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ARTIKEL/1439: Allgemeinmedizin - Kompetente Weiterbildung (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2017

Allgemeinmedizin
Kompetente Weiterbildung

Von Dirk Schnack


Erfolgreiche Auftaktveranstaltung für das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Schleswig-Holstein.


Beide Lehrstühle für Allgemeinmedizin, Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung haben gemeinsam das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin Schleswig-Holstein gegründet. Zur Auftaktveranstaltung im Dezember in Bad Segeberg zeigte sich auch die Landesregierung von diesem bundesweit einmaligen Bündnis für die Allgemeinmedizin und von der Teilnehmerzahl - fast 60 angehende Hausärzte waren an diesem Tag in das Bildungszentrum der Ärztekammer gekommen - beeindruckt. Schleswig-Holsteins Gesundheits-Staatssekretärin Anette Langner sprach von einem "tollen Tag für Schleswig-Holstein und für die Allgemeinmedizin".

Denn mit dem Kompetenzzentrum wird die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin attraktiver, ist auch Langner überzeugt. Darüber hinaus müssten aber weitere Anstrengungen folgen. Als Beispiele nannte sie die allgemeinmedizinischen Inhalte an den Hochschulen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Hausärzte. Zugleich verwies sie auf die in manchen Regionen schwierige Suche nach Nachfolgern für allgemeinmedizinische Praxen.

Für dieses Problem wird seit einigen Jahren bundesweit nach Lösungen gesucht. Eine davon ist, die Weiterbildung für dieses Fach durch die Schaffung von Kompetenzzentren attraktiver zu machen. Der Gesetzgeber hat dies schon in Paragrafenform gegossen, geregelt im neuen Paragrafen 75a im Sozialgesetzbuch V.

Die Zentren sollen den angehenden Allgemeinmedizinern zusätzlich zu den bestehenden Modulen in Klinik und Praxis praxisnahe Begleitseminare und Mentoring-Inhalte anbieten. Außerdem sollen Ärzte, die in ihren Praxen junge Kollegen weiterbilden, in Train-the-Trainer-Seminaren geschult und der gesamte Prozess wissenschaftlich evaluiert werden. Bis 2018, so die Vorstellung auf Bundesebene, sollen die Kompetenzzentren flächendeckend in Deutschland arbeiten. Vorbilder gibt es auch. So sind etwa in Hessen im Rahmen eines Paktes zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung 2012 vergleichbare Zentren gegründet wurden. Dort sind sie an die allgemeinmedizinischen Einrichtungen der Universitäten in Frankfurt und Marburg angegliedert.

Schleswig-Holstein geht einen etwas anderen Weg: Hier wird das Kompetenzzentrum unter das Dach des Instituts für Ärztliche Qualität in Schleswig-Holstein, einer gemeinsamen Einrichtung von Kammer, KV und Krankenhausgesellschaft, eingegliedert. Unter diesem Dach werden Aktivitäten zur sektorenübergreifenden Versorgung gebündelt. "Woanders behakeln sich die Organisationen, bei uns eben nicht", sagte die KV-Vorstandsvorsitzende Dr. Monika Schliffke zu der in Schleswig-Holstein gefundenen Sonderlösung. Die Zusammenarbeit steht unter dem Motto: Keine unnötige gegenseitige Konkurrenz für die Weiterbildung schaffen, sondern die bestehenden Erfahrungen aller Institutionen nutzen und damit den höchsten Nutzen für die Ärzte in Weiterbildung schaffen.

Ziele der Kompetenzzentren sind Weiterbildungen "aus einem Guss", eine inhaltliche und strukturelle Gestaltung der Weiterbildung, Unterstützung auf dem Weg durch die Weiterbildung und ein nahtloser Übergang zwischen Aus- und Weiterbildung. Wie wichtig bei den Inhalten bundeseinheitliche Standards sind, machte der ärztliche Geschäftsführer der Ärztekammer Schleswig-Holstein, Dr. Carsten Leffmann, deutlich: Allein in Schleswig-Holstein gibt es jedes Jahr rund 1.800 An- und Abmeldungen von Ärzten, die aus einem anderen Bundesland kommen oder in ein anderes Bundesland wechseln. "Die in diesem neuartigen Programm gemeinsam gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen in der Allgemeinmedizin sollen von Anfang an hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auch auf andere Facharztgebiete überprüft werden. Die ärztliche Weiterbildung muss besser in die aktuellen Versorgungsstrukturen eingebettet werden", sagte Leffmann.

Die Ärztekammer legt nicht nur die inhaltlichen und zeitlichen Qualifikationsanforderungen für die unterschiedlichen Facharztgebiete fest, sondern lässt in einem aufwendigen Verfahren auch die für die Weiterbildung des fachärztlichen Nachwuchses verantwortlichen erfahrenen Ärzte zunächst offiziell zu. Leffmann empfahl den Weiterbildungsassistenten, die bestehenden Beratungsangebote in der Ärztekammer zu nutzen, um am Ende der Weiterbildungszeit alle Bedingungen für die Zulassung zur Prüfung erfüllt zu haben und keine unnötige Verlängerung oder Wartezeit zu riskieren. Er betonte, dass das Kompetenzzentrum auch auf Seiten der Weiterbildungsbefugten Aktivitäten entfalten wird.

Für die inhaltliche Ausgestaltung der Auftaktveranstaltung waren die beiden Lehrstuhlinhaber der Institute für Allgemeinmedizin, Prof. Hanna Kaduszkiewicz (Kiel) und Prof. Jost Steinhäuser (Lübeck) verantwortlich. Kaduszkiewicz verspricht sich neben einer höheren Qualität der Weiterbildung ("die ist schon gut") auch eine Verkürzung dieser Zeit, denn viele Assistenten bleiben noch immer deutlich über der Mindestdauer von fünf Jahren. Dies ist nicht immer von ihnen gewünscht, sondern zum Teil auch Informationslücken geschuldet. Diese könnten über Veranstaltungen des Kompetenzzentrums geschlossen werden. Außerdem will Kaduskiewicz eine bessere Vernetzung zwischen den Ärzten in Weiterbildung erreichen. Dies gelang schon in der Auftaktveranstaltung, als nach der offiziellen Begrüßung in Kleingruppen weitergearbeitet wurde.

Zuvor hatte Steinhäuser die wesentlichen Elemente der Verbundweiterbildung plus und des kompetenzbasierten Curriculums Allgemeinmedizin skizziert. Der Direktor des Lübecker Instituts für Allgemeinmedizin bringt entsprechende Erfahrungen hierzu aus seiner Zeit in Baden-Württemberg mit. "Das Curriculum ist wie ein roter Faden, der beantwortet, was ich für meine hausärztliche Tätigkeit brauche", sagte Steinhäuser. Es helfe, sich frühzeitig auf die relevanten Inhalte zu fokussieren, schaffe eine Basis und benenne die essenziellen Themenbereiche, die jeder Hausarzt beherrschen sollte.

Das Curriculum ist in drei Teilgebiete untergliedert. Im ersten Teil sind Lerninhalte beratungsanlassbezogen und diagnosebezogen dargestellt. Im zweiten Teil sind Kompetenzen abgebildet, die der Allgemeinmediziner neben seiner medizinischen Expertise benötigt. Im Curriculum orientiert man sich hierbei an den kanadischen CanMed-Kompetenzen, "kulturell adaptiert" für die Verwendung in Deutschland. Dies sind Kommunikation, Zusammenarbeit, Management, Vertretung des Patienten: Versorgungslenkung und Gesundheitsförderung, Lernen und Lehren sowie Professionalität. Im dritten Teil schließlich sind exemplarisch Prozeduren aufgelistet, die häufig in der allgemeinmedizinischen Praxis durchgeführt werden oder die aus Sicherheitsgründen relevant sind.

Nach dem einführenden allgemeinen Teil ging es in der Auftaktveranstaltung in themenbezogene Workshops. Hier standen Kreuzschmerzdiagnostik, hausärztliche Diagnostik bei Patienten mit Schwindel, Diagnostik und Therapie häufiger Hautkrankheiten und Qualitätssicherung in der Sonografie zur Auswahl. Geleitet wurden die Workshops von erfahrenen Allgemeinmedizinern aus Schleswig-Holstein. Insgesamt ein "gelungener Auftakt", wie Kaduszkiewicz anschließend dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt sagte. "Ich habe den Eindruck, dass die Weiterbildungsassistenten es gut finden, dass etwas für sie getan wird."

Die Inhalte für die nächsten Veranstaltungen werden noch bekannt gegeben. Die Termine für die weiteren Veranstaltungen in diesem Jahr stehen bereits fest (siehe unten). Wunsch der beteiligten Organisationen ist, mit diesen Veranstaltungen möglichst alle Weiterbildungsassistenten in der Allgemeinmedizin in Schleswig-Holstein zu erreichen und dafür die Resonanz der in den Krankenhäusern tätigen Assistenten noch zu verbessern.


Info

4 Veranstaltungen hat das Kompetenzzentrum Weiterbildung Allgemeinmedizin für 2017 geplant. Die Termine sind: 9. Februar, 13. Mai, 7. September und 14. Dezember. Geplant sind u. a. praktische Übungen in Kleingruppen.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 01/2017 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2017/201701/h17014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Januar 2017, Seite 10 - 11
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2017

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