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INFEKTION/1509: Abgabe von an sich harmlosen Proteinen macht Bakterien zu erfolgreicheren Krankheitserregern (idw)


Eberhard Karls Universität Tübingen - 19.04.2016

Abgabe von an sich harmlosen Proteinen macht Bakterien zu erfolgreicheren Krankheitserregern

Tübinger Wissenschaftler entdecken, dass Staphylokokken bei der Infektion von rätselhafter Stoffausschleusung profitieren


In der Zelle werden Proteine je nach ihrem Einsatzort markiert: Bestimmte Anhänge signalisieren, dass sie in die Membran eingebaut oder zur Erschließung von Nährstoffen aus der Zelle ausgeschleust werden sollen. Die Proteine, die als Enzyme den normalen Stoffwechsel der Zelle am Laufen halten und normalerweise innen im Zellplasma bleiben, bekommen keine Markierung. Dennoch beobachten Forscher sowohl bei Zellen von Säugetieren als auch bei Bakterien, dass solche Enzyme immer wieder auch nach außen abgegeben werden. Wissenschaftler des Sonderforschungsbereichs 766 "Die bakterielle Zellhülle" an der Universität Tübingen gehen dieser Beobachtung unter der Leitung von Professor Friedrich Götz auf den Grund. Sie wollen wissen, über welche Mechanismen die Enzyme die Zelle verlassen und zu welchem Zweck. An ihrem Forschungsobjekt, dem Bakterium Staphylococcus aureus, das eine ganze Reihe von entzündlichen Erkrankungen verursachen kann, entdeckten sie nun einen unvermuteten Zusammenhang: Staphylokokkenstämme, die mehr Zellplasma-Enzyme ausscheiden, sind gefährlichere Krankheitserreger. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Infection and Immunity veröffentlicht.

Die Ausschleusung von Proteinen, die ihre Aufgaben eigentlich im Zellplasma haben, wirkte zunächst wie Vergeudung. "Wir wissen jedoch, dass biologische Systeme in ihrer Rationalität und bei der Energieausbeute jeden Verbrennungsmotor übertreffen", sagt Friedrich Götz. Er glaubte daher nicht, dass es sich dabei um einen Fehler im System handelt. Als er mit seinen Kollegen die möglichen Funktionen der ausgeschiedenen Enzyme näher untersuchte, zeigte sich, dass die Staphylokokken - sozusagen aus ihrer Perspektive betrachtet - erfolgreicher sind: Sie können ihre Wirtsgewebe leichter infizieren und wirken in Experimenten mit Insekten und Mäusen häufiger tödlich. "Die beiden ausgeschiedenen Zellplasma-Enzyme, die wir näher untersucht haben, konnten sich an die Oberfläche menschlicher Zellen und bestimmte Gewebestrukturen anheften", sagt Götz. Die Anheftung von Krankheitserregern ist oft der erste Schritt bei einer Infektion, mit dem sich die Erreger Zugang zu den Wirtszellen verschaffen. Der Wissenschaftler setzt hinzu, dass die Zellplasma-Enzyme außerdem giftig auf Zellen des Immunsystems und Zellen äußerer Gewebeschichten wirken. Warum das so ist, sei noch völlig ungeklärt.

Der Wissenschaftler sieht die neuen Ergebnisse als Hinweis, warum manche Stämme der krankheitserregenden Staphylokokken auch beim Menschen gefährlicher sind als andere. Das muss nun in weiteren Studien untersucht werden. Friedrich Götz und seine Kollegen wollen im nächsten Schritt herausbekommen, auf welchen Wegen die Zellplasma-Enzyme die Zelle verlassen und wie das reguliert wird.


Publikation:
Patrick Ebner, Janina Rinker, Minh Thu Nguyen, Peter Popella, Mulugeta Nega, Arif Luqman, Birgit Schittek, Moreno Di Marco, Stefan Stevanovic, and Friedrich Götz: Excreted cytoplasmic proteins contribute to pathogenicity in Staphylococcus aureus. Infection and Immunity, DOI 10.1128/IAI.00138-16.

Kontakt:
Prof. Dr. Friedrich Götz
Universität Tübingen
Sonderforschungsbereich 766
Mikrobielle Genetik
friedrich.goetz[at]uni-tuebingen.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution81

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Eberhard Karls Universität Tübingen, Dr. Karl Guido Rijkhoek, 19.04.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2016

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