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AUSLAND/2511: Nauru - Bericht belegt verheerende psychische Folgen australischer Internierungspolitik (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 3. Dezember 2018

Nauru: Bericht belegt verheerende psychische Folgen australischer Internierungspolitik


Canberra/Berlin, 3. Dezember 2018. Die australische Internierungspolitik verursacht bei den Geflüchteten auf Nauru exzessive psychische Probleme. Zu diesem Ergebnis kommt der heute von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Canberra vorgestellte Bericht "Indefinite Despair". Demnach hatten 30 Prozent der 208 von Ärzte ohne Grenzen bis Oktober behandelten Asylsuchenden und Flüchtlinge versucht, ihrem Leben ein Ende zu setzen. 60 Prozent hatten Selbstmordgedanken. Bei zwölf Patienten, darunter auch Kinder, diagnostizierten die Psychologen das seltene "Resignation Syndrome". Betroffene fallen in einen komaähnlichen Zustand und hören auf zu essen und zu trinken.

"Australien muss diese Politik beenden und alle Flüchtlinge und Asylsuchenden umgehend aus Nauru evakuieren", fordert Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. "Doch auch in der EU sehen wir etwa auf Lesbos, welch verheerende Auswirkungen eine Politik hat, die Schutzsuchende für lange Zeit im Ungewissen festsetzt. Auch im EU-Hotspot Moria sehen wir, dass selbst Kinder sich selbst verletzen oder von Suizid sprechen. Die Erkenntnisse aus Nauru zeigen, wie enorm hoch der humanitäre Preis ist, dem australischen Abschreckungsmodell zu folgen."

Die medizinischen Daten in dem Bericht zeigen, dass die psychosozialen Probleme der auf Nauru Internierten zu den schwersten gehören, die Teams von Ärzte ohne Grenzen weltweit dokumentiert haben, selbst wenn Projekte für Folterüberlebende einbezogen werden. "Ich war jeden Tag in Sorge, welcher meiner Patienten versuchen würde, sich das Leben zu nehmen", beschreibt Christine Rufener, klinische Psychologin bei Ärzte ohne Grenzen. "Nach fünf Jahren des Wartens hatten die Menschen jede Hoffnung verloren."

Drei Viertel der Flüchtlinge und Asylsuchenden berichteten von traumatischen Erlebnissen, wie Inhaftierungen und militärische Konflikte, schon vor ihrer Ankunft auf Nauru. Doch der Bericht zeigt, dass ihre psychische Gesundheit vor allem von der Situation auf Nauru angegriffen wurde. 65 Prozent der Patienten hatten das Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben. Sie waren deutlich häufiger suizidgefährdet oder hatten schwere psychiatrische Erkrankungen. "Es ist die australische Politik der unbegrenzten Internierung, die ihre mentale Gesundheit und ihre Hoffnung auf eine Zukunft zerstört hat", sagt Rufener.

Ein Team von Ärzte ohne Grenzen leistete elf Monate psychologische Hilfe für 285 Patienten, darunter auch Dutzende Bewohner von Nauru. Anfang Oktober zwang die Regierung von Nauru das Team, die Insel zu verlassen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich mehr als 200 Patienten in Behandlung. Ärzte ohne Grenzen ist sehr besorgt um das Wohlbefinden der Patienten, die das Team zurücklassen musste.


Der Bericht "Indefinite Despair" kann unter diesem Link heruntergeladen werden:
https://www.msf.org.au/article/statements-opinion/indefinite-despair-mental-health-consequences-nauru

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen e. V. / Medecins Sans Frontieres
Pressemitteilung vom 3. Dezember 2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2018

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