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INFEKTION/1365: WHO ruft zur Intensivierung der Impfanstrengungen gegen Masern auf (WHO-Regionalbüro für Europa)


Weltgesundheitsorganisation Regionalbüro für Europa - 25. Februar 2015

WHO ruft zur Intensivierung der Impfanstrengungen gegen Masern auf

Über 22.000 Fälle in der Europäischen Region in der Wintersaison 2014-2015 gemeldet


Das WHO-Regionalbüro für Europa fordert Politiker, Gesundheitspersonal und Eltern eindringlich auf, unverzüglich in allen besonders gefährdeten Altersgruppen die Impfanstrengungen gegen Masern zu verstärken. Dies wird dazu beitragen, die aktuellen Ausbrüche in den Ländern der Europäischen Region der WHO[1] zu beenden und ähnliche Ausbrüche in Zukunft zu verhindern.

Für 2014 und die ersten Monate des Jahres 2015 wurden aus sieben Ländern der Region insgesamt 22.149 Masernfälle gemeldet. Dadurch gerät das Ziel der Europäischen Region, die Krankheit bis 2015 zu eliminieren, in Gefahr. Denn auch wenn die Zahl der Masernfälle von 2013 auf 2014 um 50% sank, so dauern doch einige größere Ausbrüche noch an.

"Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir in der Europäischen Region in den vergangenen beiden Jahrzehnten eine Verringerung der Zahl der Masernfälle um 96% verzeichnen konnten und dass wir nur einen Schritt von der Eliminierung der Krankheit entfernt sind, dann können uns diese Zahlen nur schockieren. Wir müssen gemeinsam ohne weitere Verzögerung auf diese Entwicklung reagieren und die bestehenden Impflücken schließen", erklärt Dr. Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. "Es kann nicht hingenommen werden, dass nach den Anstrengungen der letzten 50 Jahre zur Schaffung sicherer und wirksamer Impfstoffe die Masern weiterhin Menschenleben, Geld und Zeit kosten."

Tabelle 1 zeigt die gemeldeten Fallzahlen; Einzelheiten sind der Anlage zu entnehmen. Das Masernvirus D8 ist der am häufigsten nachgewiesene zirkulierende Genotyp.

 Tabelle 1: Gemeldete Masernfälle (2014-2015) 
Land
Zahl der Fälle
Kirgisistan
Bosnien und Herzegowina
Georgien
Russische Föderation
Italien
Deutschland
Kasachstan
7477      
5340      
3291      
3247      
1674      
583      
537      

In der Europäischen Region kommt es weiter zu Masernausbrüchen, weil es Häufungen anfälliger Personen gibt, die nicht oder nur unzureichend geimpft sind, zumal immer mehr Eltern entweder ihre Kinder nicht impfen lassen oder beim Zugang zu Impfmaßnahmen Barrieren überwinden müssen. Durch Reisen erhöht sich die Gefahr einer Exposition gegenüber dem Masernvirus und einer Ausbreitung auf anfällige Bevölkerungsgruppen ohne Impfschutz.

"Das vorrangige Ziel besteht jetzt darin, die aktuellen Ausbrüche in sämtlichen betroffenen Ländern durch Impfmaßnahmen speziell für anfällige Gruppen wirksam zu bekämpfen", erklärt Dr. Nedret Emiroglu, Stellvertretende Direktorin der Abteilung Übertragbare Krankheiten, Gesundheitssicherheit und Umwelt beim WHO-Regionalbüro für Europa. "Gleichzeitig müssen alle Länder ohne Ausnahme durch Routineimpfungen eine hohe Durchimpfung gegen Masern aufrechterhalten, damit es künftig nicht wieder zu ähnlichen Ausbrüchen in unserer Region kommt und die Masern ein für alle Mal eliminiert werden können."

Zur Bekämpfung der aktuellen Ausbrüche sind u.a. folgende Maßnahmen erforderlich:

  • Verbesserung der Surveillance[2] zur Entdeckung und Untersuchung[3] aller Verdachtsfälle;
  • zügige Untersuchung der Fälle und Identifizierung der Übertragungsketten; und
  • Bereitstellung qualitativ hochwertiger evidenzbasierter Informationen über Vorteile und Risiken von Masernimpfungen.

Zur Unterstützung der Länder der Europäischen Region bei diesen Anstrengungen hat das WHO-Regionalbüro für Europa einen neuen Europäischen Impfaktionsplan[4] (EVAP) geschaffen, der sich am Globalen Impfaktionsplan orientiert und den speziellen Erfordernissen in der Europäischen Region Rechnung trägt. Auf der Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa im September 2014 haben die Mitgliedstaaten dem EVAP zugestimmt. Auf der Website des Regionalbüros findet sich eine Vielzahl zusätzlicher Informationen über Masern und Röteln in der Europäischen Region,[5] darunter Berichte über epidemiologische Daten,[6] ein Paket aus beschleunigten Maßnahmen zur Eliminierung von Masern und Röteln[7] und ein Rahmen für die Überprüfung des Eliminierungsprozesses.[8]


ANLAGE:
Die Lage in den sieben betroffenen Ländern

Bosnien und Herzegowina

In Bosnien und Herzegowina ist ein landesweiter Masernausbruch im Gange. Seit Februar 2014 wurden 5340 Fälle gemeldet. Betroffen sind alle Altersgruppen, insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene, die überwiegend im Zeitraum 1990-2000 geboren wurden.

Als Reaktion auf den Ausbruch werden nun Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die mit Erkrankten in Kontakt gekommen sind, mit dem Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) geimpft, und die Surveillance-Maßnahmen wurden verstärkt, um jeden einzelnen Fall entdecken zu können. Die Eltern werden dazu aufgefordert, ihre Kinder impfen zu lassen.

Georgien

In Georgien wurden 2014 insgesamt 3191 Masernfälle gemeldet; 2013 waren es noch 7872 gewesen. 2015 wurden bisher ca. 100 neue Fälle gemeldet (Stand: 23. Februar). Die Regierung leitete im Jahr 2013 zusätzliche Impfmaßnahmen ein, deren Zielgruppen Kinder unter fünf Jahren, Gesundheitspersonal, nicht oder unzureichend geimpfte Gruppen unter 29 Jahren sowie alle Schüler an Sekundarschulen waren. Diese Maßnahmen werden auch 2015 fortgesetzt und inzwischen auf die gesamte Altersgruppe der unter 40-Jährigen ausgeweitet.

Deutschland

Der Masernausbruch in Berlin und dem angrenzenden Bundesland Brandenburg dauert an. Es wird davon ausgegangen, dass die Krankheit eingeschleppt wurde. Zwischen Oktober 2014 und 18. Februar 2015 wurden insgesamt 583 Fälle gemeldet, die meisten davon seit Anfang 2015. 144 dieser Fälle (27%) mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden, und leider starb ein Kleinkind an der Krankheit. Die Gesundheitsbehörden verabreichen Asylbewerbern eine Postexpositionsprophylaxe und empfehlen ausdrücklich eine MMR-Impfung, insbesondere für Erwachsene.

Italien

In Italien wurden 2014 ingesamt 1674 Masernfälle gemeldet; 2013 waren es 2251 gewesen. 80,8% der Fälle entfielen auf nur sechs Regionen (Emilia-Romagna, Lazio, Ligurien, Lombardei, Piemont und Sardinien). Die meisten Fälle traten in der Altersgruppe von 15 bis 39 Jahren auf. Ein Drittel der Masernpatienten wurden ins Krankenhaus eingewiesen.

Mit dem neu geschaffenen nationalen System für eine integrierte epidemiologische Überwachung von Masern und Röteln konnten diese Fälle schnell entdeckt werden. Als Folgemaßnahmen wurden u. a. zusätzliche Impfmaßnahmen zur Erhöhung der Durchimpfung gegen Masern bei Kindern und in besonders anfälligen Gruppen durchgeführt.

Kasachstan

Kasachstan hat am 26. Januar 2015 mit zusätzlichen Impfmaßnahmen gegen Masern begonnen, nachdem 2014 eine erhöhte Zahl von Fällen (317) gemeldet worden war. Im Januar 2015 wurden weitere 220 Fälle gemeldet. Für die Kampagne wurden eine Mio. Dosen des monovalenten Masernimpfstoffs beschafft; versorgt werden sollen mindestens 80% der Zielgruppe von 1,2 Mio. Jugendlichen.

Kirgisistan

Während des aktuellen Masernausbruchs hat Kirgisistan zwischen Mai 2014 und Februar 2015 7477 Fälle gemeldet. Der erste Fall wurde am 3. Mai 2014 in Bischkek entdeckt, doch 2015 hat sich die Zahl dramatisch erhöht. Etwa 50% der Erkrankten wurden im Krankenhaus behandelt, und zwei einjährige Kinder starben.

Das Gesundheitsministerium Kirgisistans plant ab März 2015 eine landesweite Kampagne zusätzlicher Impfmaßnahmen gegen Masern und Röteln; Zielgruppe sind etwa 2 Mio. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene.

Russische Föderation

Die Russische Föderation meldete 2014 insgesamt 3247 Masernfälle aus 71 Bezirken an das WHO-Regionalbüro für Europa. Betroffen waren alle Altersgruppen, insbesondere aber die der über 20-Jährigen.

Zusätzliche Impfmaßnahmen für Jugendliche und junge Erwachsene wurden in Dagestan und in der Tschetschenischen Republik in die Wege geleitet. Sie wurden auch auf Risikogruppen und besonders anfällige Bevölkerungsgruppen wie Migranten und Roma ausgeweitet. Die Regionen West- und Ostsibirien und der Ferne Osten haben Impfmaßnahmen gegen Masern für Arbeitnehmer aus anderen Teilen des Landes organisiert.


[1] Die Europäische Region der WHO umfasst 53 Länder und hat eine Gesamtbevölkerung von fast 900 Mio. Menschen (siehe Website des Regionalbüros:
http://www.euro.who.int/de/countries).

[2] Leitlinien für die Überwachung von Masern, Röteln und Rötelnembryopathie in der Europäischen Region der WHO. Kopenhagen: WHO-Regionalbüro für Europa, 2012
(http://www.euro.who.int/en/health-topics/communicable-diseases/measles-and-rubella/publications/2012/surveillance-guidelines-for-measles,-rubella-and-congenital-rubella-syndrome-in-the-who-european-region,-update-december-2012,
eingesehen am 25. Februar 2015).

[3] Leitlinien für die Untersuchung von Ausbrüchen der Masern und Röteln in der Europäischen Region der WHO und entsprechende Gegenmaßnahmen. Kopenhagen: WHO-Regionalbüro für Europa, 2013
(http://www.euro.who.int/en/health-topics/communicable-diseases/measles-and-rubella/publications/2013/guidelines-for-measles-and-rubella-outbreak-investigation-and-response-in-the-who-european-region,
eingesehen am 25. Februar 2015).

[4] Europäischer Impfaktionsplan (2015-2020). Kopenhagen: WHO-Regionalbüro für Europa, 2014
(http://www.euro.who.int/en/health-topics/disease-prevention/vaccines-and-immunization/publications/2014/european-vaccine-action-plan-20152020,
eingesehen am 25. Februar 2015).

[5] Masern und Röteln. In: WHO-Regionalbüro für Europa (Website). Kopenhagen: WHO-Regionalbüro für Europa, 2015
(http://www.euro.who.int/en/health-topics/communicable-diseases/measles-and-rubella,
eingesehen am 25. Februar 2015).

[6] WHO EpiBrief und WHO EpiData. In: WHO-Regionalbüro für Europa (Website). Kopenhagen: WHO-Regionalbüro für Europa, 2015
(http://www.euro.who.int/en/health-topics/communicable-diseases/measles-and-rubella/publications/who-epibrief-and-who-epidata,
eingesehen am 25. Februar 2015).

[7] Eliminierung von Masern und Röteln (2015). Paket beschleunigter Maßnahmen (2013-2015). Kopenhagen: WHO-Regionalbüro für Europa, 2013
(http://www.euro.who.int/en/health-topics/communicable-diseases/measles-and-rubella/publications/2013/measles-and-rubella-elimination-2015.-package-for-accelerated-action-2013-2015,
eingesehen am 25. Februar 2015).

[8] Eliminierung von Masern und Röteln. Rahmen für den Prozess der Verifizierung in der Europäischen Region der WHO
http://www.euro.who.int/en/health-topics/communicable-diseases/measles-and-rubella/publications/2014/eliminating-measles-and-rubella.-framework-for-the-verification-process-in-the-who-european-region,
eingesehen am 25. Februar 2015).

*

Quelle:
WHO-Regionalbüro für Europa
UN City
Marmorvej 51, 2100 Kopenhagen, Dänemark
Telefon: +45 45 33 70 00, Fax: +45 45 33 70 01
E-Mail: tki@euro.who.int
Internet: www.euro.who.int


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2015

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