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DEMENZ/196: Sage ich meiner Mutter, dass bei ihr Alzheimer diagnostiziert wurde? (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 4/14
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Sage ich meiner Mutter, dass bei ihr Alzheimer diagnostiziert wurde?

Von Ellen Nickel und Marion Langhorst, Alzheimer-Telefon


Meine Mutter ist 72 und vor kurzem wurde sie in einer neurologischen Praxis untersucht: Diagnose Alzheimer. Sie lebt allein in ihrer Wohnung und kommt bislang noch ganz gut zu Hause zurecht. Wir haben in Absprache mit der Ärztin überlegt, ihr die Diagnose nicht zu sagen bzw. den Begriff zu vermeiden. Sie ist schon immer ein sehr ängstlicher Typ gewesen und wir fürchten, dass sie psychisch zusammenbrechen würde. Alzheimer war für sie immer das Schlimmste und sie hat die Erkrankung im Bekanntenkreis miterlebt. Was sagen Sie dazu? Ist es ratsam und erforderlich, mit ihr über ihre Erkrankung und deren Folgen zu sprechen?"


Diese Frage ist auch für die Beraterinnen am Alzheimer-Telefon nicht einfach zu beantworten: Es gibt keine pauschal gültige Antwort, ob Demenzkranke über ihre Erkrankung aufgeklärt werden sollten oder nicht. Das muss in jedem Einzelfall abgewogen werden, denn es gibt eben unterschiedliche persönliche Einstellungen und Umgangsweisen mit Belastungen und Erkrankungen.

Grundsätzlich sind wir der Ansicht, dass Erkrankte ein Recht darauf haben, über ihre Krankheit offen Auskunft zu erhalten. Es gibt Betroffene, welche die verbleibende Zeit geistiger Klarheit und Entscheidungsfähigkeit nutzen möchten, um persönliche Dinge zu regeln und Vorsorge zu treffen. Viele Fragen werden dann relevant: Wie möchte ich meinen Lebensabend verbringen? Möchte ich im Notfall lebenserhaltende Maßnahmen? Wer soll mich in welchen Angelegenheiten vertreten, wenn ich selber nicht mehr entscheiden kann? Kommt eine Heimunterbringung für mich in Frage? Wer soll einmal erben, und vieles mehr. Wenn die Diagnose frühzeitig gestellt wird, bleibt genügend Zeit, um diese Entscheidungen schriftlich zu verfügen und Vollmachten dafür zu erteilen.

Andererseits hat ein Mensch, der an Demenz erkrankt ist, auch immer das Recht, die Diagnose nicht mitgeteilt zu bekommen. Nach unserer Erfahrung am Alzheimer-Telefon sprechen an Demenz Erkrankte nicht (gern) über ihre Krankheit und die daraus folgenden Defizite. Sie scheinen diese auch anders wahrzunehmen und einzuschätzen als sie in Wirklichkeit sind.

Trotzdem bemerken Menschen mit Demenz in der einen oder anderen Situation, dass ihnen Namen nicht einfallen, sie die Uhrzeit plötzlich nicht mehr lesen können, die Kaffeemaschine nicht mehr zu bedienen wissen oder sie sich im Supermarkt nicht mehr zurechtfinden. Oder sie werden von anderen auf Pannen, Fehlleistungen oder Unzulänglichkeiten hingewiesen. Oft sind sie darüber verzweifelt, manchmal auch sehr beschämt. In solchen Situationen kann es dann für die Erkrankten tröstlich sein zu hören, dass die Krankheit dafür verantwortlich ist und nicht sie selbst.

Für Ihre Mutter können Sie überlegen, ob und wie viel sie wohl selbst über ihre Erkrankung wissen möchte. Wie ist sie früher mit Krankheiten oder schlechten Nachrichten umgegangen? Wollte sie es eher wissen, einbezogen werden, oder hat sie solche Situationen lieber vermieden? Wenn Sie der Meinung sind, dass sie es gerne wissen möchte, ist es sicher günstig, dies mit einfühlsamen und verständnisvollen Worten zu tun. Dabei ist es nicht immer notwendig, die erkrankte Person direkt mit dem diagnostischen Begriff zu konfrontieren. Der Hinweis auf eine "Hirnleistungsstörung" oder "Konzentrationsschwäche" oder "Merkfähigkeitsstörung" klingt für viele nicht so Angst einflößend wie "Demenz" oder "Alzheimer".

Leider führt die Aufklärung über die Krankheit bei vielen Menschen mit Demenz aber nicht zu der Einsicht, deswegen auch mehr Unterstützung zu brauchen. Gute Erfahrungen machen Angehörige eher damit, die verbliebenen Fähigkeiten und Stärken der Erkrankten zu bemerken, zu loben und zu fördern. Hilfestellungen werden oft besser angenommen, wenn sie unauffällig und beiläufig angebracht werden. Auch ist es häufig hilfreicher, die Betroffenen um Mithilfe zu bitten - das setzt an ihren Kompetenzen an und motiviert durch Stärkung des Selbstbewusstseins.

Es ist für alle Beteiligten nicht leicht, wenn ein Familienmitglied an Alzheimer erkrankt ist und es braucht Zeit, sich auf die Veränderungen und zunehmende Hilfsbedürftigkeit des erkrankten Angehörigen einzustellen. Diesen Weg können Angehörige leichter gehen, wenn sie sich über die Krankheit und ihre Folgen informieren und mit anderen Menschen darüber austauschen, z. B. in den Gesprächsgruppen der örtlichen Alzheimer-Gesellschaften.

Alzheimer-Telefon
018 03 - 17 10 17*
(* 9 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz)
Alzheimer-Telefon (Festnetz): 030 - 259 37 95-14
Sprechzeiten: Mo - Do von 9 bis 18 Uhr
Fr von 9 bis 15 Uhr

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 4/14, S. 16
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
Friedrichstraße 236, 10969 Berlin
Telefon: 030/259 37 95-0, Fax: 030/259 37 95-29
Alzheimer-Telefon: 01803/17 10 17
(9 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz)
E-Mail: info@deutsche-alzheimer.de
Internet: www.deutsche-alzheimer.de
 
Das Alzheimer Info erscheint vierteljährlich.
Jahresabonnement: 12,00 Euro, Einzelheft: 3,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2015

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