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AUSLAND/1760: Südafrika - Generika als Hoffnungsträger, doch Produktion und Import vernachlässigt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. November 2011

Südafrika: Generika als Hoffnungsträger - Doch Produktion und Import vernachlässigt

von Kristin Palitza

Patentierte Medikamente sind für viele Kranke zu teuer - Bild: © Kristin Palitza/IPS

Patentierte Medikamente sind für viele Kranke zu teuer
Bild: © Kristin Palitza/IPS

Kapstadt, 22. November (IPS) - Südafrikanische Gesundheitsexperten werfen der Regierung Versäumnisse bei der Produktion und dem Import preiswerter Nachahmermedikamente, so genannter Generika, vor. Würden die rechtlichen Möglichkeiten vollständig ausgeschöpft, könnten die Kosten für medizinische Behandlungen erheblich gesenkt werden.

Die Experten berufen sich auf die Erklärung von Doha über das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS) und öffentliche Gesundheit, die Spielräume zur Einführung von Nachahmerprodukten bietet. Danach dürfen Patente nicht die Fähigkeiten von Ländern untergraben, Bürgern das Recht auf Gesundheit zu gewähren. Die Erklärung ist vor zehn Jahren von den Mitgliedsländern der Welthandelsorganisation (WTO) unterzeichnet worden.

"Staaten wie Südafrika können Gesetze erlassen, um weniger Patente zuzulassen und die Herstellung von Generika zu fördern, um allen einen Zugang zur medizinischen Behandlung zu eröffnen", sagte Mara Kardas-Nelson, die für die Organisation Ärzte ohne Grenzen in Südafrika tätig ist.


Generika senken Gesundheitskosten

Die Verfügbarkeit von Generika kann einschneidende Auswirkungen auf das öffentliche Gesundheitswesen haben. Seit Nachahmerpräparate für die Behandlung HIV-infizierter Patienten produziert würden, seien die Kosten rasch von mehr als 10.000 US-Dollar pro Jahr und Patient auf etwa 600 Dollar gesunken, erläuterte Kardas-Nelson. Millionen Menschen hätten dadurch behandelt werden können.

Als das TRIPS-Abkommen 1995 geschlossen wurde, konnten Pharmaunternehmen ihre Produkte über einen Zeitraum von 20 Jahren patentieren lassen. Während dieser Zeit durften keine Nachahmerversionen hergestellt werden. Diese Regelung führte dazu, dass sich das weltweite Angebot an Generika drastisch reduzierte. Als sechs Jahre später die Erklärung von Doha unterzeichnet wurde, konnten Regierungen jedoch die strikten Patentregelungen umgehen, um die Interessen ihrer Bürger zu schützen.

Überraschenderweise haben nur wenige Entwicklungsländer ihre Patentgesetze so geändert, dass sie die in der Doha-Erklärung aufgezeigten Ausnahmeregelungen nutzen können. Gesundheitsexperten führen dies auf den Druck der großen Pharmakonzerne sowie der USA und der Europäischen Union zurück, wo der Großteil der unter Patentschutz stehenden Medikamente hergestellt wird.

"Die Länder dürfen sich diesem Druck nicht beugen", forderte Catherine Tomlinson von der 'Treatment Action Campaign' (TAC). Wie sie monierte, geht der südafrikanische Patentschutz über die Anforderungen in TRIPS hinaus. "Indien, Brasilien und Thailand hingegen haben die Spielräume genutzt. Während Südafrika allein im Jahr 2008 mehr als 2.440 pharmazeutische Patente gewährte, waren es in Brasilien zwischen 2003 und 2008 nur 278."


Lippenbekenntnisse des südafrikanischen Präsidenten

In der Öffentlichkeit stellt sich die südafrikanische Regierung gern als vehementer Befürworter von Generika dar. In einer gemeinsamen Erklärung mit Indien und Brasilien betonte Staatspräsident Jacob Zuma Anfang des Jahres, dass es wichtig sei, die Produktion von Generika anzukurbeln, um die negativen Auswirkungen von Patenten zu verringern.

Doch solche Erklärungen sind in Südafrika bisher aber nur Lippenbekenntnisse geblieben. Tomlinson appellierte deshalb an Zuma, seine Versprechen einzulösen. "Bis jetzt sehen wir keinen konkreten Hinweis darauf, dass diese Regierung Schritte einleiten will, um das Patentrecht zu ändern", erklärte sie. "Es fehlt am politischen Willen."

TAC und Ärzte ohne Grenzen verlangen außerdem strengere unabhängige Überprüfungen der Anwendung von Patentregelungen und der Möglichkeiten Dritter, Patente vor und ein Jahr nach deren Genehmigung anzufechten. Südafrika wurde überdies aufgefordert, von dem in der Doha-Erklärung ausdrücklich erklärten Recht auf Zwangslizenzen und Parallelimporte essenzieller Arzneimittel Gebrauch zu machen, wenn dies dem öffentlichen Interesse dient und die Originalpräparate zu teuer sind.

Anders als beispielsweise Thailand hat Südafrika von dieser Option keinen Gebrauch gemacht. Deshalb sind die Kosten für medizinische Behandlungen am Kap vergleichsweise hoch. Untersuchungen zufolge sind die Ausgaben für Medikamente +++zwische[n ]2008 und 2010 um mehr als 25 Prozent gestiegen, obwohl sich die Verwendung von Arzneien nur um 5,8 Prozent erhöht hat. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.wto.org/english/tratop_e/dda_e/dohaexplained_e.htm
http://www.wto.org/english/tratop_e/trips_e/trips_e.htm
http://www.msf.org/
http://www.tac.org.za/community/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105872

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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2011