiten, z. B. an Leishmanien oder dem Schweinebandwurm, sodass wir auch andere Infektionen in das Konsortium integrieren können.
Vielen Dank für das Gespräch.
Hintergrundinformationen
Vernachlässigte tropische Krankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTD)
Die vernachlässigten tropischen Krankheiten kommen vor allem in armen
Ländern in tropischen und subtropischen Regionen vor, zum Beispiel in
Afrika. Sie treffen die Ärmsten und führen oft zu lebenslangen
Behinderungen oder auch zum Tode der Betroffenen. Schätzungen gehen von
etwa 1 Milliarde Erkrankungen weltweit aus. 1,9 Milliarden Menschen sind
in Gefahr, derzeit durch vernachlässigte Tropenkrankheiten arbeitsunfähig,
blind, entstellt, behindert zu werden oder zu sterben. Es sind vor allem
Erkrankungen, die durch Würmer hervorgerufen werden. So zum Beispiel die
Flussblindheit (Onchozerkose) oder auch die gefürchtete Elefantiasis
(lymphatische Filariose), die zu elefantös entstellten Gliedmaßen führen
kann. Neben Wurmerkrankungen sind auch bakterielle und virale Infektionen
verbreitet; zu den letzteren gehören zum Beispiel die Tollwut oder das
Dengue-Fieber. Allen Krankheiten ist gemeinsam, dass die Symptome oft nur
langsam auftreten und eine Diagnose schwierig ist. Meist wird die
Krankheit zu spät erkannt und nimmt einen chronischen Verlauf.
Mehr zum Thema
Corallopyronin: Neues Antiobiotikum gegen lymphatische Filariose
In der Arbeitsgruppe von DZIF-Professor Dr. Achim Hörauf, Uniklinikum
Bonn, wurde bereits 2011mit Corallopyronin A eine Substanz entdeckt, die
ein wirksames Antibiotikum gegen Würmer aus der Gruppe der Filarien sein
kann. Die Substanz schadet den Würmern, indem sie deren symbiotischen
"Lebenspartner" angreift: Sie tötet nämlich die Bakterien, die
überlebenswichtig für die Würmer sind. Infektionen mit Filarien führen
unbehandelt zur sogenannten Elephantiasis, bei der ein Körperteil sich
"elefantös" vergrößert. Auch die Flussblindheit ist eine bekannte Folge
einer Filarieninfektion. Bisher eingesetzte Medikamente haben den
Nachteil, dass sie meist nur die kurzlebigen Wurmlarven, nicht aber die
zehn bis 15 Jahre lebenden erwachsenen Würmer abtöten oder zu hohen
Nebenwirkungen führen. Corallopyronin A bietet hierfür eine
erfolgversprechende Lösung und wird derzeit in präklinischen Studien
weiterentwickelt. Die derzeitige Planung ist dabei eine Zulassung für
erste Studien am Menschen in ca. vier Jahren.
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1833
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung - 24.08.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2018
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