Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 10.08.2017
Folgeschäden bei Diabetes: entzündete Leber hebt Cholesterinspiegel
Entzündungsvorgänge in der Leber führen bei Diabetes zu einem erhöhten Cholesterinspiegel und begünstigen so Folgeerkrankungen an den Gefäßen. Das berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München, der Technischen Universität München (TUM) und des SFB 1118 am Universitätsklinikum Heidelberg in "Cell Reports". Dabei stellen sie einen bisher unbekannten Mechanismus vor.
Unter den Folgeerkrankungen bei Menschen mit Diabetes spielen Gefäßkrankheiten eine zentrale Rolle. Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems sind mit 75 Prozent die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisungen und mit 50 Prozent eine häufige Todesursache. Ein wichtiger Risikofaktor für Atherosklerose, Durchblutungsstörungen und Gefäßkomplikationen ist ein erhöhtes Cholesterin.*
"Auch wenn der Blutzucker gut eingestellt ist, haben manche Betroffenen ein höheres Risiko für Folgeschäden. Wir wollten verstehen, was dem zugrunde liegt", erklärt Stoffwechselexperte Dr. Mauricio Berriel Diaz, stellvertretender Direktor des Instituts für Diabetes und Krebs (IDC) am Helmholtz Zentrum München. Er leitete die Studie gemeinsam mit Prof. Dr. Stephan Herzig, Direktor des IDC und Lehrstuhlinhaber für Molekulare Stoffwechselkontrolle an der TUM sowie Co-Sprecher des DFG-Sonderforschungsbereichs (SFB) 1118, der sich am Universitätsklinikum Heidelberg mit dem Einfluss von gestörten Stoffwechselvorgängen bei diabetischen Folgeschäden befasst.
Die Forschenden untersuchten vor allem Entzündungsprozesse, von denen bekannt ist, dass sie bei zahlreichen Stoffwechselstörungen wie Typ-2-Diabetes und Adipositas vorkommen und wesentlich zu deren Langzeitfolgen beitragen. Konkret konzentrierten sie sich auf den Entzündungsbotenstoff TNF-α (Tumornekrosefaktor α), der bekanntermaßen in der Leber reaktive Sauerstoffspezies (ROS)** erzeugt. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass diese ROS den Transkriptionsfaktor-Komplex GAbp (GA-binding protein) inaktivieren. Im Versuchsmodell hemmte dieser Verlust wiederum das Protein AMPK, einen Energiesensor der Zelle. In der Folge bildete sich dadurch überschüssiges Cholesterin und es prägten sich typische Merkmale für Atherosklerose aus.
"Unsere Daten legen eine zentrale Rolle der Leber für die Entstehung häufiger diabetischer Gefäßerkrankungen nahe", erklärt Erstautorin Dr. Katharina Niopek, Wissenschaftlerin am IDC. "GAbp scheint eine molekularer Stellschraube an der Schnittstelle zwischen Entzündung, Cholesterinhaushalt und Atherosklerose zu sein. Ohne seine schützende Wirkung kommt es zu einer sogenannten Hypercholesterinämie*** und vermehrter Fettablagerung in den Arterien."
"Da erste Patientendaten unsere Befunde unterstützen, könnte der neue Signalweg - unabhängig von der Blutzuckereinstellung der Patienten - eine zentrale Komponente bei der Entstehung diabetischer Folgeschäden darstellen, die man therapeutisch ausnutzen könnte", erklärt Studienleiter Stephan Herzig.
Weitere Informationen
*Quelle: Diabetesinformationsdienst "Diabetes und Gefäße".
https://www.diabetesinformationsdienst-muenchen.de/erkrankungsformen/folgeerkrankungen/diabetes-und-gefaesse/index.html
** Bei reaktiven Sauerstoffspezies handelt es sich um Sauerstoffverbindungen, die in Zellen oxidativen Stress verursachen können. Dazu zählen beispielsweise auch Sauerstoffradikale. Im Organismus entstehen sie sowohl in den Mitochondrien im Rahmen der Zellatmung, aber auch durch Entzündungsprozesse.
*** Als Hypercholesterinämie bezeichnet man eine Lipidstoffwechselstörung (Dyslipidämie), die durch einen erhöhten Cholesterinspiegel im Blut gekennzeichnet ist.
Mauricio Berriel Diaz und Stephan Herzig sind federführend beim Joint Heidelberg-IDC Translational Diabetes Program, was sie gemeinsam mit Kollegen am Universitätsklinikum in Heidelberg betreiben, von wo aus sie 2015 nach München gewechselt waren.
Die Arbeit entstand im Rahmen des DFG Sonderforschungsbereichs (SFB) 1118:
Reaktive Metabolite als Ursache diabetischer Folgeschäden, der am
Universitätsklinikum Heidelberg koordiniert wird. Zentrales Ziel des SFB ist
es zu verstehen, wann bei Diabetes mellitus Spätschäden auftreten, auch wenn
der Blutzucker gut eingestellt ist. Der SFB verfolgt die Hypothese, dass
Veränderungen von wichtigen körpereigenen Eiweißen durch reaktive Metabolite
dafür verantwortlich sind. Reaktive Metabolite, die im Zentrum der Forschung
stehen, sind Dicarbonyle wie zum Beispiel Methylglyoxal und reaktive
Sauerstoffspezies. Weitere Ziele sind es zu verstehen, wie diese reaktiven
Metabolite bei Diabetes vermehrt entstehen, wie sie diabetische Folgeschäden
verursachen und als Fernziel neue Therapieverfahren zu entwickeln, die
vorhandene Spätschäden zurückbilden.
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Willkommen.132204.0.html
Original-Publikation:
Niopek, K. et al. (2017): A Hepatic GAbp-AMPK Axis Links Inflammatory Signaling
to Systemic Vascular Damage. Cell Reports, DOI: 10.1016/j.celrep.2017.07.023
- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das
Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz
des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und
medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten
angehören.
www.helmholtz-muenchen.de
- Das Institut für Diabetes und Krebs (IDC) ist Mitglied des Helmholtz
Diabetes Zentrums (HDC) am Helmholtz Zentrum München und Partner im
gemeinsamen Heidelberg-IDC Translationalen Diabetes-Programm. Das Institut
für Diabetes und Krebs ist eng in das Deutsche Zentrum für
Diabetesforschung (DZD) und in den Sonderforschungsbereich (SFB) "Reaktive
Metaboliten und Diabetische Komplikationen" an der Medizinischen
Universität Heidelberg integriert. Das IDC erforscht die molekularen
Grundlagen schwerer metabolischer Erkrankungen, wie dem Metabolischen
Syndrom und Typ 2 Diabetes, und deren Bedeutung für die Tumorentstehung
und -progression.
www.helmholtz-muenchen.de/idc
- Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als
500 Professorinnen und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern und 40.000 Studierenden eine der forschungsstärksten Technischen
Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften,
Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische
Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft.
Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft.
Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur sowie Verbindungsbüros in
Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco und So Paulo vertreten. An der
TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und
Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als Exzellenzuniversität
ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den
besten Universitäten Deutschlands.
www.tum.de
- Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten
medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der
Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten
biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist
die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche
Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund
12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung
und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit
ca. 1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw.
teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das
Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der
medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren
ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.
www.klinikum.uni-heidelberg.de
Fachlicher Ansprechpartner:
Prof. Dr. Stephan Herzig
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Diabetes und Krebs
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: stephan.herzig@helmholtz-muenchen.de
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/alle-pressemitteilungen/index.html
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und
Umwelt, Sonja Opitz, Abteilung, 10.08.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2017
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