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AUSLAND/1596: Myanmar - Zahnmedizinische Versorgung abseits der Großstädte (idw)


Private Universität Witten/Herdecke gGmbH - 22.09.2010

700 Zahnbehandlungen auf Liegestühlen - Zwei Studierende helfen einen Monat in Myanmar

Oft hilft nur das Ziehen / Füllungen sind dort eher unbekannt


Für Matthias Benedix und Felix Käpernick, zwei Studierende der Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke, waren die Semesterferien keine Erholung: Sie flogen nach Myanmar, dem ehemaligen Burma, um dort abseits der Großstädte und in der Hauptstadt Yangon, dem ehemaligen Rangun, bei der zahnmedizinischen Versorgung zu helfen. Fast den gesamten August verbrachten die beiden in Wellblechhütten und Bergdörfern. "Im Wesentlichen besteht die Aufgabe der Zahnärzte in Myanmar darin, schmerzende Zähne zu ziehen. Und das können sie wirklich gut, da haben wir viel gelernt", beschreibt Matthias Benedix die Erfahrungen. Felix Käpernick ergänzt: "Dafür drängten sich gestandene Zahnärzte um unsere mobile Behandlungseinheit, wenn wir Karies entfernten oder Füllungen legten. Darin haben die Zahnärzte dort kaum Erfahrung, weil die Materialien fehlen."

Über 100 Kilo Fluggepäck, vom Betäubungsmittel über Handschuhe bis zum Rosenbohrer, wuchteten die beiden am 28. Juli auf die Waage im Frankfurter Flughafen. "Das Material und die Gepäckbeförderung haben wir als Sponsoring von Firmen und Privatpersonen zusammengesammelt. Seit Januar 2010 haben wir diese Reise vorbereitet und Geld oder Sachleistungen erbeten", berichtet Benedix. Und doch fehlten in den ersten Tagen die nötigen Arbeitserlaubnisse der Militärregierung und die beiden waren zum Sight-Seeing verdonnert.

Nach vier Tagen und über 1000 Kilometern Reise von der Hauptstadt in das 15.000 Seelen-Dorf Kalaw konnte die Zahnbehandlung dann aber losgehen. "In einem leer geräumten Gasthaus standen fünf Liegestühle nebeneinander. Das waren die Behandlungsstühle. Und die beiden Gaskocher daneben sterilisierten die Instrumente im Dauerbetrieb. Vor der Tür stand schon eine lange Schlange von Leidenden, die mit Zähnen zu uns kamen, wie wir sie in Deutschland schon lange nicht mehr gesehen haben", erinnert sich Käpernick an die Umstände. Die beiden kamen in knapp 10 Tagen auf über 400 gezogene Zähne und Wurzelreste. "Die Bewohner des Bergdorfes essen meist Teigwaren gekocht oder frittiert und die Kohlehydrate darin zersetzen sich zu Zucker, der wiederum Karies verursacht. Denn Zähneputzen ist dort keine sehr verbreitete Form der Vorsorge", erklärt Benedix den schlechten Zustand der Zähne.

Damit unterscheidet sich die Lage der Bergbewohner ganz wesentlich von der der Waisen in den Waisenhäusern der Hauptstadt. Dort wurde zumindest regelmäßig geputzt und für die Zahnbürsten sorgten die beiden. "Für die Kinder hatten wir unser Krokodil Joe dabei. An der Handpuppe zeigten wir, wie man die Zähne richtig putzt und welche Nahrung gesund für die Zähne ist", beschreibt Käpernick die zweite Station ihres Aufenthaltes. Insgesamt 140 Kinder lernten so, wie sie sich den Bohrer oder die Zange ersparen können. Über 700 Patienten versorgten die beiden. "Es ist erschreckend, wie dünn das Versorgungsnetz der Zahnmedizin in diesem Land ist. Zahnschmerzen sind schon schlimm, aber wenn es dann keine Hilfe weit und breit gibt - das können wir uns ja gar nicht mehr vorstellen", fasst Benedix die Erfahrungen zusammen. "Wir wollen auf jeden Fall mit unserer Hilfe weiter machen: Die Behandlungseinheit haben wir einer jungen Zahnärztin im Land überlassen. Wenn Regierung, Papierkram und Sponsoren sich als gnädig erweisen, kommt sie nächstes Jahr zu uns nach Witten und kann in den verschiedenen Fachabteilungen in der Universitätszahnklinik den neuesten Stand der Behandlungsmöglichkeiten kennen lernen. Aber auch dann fehlt es an den Materialen, den Bohrern und an fast allem, um die Menschen von den Schmerzen zu befreien", blickt Käpernick in die Zukunft.

Jetzt beginnt für die beiden erst mal ein bisschen Erholung nach den Reisestrapazen in Bussen und Flugzeugen sowie den beinahe unvermeidlichen Magen-Darm-Geschichten. "Die massiv zerfressenen Zähne der Kinder werden uns noch lange verfolgen. Wir hoffen, dass wir ein wenig dazu beitragen können, das Lächeln wieder lückenlos zu machen."


Weitere Informationen unter
Mathias.benedix@uni-wh.de
Felix.Käpernick@uni-wh.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

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Zahnbehandlung unter sehr einfachen Bedingungen

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Vorbeugung mit dem Krokodil Joe

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Kay Gropp, 22.09.2010
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2010