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ARTIKEL/1452: Medizinische Fakultäten diskutierten in Hamburg über Medizin und das Arztbild von morgen (idw)


MFT Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e. V. - 19.06.2017

Wandel aktiv mitgestalten: Medizinische Fakultäten diskutieren über Medizin und Arztbild von morgen


Auf Einladung der Medizinischen Fakultät Hamburg fand der 78. Ordentliche Medizinische Fakultätentag (oMFT) am 15. und 16. Juni am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf statt. Auf der Agenda standen vor allem die medizinische Versorgung der Zukunft und die Weiterentwicklung des Medizinstudiums.

Vertreter der Medizinischen Fakultäten, der Gesundheits- und Wissenschaftspolitik sowie der Wirtschaft diskutierten vergangene Woche intensiv über künftige Entwicklungen der Universitätsmedizin und der medizinischen Ausbildung. Passend zu den visionären Themenschwerpunkten des diesjährigen oMFT gab Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe in seinem Eröffnungsvortrag einen Ausblick auf die kommenden Herausforderungen des Gesundheitswesens in Deutschland. Innovationen seien notwendig, um die Versorgung der Patienten langfristig zu sichern und die Stabilität eines solidarischen Gesundheitssystems zu gewährleisten. Zugleich würdigte Gröhe die bisherigen Leistungen der Unimedizin.

Digitalisierung als Chance

Eine dieser Herausforderungen ist zweifellos die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung. Denn die Informationstechnologie in Deutschland ist noch immer weit von einer Vorreiterstellung entfernt. Dennoch gibt es mit der vom BMBF Ende 2015 gestarteten Medizininformatikinitiative ebenso deutliche wie nachhaltige Bewegungen in die richtige Richtung. "Die Möglichkeiten des medizinischen Fortschritts werden ganz wesentlich durch die Informationstechnologie bestimmt, und die Digitalisierung spielt dabei eine große Rolle. Das Programm zur Medizininformatik hat wie wenige vor ihm einen ganzen Bereich der Universitätsmedizin in eine positive Bewegung versetzt", lobt MFT-Präsident Heyo K. Kroemer die aktuellen Entwicklungen. Allerdings weist die Digitalisierung einige Besonderheiten auf, die nachdenklich stimmen, denn ein ganz erheblicher Teil der Entwicklung findet im Bereich der Privatwirtschaft statt. "Jeder Nutzer eines Smartphones sammelt große Mengen Daten, die etwa für klinische Studien verwendet werden können. Wenn wir nicht aufpassen, wird ein Teil der heutigen Aufgaben der universitären Medizin von Dritten übernommen. Insofern wäre es ausdrücklich zu begrüßen, wenn der Staat das Heft des Handelns im Bereich der Digitalisierung des Gesundheitssystems weiter in die Hand nimmt", so Kroemer weiter. Letzten Endes geht es darum, Digitalisierung und medizinischen Fortschritt so zu verknüpfen, dass eine optimale Patientenversorgung und ein transparenter Datenumgang gewährleistet sind - auch mit Blick auf den demografischen Wandel. Die Universitätsmedizin will sich hier gern beteiligen und hat im Rahmen einer Selbstverpflichtung angekündigt, so schnell wie möglich eine forschungsbezogene, digitale Patientenakte einzuführen.

Reformen für das Medizinstudium

Die Diskussionen zur Weiterentwicklung des Medizinstudiums wurden in Hamburg auch vor dem Hintergrund des Ende März von der Bundesregierung verabschiedeten Masterplans Medizinstudium 2020 geführt. Ein Podiumsgespräch zum Thema bot Gelegenheit zur Bestandsaufnahme. Viele der im Masterplan enthaltenen Forderungen werden von Modell- und Regelstudiengängen gleichermaßen umgesetzt - etwa die Kompetenzorientierung der Ausbildung oder die frühe Verknüpfung theoretischer und klinischer Lehrinhalte über den gesamten Verlauf des Studiums. "Das Medizinstudium in Deutschland erfolgt auf hohem Niveau. Dass dabei mit den Regel- und den Modellstudiengängen verschiedene Wege beschritten werden können, ist eine große Bereicherung. Die Zielsetzung ist letztlich dieselbe; es geht um die exzellente, wissenschaftsbasierte Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten, die über die Möglichkeiten der Technik hinaus ihre Rolle als Fürsorger wahrnehmen", betont MFT-Generalsekretär Frank Wissing. Aus diesem Grund ist eine dirigistische Gleichschaltung aller Curricula in Deutschland durch einen zu eng gesteckten Rahmen nicht hilfreich, will man das Medizinstudium zukunftsorientiert gestalten. Darin sind sich Fakultäten und Studierende einig. Sie wenden sich gegen eine kleinteilig abgefasste Approbationsordnung und eine zentrale Behörde, die Lernzielkataloge als verbindlich vorgibt.

Die Diskussion hat ferner deutlich gemacht, dass das Medizinstudium nicht nur die berufliche Ausbildung zum Arzt beinhaltet, sondern auch ein akademisches Studium ist. Diesen Anspruch gilt es einzulösen. Entsprechend hat der MFT auf seiner Mitgliederversammlung ein Positionspapier zur Vermittlung von Wissenschaftskompetenz im Studium verabschiedet. Denn im Sinne der Freiheit von Forschung und Lehre muss die inhaltliche Ausgestaltung des Studiums ganz klar bei den Fakultäten liegen. Dazu können sie auch auf die etablierten Nationalen Lernzielkataloge Medizin und Zahnmedizin verweisen, die sich aktuell in der Umsetzung befinden. Sie sollen unter Federführung der Fakultäten weiterentwickelt und noch stärker implementiert werden.

Blick in die Zukunft

Die Vorträge und Gespräche haben vor allem eins gezeigt: Die rasante Dynamik, mit der sich die technischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems ändern, erfordern ein Studium, das zur wissensbasierten Reflexion und zum lebenslangen Lernen befähigt. Viele der in Hamburg erörterten Themen bieten gute Lösungsansätze für die Zukunft. Hierfür gilt es, mit allen Beteiligten im Dialog zu bleiben und etwa die Ansätze im Masterplan gemeinsam mit der Politik zu diskutieren. Die Umsetzung einzelner Maßnahmen muss sachlich gestaltet werden. Die mit viel Aufwand in den letzten Jahren an allen Standorten eingeführten Reformen und etablierten Modernisierungen dürfen nicht durch blanken Aktionismus der Politik zurückgeworfen werden. Auch die gemeinsam von MFT und bvmd formulierten Empfehlungen zur Studierendenauswahl sind Ausgangspunkt für weitere Gespräche mit Bund und Ländern, um das Auswahlverfahren zukunftsorientiert zu modernisieren. "Die Medizinischen Fakultäten werden die Erfahrungen der vergangenen Jahre nutzen, um die künftigen Entwicklungen aktiv mitzugestalten. Wir geben ein deutliches Signal an die Politik, dass wir uns an der Problemlösung, die den Kern unserer Arbeit betrifft, sehr gern beteiligen wollen. Was wir nicht brauchen, ist eine jahrelange Auseinandersetzung der Beteiligten um Verfahrens- und Finanzfragen, die am Ende zu Lasten unserer Studierenden und damit der Ausbildungsqualität geht", fasst Heyo K. Kroemer die Ergebnisse der Tagung zusammen.

- Über den MFT
Der MFT Medizinische Fakultätentag ist der Zusammenschluss der Medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Deutschlands, die in über 70 verschiedenen Studiengängen für die Ausbildung von rund 93.000 Studierenden der Human- und Zahnmedizin sowie der Gesundheitswissenschaften Sorge tragen.


Kontakt:
Corinne M. Dölling
MFT Medizinischer Fakultätentag
Alt-Moabit 96, 10559 Berlin
E-Mail: doelling@mft-online.de

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PM oMFT Hamburg

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution847

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
MFT Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e. V.
Corinne M. Dölling, 19.06.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2017

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