Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2010
Studie zur Einstellung zum Gesundheitswesen
Kunden statt Patienten? Berater fordern Umdenken
Die Beratungsgesellschaft Deloitte glaubt, dass eine Orientierung auf Konsumentenbedürfnisse im Gesundheitswesen erforderlich ist.
Deloitte untersuchte Zufriedenheit und Einstellung der Bürger mit dem
Gesundheitssystem in Deutschland, der Schweiz, Frankreich,
Großbritannien, Kanada sowie den USA. Jeweils mindestens eintausend
Bürger wurden hierfür zu ihrem Konsumverhalten sowie zum nationalen
Gesundheitssystem befragt. Obwohl in Deutschland 62 Prozent zufrieden
sind, erwarten die Befragten dennoch deutliche Verbesserungen in der
Versorgung sowie Kostensenkungen im System. Deutsche schätzen die
staatliche Finanzierung des Gesundheitssystems mittel- bis langfristig
als unzureichend ein - ihre privaten Ausgaben steigen. Das Internet
wird zunehmend für Informationsbeschaffung und Kostenvergleiche
genutzt; die Mehrheit der Befragten wünscht sich überdies eine
systemgestützte Hilfe bei Auswahl und Interaktion mit
Leistungserbringern. Die internetbasierte Verwaltung elektronischer
Patientenakten sehen die Deutschen jedoch aufgrund des Datenschutzes
kritisch. Im internationalen Vergleich belegt Deutschland die hinteren
Ränge, wenn es um persönlichen Gesundheitszustand, Systemzufriedenheit
und Offenheit für neue Services geht.
Diese Ergebnisse teilte das Unternehmen mit und befand: "Das deutsche Gesundheitswesen darf Bürger nicht länger als Patienten sehen, sondern muss sie vielmehr als Kunden wahrnehmen." "Die Bevölkerung erwartet mehr Dienstleistung bei sinkenden Kosten - doch dazu müssen die Deutschen mehr auf ihren Lebensstil achten, Behandlungspläne einhalten und aktiver an Prävention sowie Behandlungsvor- und -nachsorge beteiligt werden", sagte Prof. Peter Borges, Partner im Bereich Gesundheitswesen bei Deloitte.
Laut Selbsteinschätzung der Befragten in Deutschland ist ihr Gesundheitszustand mehrheitlich gut bis ausreichend, die Altersgruppe 45 bis 64 hingegen beurteilte die persönliche Gesundheit als überwiegend ausreichend oder sogar schlecht. Über die Hälfte von ihnen hat eine oder mehrere chronische Krankheiten - im internationalen Vergleich ist dies die höchste Prävalenz. Dennoch besuchte 2009 lediglich knapp ein Viertel der Betroffenen ein Behandlungsprogramm für chronisch Kranke - eine nach Angaben des Unternehmens geringe Zahl im Vergleich etwa zu Kanada, wo immerhin ein Drittel der Befragten diese Programme absolvierte. Die Mehrheit der Deutschen fordert angeblich finanzielle Anreize oder Prämienabschläge beim Besuch strukturierter Behandlungsprogramme - dies würde die Teilnahmebereitschaft um rund 84 Prozent erhöhen.
Das deutsche Gesundheitssystem wird laut Studie lediglich von 17
Prozent der Befragten mit "sehr gut" oder "gut" beurteilt. Besonders
mit der Infrastruktur und Informationstechnologie medizinischer
Einrichtungen sind die Deutschen zufrieden. Verbesserungsbedarf
besteht laut Studie vor allem bei Zugang und Wartezeiten für
Behandlungen. 51 Prozent unterstützen überdies eine Optimierung der
Behandlungs- und Servicequalität deutscher Praxen und Krankenhäuser.
Ferner steigen die privaten Ausgaben für die Gesundheitsversorgung: 44
Prozent der Teilnehmer gaben an, 2009 mehr für medizinische Produkte
und Dienstleistungen gezahlt zu haben als in vergangenen Jahren. Die
Mehrheit beurteilt die staatliche Finanzierung des Gesundheitssystems
kritisch und setzt zunehmend auf private Vorsorge - 51 Prozent fordern
deshalb sinkende Kosten für die medizinische Grundversorgung und für
Medikamente. Die Umfrageteilnehmer äußern sich außerdem kritisch zum
Umbau des deutschen Gesundheitssystems bei damit verbundenen Kosten.
Obwohl ihnen die Grenzen der finanziellen Systembelastbarkeit bewusst
sind, sprechen sich nur 30 Prozent für eine zusätzliche
Leistungserbringung in privater Trägerschaft aus. Ein weiteres
Ergebnis: 40 Prozent der Deutschen haben Interesse an
internetbasierten Systemen wie der elektronischen Patientenakte oder
Lösungen zur Verwaltung von Arztterminen und Medikamentenbestellungen.
(PM/Red.)
Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2010 im
Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201005/h105034a.htm
Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen
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*
Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Mai 2010
63. Jahrgang, Seite 68
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.
veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2010
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