Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


STUDIE/035: Notaufnahme statt Hausarzt (idw)


Charité / Universitätsmedizin Berlin - 12.12.2016

Notaufnahme statt Hausarzt


Lieber in die Notaufnahme als in die Arztpraxis: Immer häufiger suchen Patientinnen und Patienten, die keinen notfallmedizinischen Bedarf haben, Rettungsstellen auf. Das bringt die Notaufnahmen an ihre Grenzen. Wissenschaftler der Charité - Universitätsmedizin Berlin haben nun Frauen und Männer aus ländlichen und städtischen Regionen zu ihren Motiven befragt, eine Rettungsstelle aufzusuchen. Die Ergebnisse der Studie sind jetzt in der Fachzeitschrift British Medical Journal* veröffentlicht.

Ob Blasenentzündung oder Zeckenbiss - mindestens ein Drittel der Notaufnahmepatienten könnten mit ihrem medizinischen Anliegen durch niedergelassene Fach- oder Hausärzte versorgt werden. Die Mehrheit kommt dennoch in die Notfallambulanz. Wissenschaftler um Prof. Dr. Martin Möckel, Ärztlicher Leiter der Rettungsstellen am Campus Charité Mitte und am Campus Virchow-Klinikum, befragten Patienten nach den Gründen. "Wir haben herausgefunden, dass die Patienten die Rettungsstelle als eigenständigen Anlaufpunkt medizinischer Versorgung wahrnehmen. Interessant dabei war, dass sich die Motive der Patienten aus ländlichen und städtischen Gegenden nur geringfügig unterscheiden", erklärt Prof. Möckel.

Die Beweggründe der Patienten waren beispielsweise schwer verfügbare Haus- und Facharzttermine, Zeitautonomie, die qualitativ hochwertige Versorgung sowie die Möglichkeit multidisziplinärer Untersuchungen während eines Aufenthalts. Darüber hinaus wurde die Empfehlung des niedergelassenen Arztes, eine Rettungsstelle aufzusuchen, angegeben. Die Untersuchungen ergaben auch, dass die Befragten aus den ländlichen Regionen alle hausärztliche Verbindungen hatten, während in der Stadt einige die Notaufnahme als Hausarztersatz nutzten. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die strikte Trennung zwischen ambulanten und stationären Versorgungsangeboten nicht bedarfsgerecht ist und nicht der Lebenswirklichkeit der Patienten entspricht. Wenn wir die medizinische Qualität für Patienten aller Behandlungsbedürfnisse garantieren wollen, muss die Notfall- und Akutmedizin als eigener, dritter Sektor verstanden und dementsprechend finanziert werden", fügt Prof. Möckel hinzu.


* Schmiedhofer, M., Möckel M., Slagman, A., Frick J., Ruhla S., Searle, J. Patient motives behind low-acuity visits to the emergency department in Germany: a qualitative study comparing urban and rural sites. BMJ Open. 2016 Nov 16;6(11):e013323. doi: 10.1136/bmjopen-2016-013323.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/?term=Patient+motives+behind+low-acuity+visits+to+the+emergency+department+in+Germany

Kontakt:
Prof. Dr. Martin Möckel
Ärztlicher Leiter Notfallmedizin/Rettungsstellen
Campus Charité Mitte und
Campus Virchow-Klinikum
Charité - Universitätsmedizin Berlin
martin.moeckel@charite.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://Charité Notfallmedizin
https://notfallmedizin.charite.de/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution318

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Charité - Universitätsmedizin Berlin, Jessica Oemisch, 12.12.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang