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ARTIKEL/1386: Zu spät und häufig unvollständig - Hausärzte kritisieren Arztbriefe der Kliniken (Thieme)


Thieme Verlag - FZMedNews - 27.04.2015

Zu spät und häufig unvollständig: Hausärzte kritisieren Arztbriefe der Kliniken


fzm, Stuttgart, April 2015 - Arztbriefe haben in Deutschland eine lange Laufzeit. Da die meisten Klinikärzte die Dokumente den Patienten bei der Entlassung aus dem Krankenhaus aushändigen, treffen sie erst verspätet bei ihren Adressaten, den Hausärzten ein. Diese beklagen laut einer Umfrage in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2015), dass sie erst spät von Änderungen im Medikamentenplan erfahren und dass die Klinikärzte ihre Entscheidungen oft nicht ausreichend begründen.

Viele Patienten erhalten anlässlich einer Krankenhausbehandlung neue Medikamente. Diese Entlassungsmedikation ist ein wichtiger Bestandteil des Arztbriefes. Wenn er verspätet eintrifft, kann dies die nahtlose Versorgung des Patienten gefährden, schreibt Dr. med. Gisela Schott von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft in Berlin. Ein Problem ergibt sich daraus, dass die Hausärzte die Entlassungsmedikation nicht immer übernehmen können. Einige Medikamente benötigen die Patienten nach der Entlassung nicht mehr, bei anderen muss der Hausarzt aus Budgetgründen nach kostengünstigeren Alternativen suchen. Die Schnittstelle zwischen der stationären und der ambulanten Behandlung könne deshalb zu einer Bruchstelle in der Patientenversorgung werden, so Dr. Schott.

Worin die Schwierigkeiten derzeit liegen, hat die Expertin mit Mitarbeitern der Berlin School of Public Health, Berlin, und der Universität Freiburg in einer Umfrage unter 516 Hausärzten untersucht. Die meisten Ärzte erklärten, dass sie in der Regel erst beim ersten Patientenbesuch von der Änderung der Medikation erfahren. Ein Drittel der Ärzte gab an, dass die Arztbriefe oft sogar noch später eintrafen, weil die Klinikkollegen sie verspätet erstellten und mit der Post verschickten. Dr. Schott sieht darin eine ernsthafte Gefahr für die nahtlose Patientenversorgung. Sie begrüßte es deshalb, dass die Mehrheit der Hausärzte eine elektronische Übermittlung bevorzugen würde. Die meisten der befragten Ärzte gaben an, dass sie den Arztbrief am liebsten per Fax erhalten würden. Dr. Schott fordert die Krankenhäuser deshalb auf, ihr Entlassungsmanagement dahingehend zu prüfen, ob Arztbriefe vorweg per Fax verschickt werden könnten. Eine Übermittlung per E-Mail, die etwa in den Niederlanden üblich ist, wünschten nur neun Prozent der Befragten. Dr. Schott vermutet, dass technische und datenrechtliche Gründe für die reservierte Haltung der deutschen Mediziner verantwortlich sind. Erste Pilotprojekte hätten jedoch gezeigt, dass die internetbasierte Kommunikation verbessert werden könnte.

Auch der Inhalt der Arztbriefe ist nach Ansicht der meisten Hausärzte verbesserungswürdig. Für fast 80 Prozent war es wichtig, dass die Klinikärzte im Medikationsplan den Wirkstoffnamen erwähnen. Aber nur etwa die Hälfte gab an, dass der Wirkstoff häufig oder sehr häufig im Arztbrief genannt wird. Nahezu 50 Prozent der Hausärzte beklagte, dass die Klinikärzte nur selten oder nie Gründe für die Medikationsänderungen angeben. Pharmazeutische Hinweise, etwa zur Therapiedauer, den Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder zum Risiko unerwünschter Arzneimittelereignisse vermissten mehr als zwei Drittel der Befragten, obwohl die meisten dieser Informationen für wichtig oder sehr wichtig hielten. Detaillierte Angaben zum Medikationsplan und ihre Begründungen sowie pharmazeutische Hinweise könnten die Hausärzte in ihrer Weiterbehandlung des Patienten unterstützen und damit eine kontinuierliche und sichere Arzneimitteltherapie fördern, betont Dr. Schott.

Ein Drittel der Hausärzte sieht sich der Umfrage zufolge gezwungen, die Medikationspläne aus dem Krankenhaus wieder umzustellen. Für Dr. Schott ist dies Ausdruck einer schlechten Abstimmung zwischen den beiden Versorgungssektoren. Sie sieht die Gefahr, dass vereinzelt notwendige Medikamente nicht weiter verordnet werden. Als mögliche Maßnahme schlägt sie die Erstellung gemeinsamer Arzneimittellisten von Vertrags- und Krankenhausärzten vor. Dies könnte verhindern, dass die Hausärzte einige Medikamente allein aus Budgetgründen wieder absetzen.


G. Schott et al.:
Die Informationen zur Arzneimitteltherapie im Arztbrief: Was erwarten Hausärzte?
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (8); e74-e79

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Quelle:
FZMedNews - Montag, 27. April 2015
Thieme Verlagsgruppe
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2015

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