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GENETIK/096: Das Zittern liegt in den Genen (idw)


Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - 21.10.2016

Das Zittern liegt in den Genen


Zu viel Kaffee oder eine aufregende Situation können auch bei gesunden Menschen zu einem fühlbaren und sichtbaren Zittern (Tremor) der Hände führen. Ungefähr jeder hundertste Mensch leidet aber an andauerndem und stärker ausgeprägtem Zittern, was das Krankheitsbild des Essentiellen Tremors (ET) bestimmt. Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben in Kooperation mit internationalen Arbeitsgruppen nach möglichen Ursachen des ET gesucht und konnten drei Gene identifizieren, die mit dem Zittern in Verbindung stehen. Die Ergebnisse der Studie erscheinen am 21. Oktober in der Fachzeitschrift "Brain".

Zu viel Kaffee oder eine aufregende Situation können auch bei gesunden Menschen zu einem fühlbaren und sichtbaren Zittern (Tremor) der Hände führen. Ungefähr jeder hundertste Mensch leidet aber an andauerndem und stärker ausgeprägtem Zittern, was das Krankheitsbild des Essentiellen Tremors (ET) bestimmt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben in Kooperation mit internationalen Arbeitsgruppen in einer groß angelegten Studie nach möglichen Ursa chen des ET gesucht und konnten drei Gene identifizieren, die mit dem Zittern in Verbindung stehen. Die Ergebnisse der Studie erscheinen heute (Freitag, 21. Oktober) in der renommierten Fachzeitschrift "Brain".

Ein ET kann in jedem Alter beginnen und nicht nur die Hände, sondern auch andere Körperteile wie den Kopf, die Beine und sogar die Stimme erfassen. Mit steigendem Alter nimmt dabei fast immer die Intensität des Zitterns zu und beeinträchtigt Patientinnen und Patienten bei alltäglichen Tätigkeiten wie Trinken, Schreiben und anderen feinmotorischen Handlungen. Über die genauen Ursachen und den Entstehungsprozess des ET ist bisher kaum etwas bekannt.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Klinik für Neurologie, Medizinische Fakultät der CAU und Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), konnten in Zwillingsstudien bereits zeigen, dass der ET eine hohe Erblichkeit aufweist, allerdings bei den meisten Betroffenen genetisch komplex ist. "Als genetisch komplex bezeichnen wir eine Krankheitsentstehung, wenn genetische Risikofaktoren mit zusätzlichen Umweltfaktoren zusammenwirken", erklärt Professor Gregor Kuhlenbäumer, Studienleiter an der Klinik für Neurologie. "In solchen Fällen finden wir oft keine direkte Vererbung der Erkrankung von Eltern auf ihre Kinder."

In der nun veröffentlichten, groß angelegten Studie, unter Leitung der Klinik für Neurologie und des Montreal Neurological Institute, wurde der ET erstmals umfassend molekulargenetisch an fast 3000 Patientinnen und Patienten sowie 7000 Kontrollfällen aus zahlreichen europäischen, kanadischen und amerikanischen Studienzentren untersucht. "Wir konnten tatsächlich drei Gene identifizieren, von denen wir glauben, dass sie ursächlich für die Erkrankung sind", sagt Kuhlenbäumer. "Um als gesichert zu gelten, müssen diese Ergebnisse nun allerdings in weiterführenden, unabhängigen Untersuchungen noch bestätigt werden."

Die drei identifizierten Gene (STK32B, PPARGC1A und CTNNA3) könnten eine große Bedeutung für die Tremorforschung haben. "Wenn sich die Befunde bestätigen, so haben wir erstmals einen Anhaltspunkt, an dem wir mit biochemischen und experimentellen Methoden anknüpfen können, um mehr über die Entstehung des Zitterns zu erfahren", sagt Kuhlenbäumer. Denn allein in Deutschland leiden etwa eine Million Menschen an ET. Die medikamentöse Therapie der Erkrankung ist allerdings nur bei ungefähr der Hälfte aller Patientinnen und Patienten erfolgreich und kann bei ihnen das Zittern auch nicht heilen, sondern nur lindern. Weltweit ist die Kieler Klinik für Neurologie in der Erforschung, Diagnostik und Therapie von Tremorkrankheiten führendes Zentrum.


Originalpublikation:
Genome-Wide Association Study in Essential Tremor Identifies Three New Loci (2016). Stefanie H. Müller, Simon L. Girard, Franziska Hopfner, Nancy D. Merner, Cynthia V. Bourassa, Delia Lorenz, Lorraine N. Clark , Lukas Tittmann, Alexandra I. Soto-Ortolaza, Stephan Klebe, Mark Hallett, Susanne A. Schneider, Colin A. Hodgkinson, Wolfgang Lieb, Zbigniew K. Wszolek, Manuela Pendziwiat, Oswaldo Lorenzo-Betancor, Werner Poewe, Sara Ortega-Cubero, Klaus Seppi, Alex Rajput, Anna Hussl, Ali H. Rajput, Daniela Berg, Patrick A. Dion, Isabel Wurster, Joshua M. Shuman, Karin Srulijes, Dietrich Haubenberger, Pau Pastor, Carles Vilari&ntilde:o-Güell, Ronald B. Postuma, Geneviève Bernard, Karl-Heinz Ladwig, Nicolas Dupré, Joseph Jankovic, Konstantin Strauch, Michel Panisset, Juliane Winkelmann, Claudia M. Testa, Eva Reischl, Kirsten E. Zeuner, Owen A. Ross, Thomas Arzberger, Sylvain Chouinard, Günther Deuschl, Elan D. Louis, Gregor Kuhlenbäumer, Guy A. Rouleau. Brain (2016). DOI: 10.1093/brain/aww242

Kontakt:

Prof. Gregor Kuhlenbäumer
Klinik für Neurologie
E-Mail: g.kuhlenbaeumer@neurologie.uni-kiel.de

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Presse, Kommunikation und Marketing
Dr. Boris Pawlowski
Text: Dr. Ann-Kathrin Wenke
Postanschrift: D-24098 Kiel,
E-Mail: presse@uv.uni-kiel.de
Internet:
www.uni-kiel.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-kiel.de/pressemeldungen/index.php?pmid=2016-347-tremor

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution235

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Dr. Boris Pawlowski, 21.10.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2016

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