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INFEKTION/1178: Welttuberkulosetag 2012 - Tuberkulose im Fokus (RKI - EpiBull)


Epidemiologisches Bulletin 11/2012 - 19. März 2012

Welttuberkulosetag 2012 - Tuberkulose im Fokus


Anlässlich des Welttuberkulosetages 2012 widmet das Epidemiologische Bulletin zwei Schwerpunkthefte dem Thema Tuberkulose. Nach dem 24. März 1882 verbreitete sich die Nachricht von der Entdeckung des Erregers der Tuberkulose durch Robert Koch als wissenschaftliche Sensation rasant rund um die Welt. Um dies zu verstehen, muss man wissen, dass zu Zeiten von Robert Koch in Deutschland jeder dritte Erwachsene im erwerbstätigen Alter an Tuberkulose starb. Aber auch heute gehört die Tuberkulose weltweit zu den wichtigsten Erkrankungen. Für das Jahr 2010 schätzte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Zahl der Neuerkrankungen auf 8,8 Millionen, davon etwa 1,1 Millionen Todesfälle. Die meisten Fälle wurden in Asien (59 %) und Afrika (26 %) registriert. Nur 5 % der Fälle betreffen die WHO-Region Europa. Gleichzeitig finden sich hier jedoch die weltweit höchsten Raten an multiresistenter Tuberkulose, die als Indiz einer fehlenden effizienten Therapie anzusehen sind.

Genaue Zahlen zur Kindertuberkulose weltweit fehlen. Schätzungen nach Angaben der WHO für 2009 belaufen sich auf etwa 1 Million Neuerkrankungen und 10 Millionen Waisenkinder, deren Eltern in Folge einer Tuberkulose starben. Aus diesem Grund stellt die WHO erstmals 2012 mit ihrem Slogan "Von Anfang an - für ein Leben ohne Tuberkulose" die Verhinderung der Kindertuberkulose in den Mittelpunkt.

Die aktuellen Zahlen zu den neudiagnostizierten Erkrankungen an Tuberkulose für 2010 zeigen, dass dieses Ziel auch für Deutschland nicht leicht zu erreichen sein wird. Mit 158 Neurerkrankungen bei Kindern unter 15 Jahren stieg die Zahl und Inzidenz der Kindertuberkulose bereits im zweiten Jahr in Folge leicht an. Kinder erkranken nach einer Infektion nicht nur häufiger an einer aktiven Tuberkulose, sondern der größte Teil dieser Erkrankungen tritt bereits im ersten Jahr nach der Infektion auf. Daher spiegelt die Entwicklung der Kindertuberkulose das Infektionsgeschehen im Umfeld wider.

Der Anstieg der Fallzahlen bei Kindern könnte aus diesen Gründen als Frühzeichen einer Trendänderung bei den Neuerkrankungen gewertet werden. Ein weiterer Hinweis ist der deutlich schwächere Rückgang der Gesamterkrankungszahlen in Deutschland. Während bis 2008 der jährliche Rückgang im Durchschnitt bei 6-7 % lag, hat er sich seitdem auf 1,8 % reduziert. Dies könnte auf eine Trendwende in der Tuberkulose-Epidemiologie in Deutschland hindeuten, hin zu einer Stagnation oder sogar einem Wiederanstieg der Erkrankungszahlen in den kommenden Jahren, wie in anderen Industrienationen in Europa. In einzelnen Regionen Deutschlands, insbesondere in Ballungszentren wie z. B. Frankfurt am Main oder Berlin, aus denen Beiträge in den zwei Schwerpunktheften des Epidemiologischen Bulletins vertreten sind, kann dies bereits beobachtet werden.

Umso wichtiger erscheint die konsequente Umsetzung der Empfehlungen zur Infektionsverhütung und Therapie der Tuberkulose. Eine Kurzversion der aktuellen Therapieempfehlungen findet sich in diesem Heft. Entscheidend für die Wirksamkeit ist die Sicherstellung einer langfristigen Therapie, wie sie von Priwitzer und Kollegen dargestellt wird. Eine Übersicht über die spannenden Entwicklungen in der Diagnostik gibt der Beitrag aus dem Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien. Schließlich zeigen die Daten des Friedrich-Loeffler-Instituts, dass auch bei Tieren die Tuberkulose neue Ausbreitungswege und Wirte findet.

130 Jahre nach der Erstbeschreibung des Erregers durch Robert Koch bleibt die Kontrolle der Tuberkulose eine Herausforderung auch in Deutschland. Die vielleicht wichtigste Ressource ist hierbei das Wissen um die richtigen Strategien, deren an die jeweilige Situation angepasster Einsatz und die konsequente Umsetzung.


Bericht aus dem FG "Respiratorisch übertragbare Erkrankungen" (FG 35) der Abteilung für Infektionsepidemiologie des RKI, erarbeitet von PD Dr. Walter Haas, der auch als Ansprechpartner zur Verfügung steht (E-Mail: HaasW@rki.de).


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Quelle:
Epidemiologisches Bulletin 11/2012 - 19. März 2012
Herausgeber: Robert Koch-Institut
Nordufer 20, D-13353 Berlin
Telefon: 030/18 754-0, Fax: 030/18 754-23 28
E-Mail: EpiBull@rki.de
Internet: www.rki.de > Infektionsschutz > Epidemiologisches Bulletin


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2012