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POLITIK/1708: Bundesgesundheitsminister Rösler - Reform sichert Finanzierung der GKV langfristig (BMG)


Bundesministerium für Gesundheit - Dienstag, 6. Juli 2010

Bundesgesundheitsminister Dr. Rösler:
Reform sichert Finanzierung der GKV langfristig

Einstieg in wettbewerbliche Neuordnung des Gesundheitssystems geschafft - neuer Sozialausgleich schützt vor Überforderung


Im Anschluss an die Beratungen der christlich-liberalen Koalition zur Gesundheitspolitik erklärt Gundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler:

"Gute Medizin ist für die Menschen ein hohes Gut. Deshalb steht die christlich-liberale Koalition dafür, unser bewährtes und weltweit anerkanntes Gesundheitssystem für die Zukunft wetterfest zu machen. Bei einer erfreulicherweise älter werdenden Bevölkerung und wachsenden medizinischen Möglichkeiten bedeutet dies, dass die Gesundheitsausgaben nicht sinken können. Eher ist das Gegenteil der Fall. Diese Herausforderung kann nur gemeinschaftlich und solidarisch geschultert werden.

Die christlich-liberale Koalition hat sich auf ein umfassendes Maßnahmen-Paket zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung verständigt. Sie hat damit ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Es ist eine ausgewogene Mischung, in der wichtige Weichen für die Zukunft gestellt werden. Die Ausgaben werden begrenzt, die Einnahmen stabilisiert. Damit stärken wir die Finanzierungsgrundlage der Gesetzlichen Krankenversicherung. Gleichzeitig werden die Strukturen verbessert und mehr Transparenz und mehr Wettbewerb für Versicherte, Krankenkassen und Leistungserbringer geschaffen.

Bei der Weiterentwicklung der Zusatzbeiträge wird ein unbürokratischer und gerechter Sozialausgleich eingeführt. Erstmals sorgt ein Sozialausgleich dafür, dass die Beitragszahler vor Überforderung geschützt werden. Mit den weiter entwickelten Zusatzbeiträgen schaffen wir ein wettbewerblicheres Gesundheitssystem. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass die Krankenkassen mehr Beitragsautonomie erhalten.

Die Koalition achtet mit ihrem Maßnahmenpaket auf eine faire Verteilung der Lasten. Wir beziehen alle mit ein, die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber und die Steuerzahler. Der finanzierte Beitragssatz wird auf die vor der Finanz- und Wirtschaftskrise geltenden 14,6 Prozent zurückgeführt. Auch Leistungserbringer und Krankenkassen müssen ihren Beitrag zur Konsolidierung leisten. Dort wo es verantwortbar ist, werden Ausgabensteigerungen begrenzt - ohne jedoch medizinisch notwendige Leistungen für die Versicherten einzuschränken.

Der Einführung von mehr Wettbewerb auf der Einnahmeseite müssen weitere Wettbewerbselemente auf der Ausgabenseite folgen. Nur mit einer Kombination beider Wettbewerbselemente kann die Umgestaltung des deutschen Gesundheitssystems gelingen."


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ECKPUNKTEPAPIER

Für ein gerechtes, soziales, stabiles, wettbewerbliches und transparentes Gesundheitssystem

Wir haben ein Gesundheitssystem, um das uns die Welt beneidet: hohe Qualität bei gleichzeitig durchschnittlichen Ausgaben im internationalen Vergleich. Dies wollen wir auch für zukünftige Generationen erhalten. Allerdings steht unser System vor den Herausforderungen, die aus dem demografischen Wandel und dem medizinisch-technologischen Fortschritt folgen. So wachsen seit vielen Jahren die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung schneller als die beitragspflichtigen Einnahmen. Gleiches gilt für die Private Krankenversicherungen (Anlagen)[1].

Die Menschen sollen auch in Zukunft im Krankheitsfall eine sehr gute medizinische Versorgung erhalten. Wir brauchen eine Krankenversicherung, bei der die Lasten gerecht verteilt werden und die unabhängiger von konjunkturellen Entwicklungen ist. Überregulierung und Zentralismus müssen abgebaut werden. Wir werden die Voraussetzungen für mehr Transparenz und Wahlmöglichkeiten für die Versicherten schaffen und die Eigenverantwortung stärken.

Dazu werden wir strukturelle Reformen im System durchführen, die zu mehr Wettbewerb, mehr Freiheit für den Einzelnen und weniger Bürokratie führen. Dazu gehören u.a. eine Honorarreform für den ambulanten Bereich, eine Ausweitung der Kostenerstattung, eine Reform der Selbstverwaltungsorgane, die Entwicklung einer Präventionsstrategie sowie der Ausbau der Gesundheits- und Versorgungsforschung.

Bei der Finanzreform werden wir

- die Ausgaben stabilisieren
- die Finanzierungsgrundlage stärken und
- den Sozialausgleich gerecht gestalten.



I. Ausgaben stabilisieren

Die Leistungserbringer und die Krankenkassen müssen ihren Teil zur Konsolidierung beitragen. Ausgabensteigerungen werden wir dort begrenzen, wo das verantwortbar ist, ohne dass dies zu Leistungseinschränkungen oder Qualitätsverlusten führt. In folgenden Bereichen werden wir ab 2011 die Ausgaben stabilisieren:

Die Verwaltungskosten der Krankenkassen dürfen in den nächsten beiden Jahren im Vergleich zum Jahr 2010 nicht ansteigen.

Falls Krankenhäuser über die vertraglich vereinbarten Leistungen hinaus Mehrleistungen erbringen, wird ein Effizienzabschlag von 30 % festgesetzt. Außerdem dürfen die Krankenhausausgaben lediglich in Höhe der halben Grundlohnsummensteigerung wachsen.

Bei den Zahnärzten wird der Zuwachs auf die halbe Grundlohnsummensteigerung begrenzt.

Die Preise für Impfstoffe werden auf das europäische Durchschnittsniveau gesenkt.

Wirtschaftlichkeitsreserven bei der Reimportregelung bei Arzneimitteln werden erhöht.

Das Vergütungsniveau in der hausarztzentrierten Versorgung wird begrenzt.

Es gilt Vertrauensschutz für Verträge, die bis zum Kabinettsbeschluss rechtsgültig sind.

Im Bereich der Arzneimittel haben wir bereits kurzfristig wirksame Einsparungen beschlossen und setzen die langfristige strukturelle Neuordnung um.

Insgesamt erreichen wir im Jahr 2011 3,5 Mrd. EUR und im Jahr 2012 4 Mrd. EUR Einsparungen.



II. Finanzierungsgrundlage stärken

Vor dem Hintergrund der größten Wirtschafts- und Finanzkrise, die unser Land zu meistern hatte, wurde vorübergehend der Beitragssatz der Krankenkassen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit Hilfe von Steuermitteln abgesenkt. Dies ist nun nicht weiter erforderlich. Der paritätisch finanzierte Beitragssatz wird daher wieder 14,6 %, wie vor der Senkung durch das Konjunkturpaket II, betragen. Der nur vom Arbeitnehmer finanzierte Beitrag von 0,9 % bleibt erhalten.

Der Arbeitgeberbeitrag wird auf der Höhe von 7,3 Prozent
festgeschrieben. Damit werden die Gesundheitskosten von den
Arbeitskosten für die Zukunft entkoppelt. Unvermeidbare
Ausgabensteigerungen werden durch Zusatzbeiträge der
Versicherten finanziert.

Kassenindividuell festgelegte, sozial ausgeglichene einkommensunabhängige Zusatzbeiträge dienen darüber hinaus der Sicherung einer exzellenten Versorgung.

Das Bundesversicherungsamt berechnet wie bisher einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag zur Finanzierung der ansteigenden notwendigen Kosten. Übersteigt der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2 Prozent des individuellen sozialversicherungspflichtigen Einkommens, wird er sozial ausgeglichen.

Nach jetzigen Berechnungen wird der vom Bundesversicherungsamt errechnete durchschnittliche Zusatzbeitrag bis 2014 16 Euro nicht übersteigen. Das heißt, für ein beispielhaftes Einkommen von 800 Euro im Monat wird kein Sozialausgleich notwendig sein. Der notwendige Sozialausgleich findet aus Steuermitteln statt. Steuererhöhungen sind hierfür nicht erforderlich.

Die Kassen erhalten mit der Weiterentwicklung des Zusatzbeitrages wieder mehr Finanzautonomie. Dies stärkt den Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen, schafft mehr Transparenz und kommt damit den Versicherten zu Gute. Die gesetzlichen Krankenkassen erhalten Spielräume, um gute Verträge zu gestalten und regionalen Besonderheiten gerecht werden zu können. Mit dieser Weiterentwicklung des Zusatzbeitrages wird die für eine wettbewerbliche Ausrichtung unerlässliche Beitragsflexibilität gewährleistet.



III. Den Sozialausgleich gerecht gestalten

Wir führen einen unbürokratischen und gerechten Sozialausgleich ein. Er sorgt dafür, dass kein Beitragszahler über Gebühr belastet wird. Der Sozialausgleich wird unbürokratisch umgesetzt und findet direkt bei den Arbeitgebern und den Rentenversicherungsträgern statt, indem der einkommensabhängige Beitrag entsprechend reduziert wird. Die Versicherten werden vor Überforderung ohne aufwändige bürokratische Prozesse geschützt. Die Regelung ist für die Arbeitgeber leicht handhabbar, da die Lohnabrechnung heute schon EDV-gestützt durchgeführt wird.

Das Bundesministerium für Gesundheit wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit den Koalitionsfraktionen bis zum Beginn der Wiederaufnahme der parlamentarischen Beratungen nach der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.



Im Schattenblick nicht veröffentlichte Grafiken:

Gesundheitsausgaben pro Kopf (für verschiedene Länder in US-$ pro Jahr)
Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (für verschiedene Länder in % am BIP pro Jahr)
Entwicklung der Leistungsausgaben vs. Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen in der GKV 1996-2009

Das PDF-Dokument "Eckpunkte für ein gerechtes, soziales, stabiles wettbewerbliches und transparentes Gesundheitssystem" (06.07.2010) inkl. der Grafiken ist zu finden unter:
http://www.bmg.bund.de/cln_160/nn_1168294/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2010/pm-10-07-06-gesundheitsreform.html?__nnn=true



Weitere Informationen finden Sie im Internet unter:
www.bmg.bund.de


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Quelle:
Bundesministerium für Gesundheit, Pressestelle
Pressemitteilung Nr.
Hausanschrift: Friedrichstraße 108, 10117 Berlin
Postanschrift: 11055 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2010