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DIABETES/1870: Typ 1 bei Kleinkindern - Lösliche Ballaststoffe ohne vorbeugende Wirkung (HZM)


Helmholtz Zentrum München - 20. Juli 2015
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

Typ 1 Diabetes bei Kleinkindern: Lösliche Ballaststoffe ohne vorbeugende Wirkung


(Neuherberg, 20. Juli 2015) Die Suche nach einem Nahrungsbestandteil, der vor Typ 1 Diabetes schützt, geht weiter: Auswertungen der internationalen TEDDY-Studie (The Environmental Determinants of Diabetes in the Young) lassen keinen protektiven Einfluss auf das Immunsystem oder das Mikrobiom durch die Aufnahme löslicher Ballaststoffe vermuten.

Eine ballaststoffarme Ernährung gilt als ein möglicher Auslöser für Erkrankungen wie Dickdarmkrebs oder das Reizdarmsyndrom, die auf entzündliche Prozesse oder eine Autoimmunreaktion zurückgehen. Ob im Umkehrschluss eine ballaststoffhaltige Diät - insbesondere mit einem hohen Anteil an löslichen Ballaststoffen - die Autoimmunerkrankung Typ 1 Diabetes verhindern könnte, untersuchten Wissenschaftler des Instituts für Diabetesforschung und der Forschergruppe Diabetes e. V., Helmholtz Zentrum München. Sie analysierten mehr als 17.600 Ernährungsprotokolle von über 3300 Kindern aus Deutschland und den USA, die an der TEDDY Studie teilnahmen. Die Ernährungsprotokolle wurden in regelmäßigen Abständen geführt, als die Kinder zwischen neun und 48 Monate alt waren. Der Inselautoantikörper-Status der Kinder wurde alle drei Monate überprüft. Wenn ein oder mehrere Inselautoantikörper im Blut nachweisbar sind, spricht man von einer "Inselautoimmunität". Bei mehreren Inselautoantikörpern entwickeln nahezu 100 Prozent der Betroffenen innerhalb von 20 Jahren einen Typ 1 Diabetes.

Schützen lösliche Ballaststoffe vor Inselautoimmunität?

Bei der Verdauung löslicher Ballaststoffe entstehen als Gärprodukte kurzkettige Fettsäuren, denen antientzündliche Eigenschaften zugeschrieben werden. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Ballaststoffe die Zusammensetzung der Darmflora beeinflussen. Die im Darm beheimateten Mikroorganismen wiederum interagieren mit dem Immunsystem. Aktuelle Studien deuten darauf hin, dass sich das Mikrobiom von Personen mit Typ 1 Diabetes von dem gesunder Personen unterscheidet. Daher gingen die Münchner Diabetesforscher davon aus, dass die reichliche Zufuhr von löslichen Ballaststoffen in den ersten beiden Lebensjahren vor der Entstehung einer Inselautoimmunität schützen könnte. In diesem Lebensabschnitt treten die meisten Fälle von Inselautoimmunität auf.

Diese Vermutung bestätigte sich leider nicht. Es konnte zu keinem Zeitpunkt im frühen Kindesalter ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Menge von ballaststoffhaltiger Kost und einer späteren Inselautoimmunität beziehungsweise einem bereits manifesten Typ 1 Diabetes festgestellt werden. "Unsere Auswertungen legen den Schluss nahe, dass eine ungenügende Ballaststoffzufuhr keinen direkten Einfluss auf entzündliche Prozesse im Körper hat, die zu Typ 1 Diabetes führen", fasst Dr. Andreas Beyerlein, Statistiker vom Institut für Diabetesforschung die Ergebnisse zusammen. "Von Diätempfehlungen zur Vorbeugung von Typ 1 Diabetes bei Risikopersonen sind wir derzeit noch weit entfernt", ergänzt Beyerleins Kollegin, die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Sandra Hummel. "Möglicherweise beeinflussen andere Ernährungsbestandteile das Mikrobiom und die Entwicklung von Autoimmunität." Wegen der noch relativ kurzen Nachverfolgungszeit bei Teilnehmern der TEDDY Studie (im Mittel fünf Jahre) können langfristige Effekte allerdings nicht ausgeschlossen werden.


Die TEDDY Studie wird gefördert von dem National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK), dem National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), dem National Institute of Child Health and Human Development (NICHD), dem National Institute of Environmental Health Sciences (NIEHS), dem Juvenile Diabetes Research Foundation (JDRF) und den Centers for Disease Control and Prevention (CDC).


Original-Publikation:

Andreas Beyerlein, Xiang Liu, Ulla M Uusitalo, Minna Harsunen, Jill M Norris, Kristina Foterek, Suvi M Virtanen, Marian J Rewers, Jin-Xiong She, Olli Simell, Åke Lernmark, William Hagopian, Beena Akolkar, Anette-G Ziegler, Jeffrey P Krischer, Sandra Hummel, and the TEDDY study group.Dietary intake of soluble fiber and risk of islet autoimmunity by 5 y of age: results from the TEDDY study Am J Clin Nutr ajcn108159; First published online July 8, 2015. doi:10.3945/ajcn.115.108159


Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1.900 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 31.000 Beschäftigten angehören.
www.helmholtz-muenchen.de


Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der Entstehung und Prävention von Typ 1 Diabetes und Typ 2 Diabetes als Spätfolge eines Gestationsdiabetes. Ein vorrangiges Projekt ist die Entwicklung einer Insulin- Impfung gegen Typ 1 Diabetes. In groß angelegten Langzeitstudien untersucht das IDF den Zusammenhang von Genen, Umweltfaktoren und Immunsystem für die Pathogenese von Typ 1 Diabetes. Mit den Daten der Geburtskohorte BABYDIAB, die 1989 als weltweit erste prospektive Diabetes-Geburtskohorte etabliert wurde, konnten Risikogene sowie Antikörperprofile identifiziert werden. Diese lassen Vorhersagen über Entwicklung und Ausbruch von Typ 1 Diabetes zu und werden die Klassifizierung und den Diagnosezeitpunkt verändern. Das IDF ist Teil des Helmholtz Diabetes Center (HDC).


Die Forschergruppe Diabetes e.V. am Helmholtz Zentrum München ist eine hoch renommierte Institution im Bereich der experimentellen und klinischen Diabetesforschung. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Bereich "Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen", weitere Forschungsschwerpunkte sind neue Therapiestrategien, Diabetes-Technologie und -Immunologie. Die Forschergruppe blickt auf eine lange Tradition in Deutschland zurück, ihre Gründer und die aktuellen Mitglieder genießen höchste internationale Reputation. Die Gruppe arbeitet eng mit nationalen und internationalen Fachgesellschaften zusammen. Die Forschergruppe Diabetes ist eng mit der "Diabetes and Cardiovascular Disease EASD Study Group", dem Institut für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München, dem Institut für Diabetesforschung an der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin der TU München, Kinderklinik München Schwabing, und dem Kompetenznetz Diabetes vernetzt.


Claudia Pecher, M. A.
Pressereferentin
Institut für Diabetesforschung
E-Mail claudia.pecher@helmholtz-muenchen.de

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Quelle:
Helmholtz Zentrum München -
Pressemitteilung vom 20. Juli 2015
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Ingolstädter Landstraße 1, D-85764 Neuherberg
Telefon: 089/31 87-24 60
Email: presse@helmholtz-muenchen.de
Internet: www.helmholtz-muenchen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2015

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