Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


ARTIKEL/1469: Pädiatrie in Krankenhäusern und Praxen (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 3/2018

Weiterbildung

Pädiatrie in Krankenhäusern und Praxen kennenlernen

von Dr. Christoph Weiß-Becker


Ein Verbundkonzept macht es möglich: Die Weiterbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin kann in einem verlässlichen Rahmen in beiden Sektoren erfolgen.


Beim DSHeutschen Ärztetag in Erfurt werden in wenigen Wochen wichtige Weichen für die ärztliche Weiterbildung gestellt. Unabhängig davon gibt es Spielräume auf Landesebene, wie ein Modell aus Schleswig-Holstein zeigt. Seit rund einem Jahr kann die pädiatrische Weiterbildung auch in der ambulanten Versorgung gefördert werden, zumindest im ländlichen Raum.

Bislang findet Weiterbildung in der Pädiatrie überwiegend in Krankenhäusern statt, obwohl viele Inhalte der ambulanten allgemeinen Pädiatrie dort nur bedingt vermittelt werden können. Um dem Wunsch von Ärzten in Weiterbildung nach ambulanten Abschnitten entsprechen zu können, haben sich Kinderkliniken und niedergelassene Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin in Absprache mit Vertretern der Weiterbildungsassistenten auf ein Konzept verständigt, das die ambulanten Inhalte dort vermittelt, wo sie vorkommen: in den Kinder- und Jugendarztpraxen. Dafür können die Assistenten in ihrem dritten oder vierten Weiterbildungsjahr von den Kliniken für einen Zeitraum von zwölf bis 24 Monaten mit halber Stelle an eine Praxis abgeordnet werden. Das Modell bietet den Assistenten mehrere Vorteile: einen zusätzlich erworbenen Erfahrungsschatz und einen verlässlichen Rahmen. Die Formen der Zusammenarbeit sind vielfältig und lassen sich an die Bedingungen vor Ort anpassen.

Der Weiterbildungsbeauftragte des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendmedizin in Schleswig-Holstein, Dr. Christoph Weiß-Becker, hält das Projekt für zukunftsweisend, er beteiligt sich selbst mit seiner Praxis. Welche Vorteile er darin sieht und was Weiterbildungsassistenten sagen, die das Verbundkonzept gewählt haben, lesen Sie im Titelthema.

*

Weiterbildung
Neues Konzept für die Pädiatrie im Verbund

Ziel: Bessere Weiterbildung und Erhalt der ambulanten Pädiatrie. Kliniker, niedergelassene Pädiater und Ärztinnen in Weiterbildung berichten von ihren Erfahrungen.


Weiterbildung in der Pädiatrie findet noch immer fast ausschließlich im klinischen Kontext statt. Und das, obwohl viele Inhalte der ambulanten allgemeinen Pädiatrie in der Klinik nicht oder nur bedingt weitergebildet werden können und jeder zweite Pädiater später in der ambulanten Grundversorgung tätig wird. Seit einem guten Jahr kann Weiterbildung nun auch in der ambulanten allgemeinen Pädiatrie - zumindest im ländlichen Raum - gefördert werden, eine Anerkennung von Weiterbildungszeiten von bis zu 24 Monaten ist schon seit Langem möglich.

Auch der Wunsch der Assistenten nach Weiterbildung in der ambulanten Grundversorgung wird immer wieder bekundet. Oft scheitert dieser Wunsch an organisatorischen und strukturellen Problemen bei der Umsetzung. Die Kinderkliniken der Akutversorgung in Schleswig-Holstein und niedergelassene Pädiater haben deshalb in Absprache mit Assistentenvertretern ein Konzept erarbeitet, das Abhilfe schaffen soll.

Im Rahmen des Projekts "Verbundweiterbildung in der Pädiatrie in Schleswig-Holstein" erhalten Ärzte in Weiterbildung die Möglichkeit, im Rahmen einer Abordnung vorzugsweise im dritten oder vierten Weiterbildungsjahr für die Dauer von 12 bis 24 Monaten mit halber Stelle in der ambulanten grundversorgenden Pädiatrie tätig zu werden.

Das Projekt bietet folgende Merkmale:

  • Verbundweiterbildung in einem verlässlichen Rahmen
  • Zusammenarbeit von Kinderkliniken und qualifizierten Weiterbilderpraxen
  • Durchführung in der Fläche in Schleswig-Holstein
  • Fundierte klinische Weiterbildung in den Bereichen der spezialisierten Pädiatrie einschließlich der Neonatologie und Intensivmedizin
  • Vollständiges Angebot aller für die Facharztweiterbildung geforderten Weiterbildungsinhalte im vorgegebenen Zeitrahmen
  • Vermittlung von Erfahrungen in der pädiatrischen Grundversorgung für Ärztinnen und Ärzte bereits in der Weiterbildung mit dem strukturierten kompetenzbasierten Curriculum PaedCompenda©
  • Abordnung in die Weiterbilderpraxis im vereinbarten Umfang
  • Darüber hinausgehender Stellenanteil wird in der Klinik abgeleistet
  • Der Arbeitsvertrag und die Vergütung bestehen unverändert fort
  • Die Tätigkeit wird von der Ärztekammer in vollem Umfang anerkannt

Hier werden die Ärzte auf der Basis des strukturierten kompetenzbasierten Curriculums PaedCompenda© der Deutschen Gesellschaft für Ambulante Allgemeine Pädiatrie (DGAAP) weitergebildet (siehe nebenstehende Infoleiste).

Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Rahmen der Weiterbildung sind vielfältig und lassen sich oft an die Erfordernisse verschiedener Praxisformen, der Klinikstrukturen und an die Wünsche für die Tätigkeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Ärzte in Weiterbildung anpassen. An Beispielen berichten wir auf den folgenden Seiten exemplarisch, welche Erfahrungen Kliniker, niedergelassene Weiterbilder und Ärzte in Weitbildung mit dem Verbundmodell gemacht haben.

Fazit

Das Verbundkonzept in Schleswig-Holstein führt zu einer Verbesserung der Weiterbildung, indem Inhalte der ambulanten allgemeinen Pädiatrie dort erlernt werden, wo sie vorkommen - in der Grundversorgung der Pädiatrie, in den Kinder- und Jugendarztpraxen in Schleswig-Holstein. Durch ein neues, strukturiertes und kompetenzbasiertes Curriculum wird die Qualität der Weiterbildung verbessert, sie wird nachvollziehbar und legt damit auch ein gutes Fundament für die Zusammenarbeit zwischen Praxen und Kliniken. Die Zukunft liegt in einem gemeinsamen kompetenzbasierten Weiterbildungsprogramm für Klinik und Praxis, die Lerninhalte werden aufeinander abgestimmt sein und sich ergänzen.

Weiterbildung im Verbundmodell wird für Weiterzubildende attraktiv, teilnehmende Kliniken und Praxen werden im Werben um Assistenten ein Qualitätsmerkmal in der Weiterbildung herausstellen können.

Erfahrungen in klinischer und ambulanter Weiterbildung werden Assistenten die Entscheidung für die spätere berufliche Ausrichtung erleichtern und helfen, eine flächendeckende Versorgung in der Pädiatrie auch in ländlichen Räumen aufrecht zu erhalten.

Schon jetzt zeigen sich - wenn auch noch nicht so deutlich wie in der Allgemeinmedizin - Probleme bei der Nachbesetzung von Praxen, und dies nicht nur in den ländlichen Regionen, sondern auch in städtischen Bereichen. So sehr neue Möglichkeiten der Förderung ambulanter Weiterbildung in der Kinderheilkunde zu begrüßen sind, ist zugleich zu bedauern, dass bislang Praxen in kreisfreien Städten von der Förderung ausgenommen sind. Viele Praxen liegen in der Nähe von großen weiterbildenden Kliniken dieser Städte und bleiben damit von der Förderung ausgeschlossen. Hier heißt es, in Zukunft auf Änderungen zu drängen.

Flächendeckende Verbundweiterbildung in der Pädiatrie in Schleswig-Holstein ist ein zukunftsweisendes Projekt. Es gilt, das Vorhaben auszubauen und mit Leben zu füllen.

Dr. Christoph Weiss-Becker Weiterbildungsbeauftragter des Berufsverband für Kinder und Jugendmedizin in Schleswig-Holstein


INFO

Im kanadischen Rollenmodell CanMEDS sind die ärztliche Kernkompetenzen des Medizinischen Experte in den Rollen als Kommunikator, Gesundheitsfürsprecher, Lehrer und Lernen, Teamworker, Manager und als ärztliches Vorbild beschrieben.

Kompetenzen sind komplexe Bereiche, in denen Wissen, Fertigkeiten und Haltungen integriert sind. Sie sind nicht messbar, werden jedoch am Verhalten bei der Ausführung von Tätigkeiten beabachtbar. Zwölf "Anvertraubare professionelle Tätigkeiten" (APT) sind als wichtige Arbeitsfelder der ambulanten allgemeinen Pädiatrie beschrieben. Für jede APT sind Lernziele definiert, die die spezifischen, messbaren, anspruchsvollen, relevanten und terminierten Kriterien darstellen, anhand derer der individuelle Weiterbildungsstand und der Lernfortschritt erfasst und dokumentiert werden kann.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 3/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201803/h18034a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, März 2018, Seite 1 und 6
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.de
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang