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POLITIK/1898: Landtagsdebatte - Notfallambulanzen sollen entlastet werden (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2017

Landtagsdebatte
Ziel: Entlastung für Notfallambulanzen

von Dirk Schnack


Schleswig-Holstein will die Öffnungszeiten für Anlaufpraxen an den Krankenhäusern verlängern. Bundesratsinitiative, damit das Gesetz entsprechend geändert wird.


Anlauf- und Portalpraxen an Krankenhäusern sollen künftig auch zu Sprechstundenzeiten der Vertragsärzte öffnen dürfen. Dieses Ziel hat eine Bundesratsinitiative, zu der sich die Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein im vergangenen Monat entschlossen hat.

In den Tagen zuvor hatte das Thema den Weg aus den Fachmedien heraus in die Publikumspresse gefunden. Grund für die gestiegene Aufmerksamkeit ist die seit Jahren wachsende Zahl an Patienten in den Notfallambulanzen an den Krankenhäusern. Am 15. November schließlich beschäftigte sich auch der Kieler Landtag mit dem Thema. Die Gesundheitspolitiker waren sich in der Diskussion einig, dass etwas passieren muss. "Dieser Zustand belastet sowohl das medizinische Personal als auch die Patientinnen und Patienten. Das darf so nicht bleiben", sagte etwa Hans Hinrich Neve, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU. Ärztin Dr. Marret Bohn, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, stellte klar: "Es ist wichtig, dass schwere Notfälle schnell behandelt werden. Sonst kommt es zu viel zu langen Wartezeiten."

Auch Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg (FDP) bezeichnete den Handlungsbedarf als "unstrittig" und sprach von einem Anstieg der Zahlen um fünf Prozent. Daraus resultiere ein Mehraufwand durch die erforderliche Selektion von echten Notfällen, die Behandlung nicht akuter Fälle und das Heranziehen von Fachärzten bzw. in der weiteren Folge durch Doppelbefundungen durch Überweisung an niedergelassene Ärzte. Folge der Einigkeit war folgender Antrag der Regierungskoalition:

1. Der Schleswig-Holsteinische Landtag bittet die Landesregierung, eine Bundesratsinitiative zur Änderung des SGB V mit dem Ziel zu starten, den Regelbetrieb von Anlauf- oder Portalpraxen in Krankenhäusern auch während der vertragsärztlichen Sprechstundenzeiten zu ermöglichen. Hierbei sollen regionale Konzepte und Hinweise der medizinischen Fachgesellschaften berücksichtigt werden.

2. Darüber hinaus wird die Landesregierung gebeten, sofern die gesetzliche Grundlage geschaffen wurde, Modellprojekte zu initiieren und sich mit den Trägern von Portal- oder Anlaufpraxen zu beraten, in welchem Rahmen und mit welchen Schritten die intersektorale Zusammenarbeit auszubauen ist. Hierzu soll auch geprüft werden, wie die Umsetzung und der Ausbau von Integrierten Notfallzentren (INZ) mit einer vorgelagerten Triage-Zone gestaltet werden können. Hierbei ist auf eine interdisziplinäre Koordinierung und enge Zusammenarbeit zwischen den Portal- und Anlaufpraxen und den Krankenhäusern zu achten.

3. Die Landesregierung wird weiter gebeten, gemeinsam mit den Akteuren in Schleswig-Holstein zu prüfen, wie die Zusammenarbeit und die Anwendung bereits vorhandener Kommunikationswege (Notrufnummer 112 und Notfallnummer des Kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes 116 117) verbessert und nachhaltig gestärkt werden können. Um eine dauerhafte Vernetzung dieser Notrufnummern zu erreichen, soll das Ziel sein, ein Modellprojekt für Schleswig-Holstein auf den Weg zu bringen.

In Schleswig-Holstein gibt es derzeit 33 Anlaufpraxen sowie weitere zwölf für pädiatrische Fälle. Bislang schreibt der Gesetzgeber vor, dass diese Anlaufpraxen nur während der sprechstundenfreien Zeiten geöffnet haben dürfen. "Diese zeitliche Beschränkung ist aus meiner Sicht der entscheidende Verbesserungsbedarf dieses insgesamt sehr bewährten Konzepts. Die Inanspruchnahme der Notfallambulanzen durch nicht akut behandlungsbedürftige Patienten stellt auch zu üblichen Praxisöffnungszeiten ein zunehmendes Problem dar", sagte Garg. Zugleich erhofft er sich eine Weiterentwicklung der Anlaufpraxen zu Portalpraxen, in denen niedergelassene Ärzte und Klinikkollegen gemeinsam arbeiten und so Wissen und Erfahrung aus der ambulanten und stationären Versorgung bündeln.

Die Behandlung in den Portalpraxen hätte lediglich den Umfang einer ambulanten Notfallbehandlung. "Ziel ist explizit kein Angebot, das den Praxisbesuch voll ersetzt", sagte Garg. Er sieht in der Bündelung von Arztkapazitäten über die Sektoren hinweg auch die Chance, die Bereitschaftsdienstversorgung im ländlichen Raum zu verbessern und damit Niederlassungen in der Fläche attraktiver zu machen. Ausdrücklich lobte Garg bisherige Bemühungen der Akteure in Schleswig-Holstein, den steigenden Andrang zu kanalisieren. Als Beispiel nannte er gemeinsame Empfangstresen von Notfallambulanzen und Anlaufpraxen. Diese gibt es wie berichtet bereits im Heider Westküstenklinikum und in der imland Klinik Rendsburg, in der Entwicklung befindet sich das Modell nach Angaben des Kieler Gesundheitsministeriums noch in Neustadt und in Westerland auf Sylt.

Unterstützt wurde der Antrag der Regierungskoalition auch von den Oppositionsparteien SSW und AfD. Die SPD stimmte nicht zu, sieht aber ebenfalls Handlungsbedarf. Gesundheitspolitikerin Birte Pauls hätte sich eine umfassendere Lösung gewünscht. "Wenn wir die Sektorengrenzen überwinden wollen, muss das mit allen Akteuren gut abgestimmt, logisch und gründlich passieren und nicht im Schnellschuss allein mit Öffnungszeiten oder regionalen Konzepten. Eine umfassende Lösung ist dringend geboten, aber dafür reichen Öffnungszeiten, von denen wir gar nicht wissen, wie wir sie bei dem vorhandenen Fachkräftemangel besetzen sollen, bei Weitem nicht aus", sagte Pauls. Sie regte an, über Polikliniken, einen Facharzt für Notfallmedizin und längere Praxisöffnungszeiten von Hausärzten nachzudenken.


116 117

Diese bundesweite Telefonnummer ist vielen Menschen in Deutschland noch nicht bekannt. Über diese Nummer bekommen Menschen auch außerhalb der Sprechzeiten in dringenden Fällen ärztliche Hilfe.

Der ärztliche Bereitschaftsdienst steht montags, dienstags und donnerstags von 18 bis 8 Uhr, mittwochs und freitags von 13 bis 8 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags rund um die Uhr zur Verfügung.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201712/h17124a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Dezember 2017, Seite 16
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2018

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